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Pelletszertifizierung

ENplus will DINplus ablösen

Michael Brandtner ist Markenstratege. Auch in der Pelletbranche hat sich der Mann aus Rohrbach als Berater einen Namen gemacht. Darüber hinaus ist der oberösterreichische Spezialist ein gefragter Redner. Zumindest können nur wenige Nichtfunktionäre von sich sagen, dass sie wiederholt auf dem jährlich stattfindenden Industrieforum Pellets in Stuttgart Vortragende waren. Brandtner stand binnen drei Jahren gleich zweimal auf der Bühne des Leitkongresses der Pelletwelt. Seine Botschaft an die Branche lautet, dass Unternehmen sich bei der Markenbildung die Evolutionstheorie Charles Darwins zum Vorbild nehmen sollten. Eines von Brandtners elf eigenen Naturgesetzen lautet sinngemäß: Von großer Bedeutung für den Erfolg ist, dass man mit seinem Produkt in den Köpfen der Kunden verhaftet ist. Unbekannte Mitbewerber müssten hingegen erst einmal etablierte Marken verdrängen, wo diese tief im Unterbewusstsein der Käufer verankert sind.

Auch wenn Brandtner auf Einladung von Messeveranstalter Solarpromotion generell zum Vermarktungsgeschäft der Teilnehmer des Industrieforums Pellets spricht: Seine Botschaft passt zu einem aktuellen Zertifizierungsstreit der Branche wie ein Fahrplan.
Ein Fahrplan, der sich auch auf eine einjährige Vorgeschichte bezieht: Das neue Gütezeichen für Holzpellets erblickt das Licht der Welt am 6. Oktober 2009 ab 14 Uhr. In der folgenden halben Stunde präsentiert der Deutsche Ener­gieholz- und Pellet-Verband (DEPV) vom Podium des 9. Industrieforum Pellets (9. IFP) den 535 Teilnehmern aus 35 Ländern erstmals ENplus und stellt es als das neue Gütezeichen in Deutschland vor. Im zweiten Schritt solle es sukzessive auch in anderen europäischen Ländern eingeführt werden und so zu dem führenden europäischen Gütezeichen für Holzpellets in Europa werden.

Platzhirsch DINplus

Zu diesem Zeitpunkt ist das Gütezeichen DINplus bereits seit zehn Jahren am Markt. Der deutsche Wärmemarkt ist ein DINplus-Markt. Die Kesselhersteller knüpfen ihre Garantie für Anlagen an die Verwendung von DINplus-Pellets. Die gesamte Pelletbranche stand geschlossen hinter ihrem Qualitätszeichen. Womöglich kennt es jeder der rund 150.000 Hausbesitzer in Deutschland, die mit Pellets heizen. „DINplus war und ist das Qualitätszeichen für Holzpellets mit der größten Akzeptanz und Bekanntheit“,  sagt Norbert Müller, Produktmanager der DIN Certco GmbH. Die Tochter der TÜV Rheinland Gruppe hatte das Zeichen entwickelt.
Parallel zur Etablierung in Deutschland hatte DIN Certco DINplus auch international ausgerichtet. Die Berliner können dazu auf das Netzwerk des TÜVs mit seinen 490 Standorten in 61 Ländern zurückgreifen. Heute umfasst die Liste nach DINplus zertifizierter Pellethersteller mehr als 100 Unternehmen in über 20 Ländern, verteilt über den gesamten Globus (siehe Karte). Aktuell gibt es Vorbereitungen auf eine DINplus-Zertifizierung in mehr als 20 weiteren Ländern. 

