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Interview Torben Hvid Larsen über Digitalisierung

"Werden viel mehr Umsatz schneller erzielen"

Was bedeutet es, wenn Sie die Digitalisierung einer existierenden Turbinenplattform als neues Produkt feierlich enthüllen? Ist dies für Sie schon so bedeutend, wie eine neue Turbine aus der Taufe zu heben?

Torben Hvid Larsen: Es ist .. wir tun hier zwei Dinge: Wir müssen uns in Zukunft einerseits weiterhin um neue Turbinen kümmern, andererseits aber müssen wir zeigen, dass wir nach dem Verkauf unseren Kunden werthaltige Lösungen anbieten können. Was wir schon in der Vergangenheit zeigen konnten und nun wieder zeigen wollen: Wenn wir den Business Case, also die bestehende Wirtschaftlichkeitsperspektive der Kunden verstärken können, dann werden wir für diese Kunden viel mehr Umsatz schneller erzielen. Wenn wir dann wie es beim Auto heute läuft als Hersteller welche Funktionsextras auch immer entwickeln, dann können wir diese den Kunden verkaufen, die das sehr attraktiv finden. Also müssen wir bei der technischen Weiterentwicklung sowohl auf die Turbinen, als auch auf intelligente Nutzwerte, auf intelligente Designs achten, um den Kunden zusätzliche Umsätze zu ermöglichen.

Welches Plus in der Anlageneffizienz oder auch im Umsatz wird das von Ihnen jetzt vorgestellte neue Digitalisierungsprogramm denn bewirken?

Torben Hvid Larsen: Schauen wir zuerst einmal auf die Fundamente: Als wir die Kalkulationen zum Nutzwert der jetzt präsentierten Digitalisierungsoptionen vorgenommen haben – auch um sicherzustellen, dass die Kunden so etwas wollten – stellten wir fest: Die Kunden wollen fünf Prozent der Kosten eines Fundaments an einem gegebenen Standort mit bestimmten Umweltbedingungen reduzieren. Das können wir leisten, weil wir das Zusammenspiel von Turm und Fundament viel akkurater als bisher nachvollziehen können und deshalb beim Auslegen der Komponenten dem Ideal wieder etwas näher kommen.

Sie sprechen von Kostensenkungen pro Fundament als Folge einer genaueren Belastungsauslegung auf Windverhältnisse, die Bodenart im Meer, Wellengang …

Torben Hvid Larsen: … die Wassertiefe, die Strömung … ja: Wir müssen das nun in unsere Überlegungen einbeziehen. Hier erzielen wir neue, wirkliche Vorteile. Dann haben natürlich auch die intelligenten Schwingungsdämpfer einen zählbaren Effekt: Wenn wir all die verschiedenen Türme neu kalkulieren – und zwar von wirklich jeder Turbine, können wir abhängig jeweils von den Standortbedingungen herausarbeiten, dass die eine Turbine einen Prozentpunkt Dämpfung mehr benötigt und die andere noch ein Prozentpunkt mehr. Dabei können wir im Bereich von einem halben bis zwei Prozent weitere Kostenreduzierungen beim Material oder in der Anlageninstandhaltung anpeilen – oder vielleicht eher ein bis 1,5 Prozent.

Noch einmal ganz konkret: Durch welche technischen Aspekte lassen sich diese Kostensenkungen mit der Anlagen-Dämpfung realisieren? Durch Anpassungen in der Turmwandstärke, durch …?

Torben Hvid Larsen: Ja! Hier geht es um Turmwandstärken, die Flansche, die Masse an Stahl in den Fundamenten …

Außerdem argumentiert MHI Vestas im Produktflyer, dass sich dank der Dämpfer die verhältnismäßig preisgünstige Monopile-Fundamentform bei noch größeren Rotordurchmessern jenseits der heutigen 80 Meter langen Rotorblätter weiterhin einsetzen lasse. Was meinen Sie damit, wo Sie doch Monopiles für die V164 bisher gänzlich ohne Dämpfer einsetzen?  

Torben Hvid Larsen: Ja, richtig. Aber, sobald es in größere Meerestiefen geht jenseits der heute für Monopiles noch geeigneten 30 bis 35 Meter beginnen die Dämpfer ihre Vorteile für die Kunden auszuspielen. Also: Wenn Sie die Monopiles noch bei 40 oder gar 45 Meter Wassertiefe einsetzen wollen, weil letztlich manche Kunden generell diese Art von Unterwasserkonstruktion anderen wie Gittermastkonstruktionen vorziehen.

Wie hoch ist der Mehrwert bei den anderen beiden der vier Punkte im jetzigen Digitalisierungsprogramm: Der lückenlosen Datenerhebung durch das Betriebssystem Scada sowie der mobilen Anlagendaten-Überwachung auf Smart-Phone, Laptop und Co?

