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Erzeugungsmanagement

Selbstversorgung der Turbine durch Trudelbetrieb

Auch wenn Betreiber den Ausfall durch das sogenannte Einspeise- oder Erzeugungsmanagement zu 95 Prozent ersetzt bekommen, ist es für die Akzeptanz der Energiewende eher abträglich, dass Windparks bei starkem Wind statt Strom zu erzeugen stillstehen.

„Im Moment wird in Schleswig-Holstein sehr oft abgeregelt, weil Leitungen und Schaltanlagen ausgebaut werden“, sagt Reinhard Christiansen, Geschäftsführer der Windpark Ellhöft GmbH amp; Co. KG. Doch wenn der Netzausbau erst einmal abgeschlossen und das neue Umspannwerk Jardelund vollständig einsatzbereit sei, dann werde im nördlichen Raum Schleswig-Holstein erheblich weniger abgeregelt. „Absolut notwendig ist eine Ableitung nach Süden zu den großen Verbraucherzentren. Von daher wird Südlink gebraucht“, betont Christiansen. Bis der Netzausbau abgeschlossen ist, sollten alle Betreiber darauf achten, dass sie die Daten erfassen und ihre Entschädigung einfordern. „Der Eingang der Zahlungen dauert leider oftmals Monate.“

Dazu kommt, dass viele Windenergieanlagen bei der Abregelung auf null Prozent selbst zu Verbrauchern werden. Azimutmotoren, Steuerungseinheiten und Kühlanlagen müssen weiterbetrieben werden, auch wenn die Windenergieanlage selbst keinen Strom mehr erzeugen darf. Und dieser Strom muss bezahlt werden. „Klassischerweise sieht die Betriebsstrategie beim Einspeisemanagement so aus“, erklärt Ralf Hendricks, Senior-Vertriebsbeauftragter Onshore beim Anlagenhersteller Siemens: „Beim Null-Prozent-Signal wird die Anlage stillgesetzt. Neben­aggregate müssen die Maschine warmhalten, die Anlage bezieht Wirkleistung aus dem Netz.“ Und nicht nur diese stellt der Netzbetreiber in Rechnung. Zudem muss für bezogene Wirkleistung gezahlt werden.

Selbstversorger

Für dieses Problem hat Siemens eine Lösung entwickelt. Die direkt angetriebenen Turbinen des Herstellers gehen im Fall des Null-Prozent-Signals in einen Trudelbetrieb und erzeugen so noch ausreichend Strom für den Eigenverbrauch. „Wir verbrauchen in diesem Fall keine Wirkleistung aus dem Netz“, sagt Hendricks. Wird das Null-Prozent-Signal wieder aufgehoben, pitcht die Turbine ihre Blätter direkt in den Wind und geht sofort wieder in den Produktionsbetrieb. „Wir vermeiden so die hohen Belastungen, die durch das komplette Anfahren entstehen, und schonen die Hauptkomponenten. Dadurch, dass die Windenergieanlage nicht stillgesetzt wurde, erreicht sie innerhalb weniger Umdrehungen volle Leistung.“ Im Vergleich zu klassischen Betriebsstrategien nach Beendigung des Einspeisemanagements vergehe deutlich weniger Zeit, bis die Anlage wieder Energie einspeist. „Das ist vor allem wichtig, wenn nur einige Minuten lang abgeregelt wird, denn dann ist es besonders ärgerlich, wenn die Maschine bis zu einer Viertelstunde braucht, um wieder volle Leistung zu liefern“, sagt Hendricks.

Nicht immer allerdings setzt der Netzbetreiber das Signal auf null Prozent, sondern reduziert nur auf 30 oder 60 Prozent. „Hier können wir je nach Park-Design die Anlagen unterschiedlich steuern.“ Vorteilhaft sei beispielsweise, stärker belastete Anlagen – etwa in der zweiten Reihe des Windparks – reduziert zu betreiben und nur Anlagen in der ersten Reihe durchlaufen zu lassen. So werde der Verschleiß gleichmäßig auf alle Anlagen verteilt. „Der Betreiber profitiert davon, dass alle Anlagen dann den geplanten Produktlebenszyklus erreichen“, so Hendricks. Oft sei bei größeren Parks zu beobachten, dass stark belastete Anlagen schon früher ausgetauscht werden müssten. Für eine Einzelanlage aber lohne der Planungsaufwand kaum, sodass die defekte Anlage stillgelegt werde, bis die anderen das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben.

Direkt angetriebene Siemens-Anlagen verfügen zudem über ein weiteres Feature, das bei Flaute oder Einspeisemanagement zum Tragen kommen kann: Reactivepower@nowind heißt es firmenintern. „Der Vollumrichter wird als Phasenschieber eingesetzt“, erläutert Hendricks. „Somit kann variabel Blindleistung erzeugt werden und die Anlagen dienen der Netzstabilisierung.“ Außerdem benötigt der Netzbetreiber keine weiteren Kompensationsanlagen mehr, wenn er diese Betriebsweise akzeptiert. Siemens hat das System bereits in drei Windparks eingesetzt, einer davon ist ein Mischpark mit mehreren Anlagentypen. „Wir sind gespannt auf die Bilanz“, sagt Hendricks. „Wir rechnen aber mit einer jährlichen Ersparnis zwischen 20.000 und 30.000 Euro pro Mühle.“

Doch nicht nur Siemens kann die besonderen Eigenschaften seiner getriebelosen Anlagen für spezielle Netzdienstleistungen nutzen. Auch Mitbewerber Enercon, Marktführer in Deutschland, bietet ein zusätzliches Blindleistungsfeature für seine Anlagen an. „Unsere Windenergieanlagen können dem Netz optional die Leistungsmerkmale eines sogenannten Statcom, also eines Static Synchronous Compensator, zur Verfügung stellen“, sagt Eckard Quitmann, der bei Enercon Sales den Bereich Netzintegration leitet. „Mit dieser Option könnten die Turbinen dem Netzbetreiber den gesamten Blindleistungsstellbereich als Systemdienstleistung zur Verfügung stellen, auch wenn keine Wirkleistung in das Netz eingespeist wird. Diese Eigenschaften gehen über die von fast allen konventionellen Kraftwerken hinaus. So kann unabhängig vom Wind ein Beitrag zur Spannungshaltung im Netz erbracht werden“, so Quitmann. Gerade für schwache und hoch ausgenutzte Netze mit langen Übertragungswegen, die an der Stabilitätsgrenze betrieben werden, seien diese Eigenschaften in manchen Regionen unerlässlich, um einen Netzanschluss wirtschaftlich realisieren zu können.

Blindleistung bepreisen

„Wir sehen ganz klar eine Tendenz zu getriebe­losen Anlagen, die diese Leistungen erbringen können“, bestätigt Siemens-Ingenieur Ralf Hendricks. Zwölf Prozent beträgt derzeit der Anteil der getriebelosen Anlagen an Siemens-Windturbinen in Deutschland. „In den vergangenen Jahren haben wir hierzulande praktisch nur getriebelose direktgetriebene Anlagen errichtet.“

Noch kann Blindstrom in Deutschland nicht verkauft werden. „Wir rechnen aber damit, dass die Netzbetreiber durch die modernen Anlagen­features eigene Kompensationsanlagen zur Netz­stabilisierung einsparen können, wenn sich der Handel mit Blindleistung durchsetzt“, prognostiziert Hendricks. ( Katharina Wolf)