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Führerschein für Kommunikation bei der Windparkplanung

Wiebke Heider und Emanuela Boretzki, die zusammen unter Energiewende-Mediation.de an der verbesserten Kommunikation für die Regenerativplanung arbeiten, haben einen Führerschein für den optimalen Dialog bei Wind- und Solarparkplanungen entwickelt. Im Interview erklären sie, worum es ihnen geht. 

Wie sind Sie auf die Idee für einen solchen Führerschein gekommen?

Wiebke Heider: Bei unserer Arbeit als Energiewende-Mediatorinnen werden wir immer wieder in hoch eskalierten Situationen gerufen. Uns fiel auf, dass dort in der Kommunikation zwischen Verwaltung, Planenden und den Bürger:innen Missverständnisse entstanden, die die Ursache für den Ärger in der Bevölkerung sind. Häufig versuchen die Bürgermeister:innen oder Ortsvorstehenden, die Treffen zu den erneuerbaren Energien persönlich zu moderieren. Sie übersehen dabei, dass sie bereits mehrere Rollen innehaben (z.B. neben der politischen auch als Flächeneigner:in, Wind- oder PV-Befürwortende oder Gegner:innen, betroffene Anwohnende) und damit von ihren Bürger:innen nicht mehr als neutrale Instanz gesehen werden können. Zudem werden Verwaltungsmitarbeitende oder Planende nicht explizit in Kommunikation und Bürgerbeteiligung geschult, so dass sie nicht wissen können, wie solche Prozesse aufgesetzt werden sollten. Für manche ist es besonders belastend, wenn Sie Maßnahmen nach Gesetzeslage genehmigen müssen, die sie persönlich eventuell nicht unterstützen würden. Das kann bei der nächsten Begegnung im sozialen Umfeld zu Anfeindungen führen.

Dialogkompetenz und Selbstfürsorge sollten heutzutage aber genauso grundlegendes Wissen sein wie die Fähigkeit, ein Auto zu fahren. So kamen wir auf den Begriff „Führerschein“. Und der Dialog auf Augenhöhe ist nach unserer Erfahrung das Mittel der Wahl um in der Bürgerschaft Vertrauen aufzubauen.

An wen richtet sich der Führerschein?

Emanuela Boretzki: Politiker, also Bürgermeister:innen, Ortsvorstehende, Fraktionsvorsitzende, Mitarbeitende in den Ämtern und Behörden, Planende und Vorhabenträger als Dialogpartner:innen der Anwohner:innen können von unserem Angebot profitieren. Es lassen sich viele Konflikte untereinander oder mit den Menschen vor Ort entschärfen oder vermeiden.

Was sind die wichtigsten Inhalte?

Emanuela Boretzki: Wir geben unsere Erkenntnisse aus der täglichen Praxis komprimiert weiter. Dazu gehört neben dem Basiswissen zum Prozessdesign und dem rechtlichen Rahmen die konfliktpräventive Entscheidungsfindung mit dem Systemischen Konsensieren, aber auch das Einüben ganz persönlicher Wege, wie ich mit störenden oder aggressiven Personen umgehe, wie man verhindert, dass Fake Facts unkommentiert stehen bleiben und damit bei den Zuhörenden sich die Einsicht vertieft, dass schon etwas dran ist an den Argumenten. Ein wichtiger Teil ist zudem die Selbstfürsorge der im Brennpunkt Stehenden, denn es kann persönlich sehr belasten, wenn man öffentlich beleidigt oder angeschrien wird. Schlussendlich wird dargestellt, wie regional passgenaue Dienstleister:innen ausgewählt werden können.

Wie vermitteln Sie die Inhalte? Wie aufwändig ist es, den Führerschein zu machen?

Wiebke Heider: Unsere Fortbildung findet ausschließlich in Präsenz statt. Denn die oben genannten Dinge werden nicht nur besprochen, sondern in der persönlichen Begegnung eingeübt, damit die Teilnehmenden dann in der Realität der Infrastrukturverfahren über ein gutes Standing verfügen.

Der Dialog-Führerschein umfasst 5 Module á 3 Tage innerhalb eines halben Jahres. Die Fortbildung ist in manchen Bundesländern bereits nach den Landesgesetzen für Bildungsurlaub anerkannt, es kann also Bildungsurlaub dafür in Anspruch genommen werden.  Zwischen den Modulen kann das Gelernte gleich im Alltag umgesetzt werden. Im darauffolgenden Seminar findet eine Manöverkritik statt, somit wird das Gelernte verfestigt und verstetigt. Die Zwischenzeiten sind zudem wichtig, um sich persönlich mit den Inhalten zu beschäftigen und eigene Wege zu entwickeln. Zum einen bieten wir den Dialog-Führerschein in Zusammenarbeit mit unserem Partner Inkovema, einem renommierten Ausbildungsinstitut in Leipzig an, zum anderen sind passgenaue Vor-Ort-Seminare nach Absprache möglich.

Wie wichtig sind solche Maßnahmen für die Energiewende?

Emanuela Boretzki: Die meisten Studien zeigen, dass es bei der Umsetzung der Energiewende an der Akzeptanz hakt. Wenn die Bürger:innen das Gefühl haben, dass ihnen eine Infrastrukturmaßnahme aufgedrückt wird, verschreckt es eher und löst Gegenwehr aus. Eine frühzeitige und transparente Kommunikation mit den Anwohnenden bewirkt das Gegenteil.

Zudem wirken Bürgerbeteiligungen über den Anlass hinaus. Wir bekommen nach unseren Einsätzen die Rückmeldung, dass der Dialogprozess einen positiven Einfluss auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort hat.

Auch gegen erneuerbare Energien eingestellte Bürgerinitiativen haben sich schon bedankt, dass unsere Moderation dafür sorgte, dass eine Veranstaltung unerwartet friedlich blieb.