Torben Hvid Larsen: Die intelligente oder schnelle Datennutzung gibt uns natürlich neue Fähigkeiten an die Hand, um eine noch akkurater vorausschauende Anlagen-Instandhaltung betreiben zu können. Wir haben noch nicht kalkuliert, was genau das in welchen Prozentwerten unseren Kunden wo einbringt. Die Kunden müssen das einstweilen für sich selbst kalkulieren. Aber wir glauben, indem wir die Daten nun immer zur Verfügung haben und nicht nur in Zehn-Minuten-Durchschnittswerten – weil die Scada-Daten bisher nur alle zehn Minuten eingehen –, dann können wir viel besser und schneller Ursachen-Analyse an Schäden oder Komponentenabnutzung betreiben und eben auch vorausschauende Instandhaltung. Dieses Instrument werden wir in Zukunft entwickeln. Ich glaube wirklich, dass wir alle diese uns vorher nicht sichtbaren Daten breiter nutzen können. Vielleicht auch so: Nehmen Sie wieder das Automobil, das Sie heute programmieren können. Nehmen Sie ein Auto mit intelligenter Steuerung, das bei Annäherung an den nächsten voraus fahrenden Wagen über ein bestimmtes Limit hinaus automatisch bremst. Was wäre, wenn Sie diese Intelligenz auf Windturbinen übertrügen? Dann könnte beispielsweise die eine Anlage über eine freie, drahtlose Kommunikation mit den Nachbaranlagen in Bezug auf Windverschattung beispielsweise sich selbst hoch und runterregeln – und dies auch noch auf Anforderung aus dem Stromnetzbetrieb.

Nun sprechen Sie allerdings eher von einer Vision für die nächsten fünf Jahre, nehme ich an?

Torben Hvid Larsen: Das ist eine Vision die wir bereits jetzt uns ansehen. Aber solche Dinge werden noch viel mehr kommen. Wir befinden uns jetzt nur noch in einer Entwicklungsstufe solcher intelligenter datenbezogener Steuerung, in der wir diese Dinge zunächst nur intern nutzen. Aber definitiv werden unsere Kunden dies in der nächsten Entwicklungsstufe nutzen können.

Was ist mit dem vierten Digitalisierungsmodul für mobile Endgeräte wie Mobiltelefon oder Laptop?

Torben Hvid Larsen: Wir bekommen damit eine bessere Sicht auf jeden unserer Windparkstandorte weltweit. Sie können  damit virtuell in jeden Standort und sogar eine Ebene hinunter auf jede Turbine gelangen, von wo Sie eine sehr nette und gleichmäßige Sicht auf alle Ihre Turbinen erhalten mitsamt aller Hauptdaten, die heute zur Verfügung stehen. Hierbei handelt es sich aber nur um ein Upgrade einer bisherigen Software.

Bei dieser aufgefrischten Software dürften Sie wohl solche Kunden im Blick haben, die nach fünf Jahren Garantiezeit den Wartungs- und Instandhaltungsservice für ihre Anlagen selbst zu übernehmen?

Torben Hvid Larsen: Ja. Solche Kunden also können das Produkt kaufen.

Noch bis zuletzt schien die Frage nach den zusätzlichen Kosten alle weiteren Überlegungen zum Einsatz von Condition-Monitoring-Systemen an den Rand zu drängen. Ist denn so viel neue Digitalisierungsausrüstung nicht mit hohen Kosten verbunden?

Torben Hvid Larsen: Natürlich bleiben die Kosten eine sehr wichtige Frage. Aber wir müssen es von der Wirtschaftlichkeitsberechnung her betrachten. Geht es beispielsweise um einen neuen Sensor, der eine Lastminderung für die Komponenten unter speziellen Umgebungsbedingungen erreichen lässt, oder um ein Ausweichen der Turbine vor einer Böe, indem diese die Blätter vorausschauend kurz aus dem Wind stellt, dann fällt die Wirtschaftlichkeitsrechnung günstig aus. Dann können wir den Turm schlanker ausfallen lassen und das Fundament etwas leichter. Grundsätzlich gehen wir jetzt allerdings so vor, dass für jede gute Idee uns in enge Kooperation mit unseren Schlüsselkunden begeben: Wenn diese sagen, diese oder jene Innovation bringt uns einen Mehrwert, werden wir mehr und mehr mit dieser Innovation arbeiten. Und natürlich werden wir nichts vorantreiben, das keinen Mehrwert einbringt.

Wann wird MHI Vestas die Zehn-Megawatt-Windturbine präsentieren, oder gar die 12-, 13-, oder 14-MW-Turbine?

Torben Hvid Larsen: Ich kommentiere das nicht. Wir müssen auf die kurzfristige Entwicklung schauen, in der auch unser Wettbewerber Siemens Gamesa sich befindet. Sie bedeutet, dass wir weitere Kosten aus der Anlage herausnehmen müssen. Mittel- oder langfristig muss sich aber zeigen, was die Zukunft bringt ….

Ihre Anlage größer 10 MW wird aber doch wohl nicht mehr auf der 8-bis-9,5-MW-Anlagenplattform der V164 fußen?

Torben Hvid Larsen: Man weiß es nie! (lacht).

(Das Gespräch führte Tilman Weber auf der Hamburg Offshore Wind Conference des DNV GL am 11. April)