Bekanntheit sichert Nachfrage

Jüngster Neuzugang ist die Ukraine. Im Juli gab die polnische Barlinek S. A. bekannt, dass sie über ihre Tochter Barlinek Ukraine die Ersten im ehemaligen Sowjetland wären, die Pellets in DINplus-Qualität herstellen. Parkettboden- und Holzpellethersteller Barlinek verfügt über ein drittes Werk in Polen, das schon DINplus-zertifiziert war. Zu den Gründen der fortgesetzten Zertifizierung gemäß dem etablierten Label befragt, sagt Barlinek-Sprecherin Mariola Sykulta: „Alle unsere Kunden kennen und schätzen das Zeichen und deswegen ist es für uns essentiell es zu besitzen.“

In dem halbstündigen Vortrag vor einem Jahr über ENplus fällt vor der versammelten Pelletwelt das Wort DINplus aber nicht ein einziges Mal. ENplus wurde von DEPV und dem österreichischen Pelletverband Propellets Austria (PPA) entwickelt, in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Biomasseforschungszentrum Leipzig (DBFZ). Angesiedelt ist das Zeichen bei der Deutschen Pelletinstitut GmbH (DEPI), einem Tochterunternehmen des DEPV. In dem 2008 gegründeten Institut bündelt der Verband seine Öffentlichkeitsarbeit.

Für das neue Gütezeichen richteten die Akteure schnell eine Website ein. Hier kann sich der Besucher umfassend durch sämtliche Aspekte des Gütezeichens navigieren und Statements von prominenten Befürwortern in Wort und Bild lesen, namentlich von renommierten Kessel- und Ofenherstellern wie Ökofen, Paradigma, Windhager, Rika, Solvis, Solarfocus oder Wodtke. Außerdem lässt sich hier eine Liste von Händlern aufrufen, die ENplus-zertifizierte Holzpellets anbieten.

Auch auf der Startseite des DEPV gibt es einen Hinweis auf das neue Zeichen. Auf DINplus weist hier hingegen nichts mehr hin. Mit einem Klick befindet sich der Besucher auf der ENplus-Seite. Das neue Zeichen wird beim Endverbraucher als das neue und einzige Pellets-Qualitätszeichen vorgestellt –
ohne dass dieses irgendwie amtlich wäre. 

Nach innen ist ENplus innovativ, weil es erstmals den Handel in die Zertifizierung einbezieht. Damit geadelte Pellets können nur solche Händler ausliefern, die sich auch förmlich zur Einhaltung der Zeichen-Konformität verpflichtet haben. Das ist neu. Und es passt zur Lehre des Markenexperten Brandtner. Er argumentiert, gemäß seinen Naturgesetzen müsse, wer eine starke Marke aufbauen wolle, neue Kategorien schaffen.

Kritik aus der Kette

Entlang der Lieferkette vom Pelletwerk bis zum Endkunden kommt dem Lieferanten eine verantwortungsvolle Aufgabe zu. Macht er Fehler, stellt er zum Beispiel den Druck beim Einblasen der Holzpellets zu hoch ein, dann kann die Qualität am Ende so schlecht sein, dass der Brennstoff im Kessel nicht mehr richtig funktioniert. Kunden gewinnen dann den Eindruck, dass das Gütezeichen keine Sicherheit bietet. DIN Certco aber bietet bereits seit Jahren genau für diesen Schlussabschnitt der Lieferkette eine eigene Zertifizierung an. Lieferanten konnten sich damit bisher als DINplus-Pelletlogistik zertifizieren lassen.


Nur fand das Gütezeichenangebot kaum Abnehmer. Der kostenpflichtige Mehrwert ließ sich gegenüber den Kunden schwer als Qualitätsmehrwert darstellen. Zumal viele Lieferanten auch ohne Zertifizierung ihre Arbeit genauso gut machten, als wären sie zertifiziert worden, nur eben nicht alle.

Jetzt aber kommt über ENplus die Pflicht. Das wird offenbar vom Gros der Kesselhersteller, Pelletproduzenten und Händler unterstützt. Die Qualität der Lieferung war eine Baustelle und auch ein Anlass der Kritik an DIN Certco. Denn DINplus-Pellets hielten mitunter auch mal nicht, was sie versprachen. Der Glanz des Gütezeichens hatte bereits Risse bekommen, als im Winter 2006/2007 die Asche von zertifizierten Pellets in einigen hundert Kesseln vorwiegend in Norddeutschland zu steinharten Schlackebrocken verschmolz und die Kessel ausfielen. Unterm Strich wurde die Forderung laut, dass aufgrund der Erfahrungen DINplus überarbeitet werden müsse. Doch DIN Certco reagierte nur zögerlich, wie Kritiker monieren. Unmut wurde in der Branche laut.

Denkwürdige halbe Stunde

Die Präsentation auf dem 9. IFP war eine marketingtechnisch denkwürdige halbe Stunde. Weil das bisherige Gütezeichen der Pelletbranche nicht mehr erwähnt wurde, dürfte manch argloser Zuhörer zunächst angenommen haben, dass es sich bei ENplus um so etwas wie einen Relaunch, also eine modernisierte Fortsetzung des DINplus handelt. Zumal auch die neue europäische Norm für Holzpellets EN 14961 voraussichtlich im Frühjahr 2011 kommen und dann nationale Normen ablösen wird. ENplus setze diese Norm um, hieß es auf dem IFP.

Tatsächlich: DINplus leistete dies zu diesem Zeitpunkt nicht. So sieht die EU-Norm die drei Qualitätsklassen A1, A2 und B vor. Das Zertifizierungssystem ENplus stellte dazu bereits 2009 die eigenen Pendants namens ENplus-A1, ENplus-A2 und EN-B vor. Alles in allem konnte so der Eindruck entstehen, dass mit den absehbar notwendigen Anpassungen nationaler Gütezeichen an die neue Europanorm automatisch ENplus zur Fortsetzung von DINplus würde. Tatsächlich hat ein Rennen zweier Gütezeichen um die Gunst des Marktes und der Kunden begonnen. Und in gewisser Weise wurde DINplus von den Verbänden ausgebootet.

Früchte des Zorns

Im Februar dieses Jahres beschrieb DEPV-Geschäftsführer Martin Bentele die Lage dann so: „Nach der bereits jetzt zu verzeichnenden Nachfrage rechnen wir schon im ersten Jahr mit einer flächendeckenden Verfügbarkeit von Pellets in ENplus-Qualität.“ Ab März 2010 konnten Anträge auf Nutzung von ENplus gestellt werden. Ein Jahr nach der Vorstellung des Gütezeichens gab das DEPI Anfang September zum 10. IFP seine Zwischenbilanz bekannt: Rund 1,7 Millionen Tonnen Kapazität seien inzwischen ENplus-zertifiziert, laut DEPI somit 60 Prozent der nationalen Kapazität.

Die ENplus-Kampagne schreitet in großen Erfolgsschritten voran. Die neue Marke ist dabei, sich als Gütezeichen zu etablieren. Allerdings neben DINplus. „Einige Marktteilnehmer werden sich sicherlich kurzfristig alleinig für ein ENplus-Zertifikat entscheiden und nutzen DINplus so nur als Übergang“, sagt Yvonne Zengerle, Geschäftsführerin des internationalen Pelletgroßhändlers GEE Energy GmbH amp; Co. KG aus Hamburg. Für andere wiederum werde aufgrund seiner Bekanntheit DINplus insbesondere im deutschsprachigen Raum längere Zeit hauptsächliches Zertifikat bleiben. 

So gab auch die EC Bioenergie GmbH aus Heidelberg die Zertifizierung nach ENplus für alle Produktionsstandorte im August bekannt. Zugleich teilte die EC mit, dass es über die DINplus-Zertifizierung verfüge. Marktführer German Pellets GmbH verkündete die ENplus-Zertifizierung Anfang September. In einer Mitteilung im selben Monat, mit der die Wismarer Tipps an Verbraucher zur richtigen Einschätzung der Pelletqualität gaben,  empfahlen sie aber zugleich den Kauf von DINplus- oder ENplus-A1-zertifizierten Pellets. Die Wismarer geben sich also abwartend.
Evolution sichert Überleben.

Mangels Platz am Mikro und auf dem Podest beim 9. IFP, den die Programmverantwortlichen DIN Certco nicht eingeräumt hatten, veröffentlichte der ins Hintertreffen geratende Akteur damals eine schriftliche Note. Die Berliner  erklärten, dass sie DINplus an die neuen Vorgaben der europäischen Norm anpassen würden. Seit April dieses Jahres werden die Zertifikate nun ebenfalls auf der Grundlage der neuen europäischen Norm ausgestellt. Seit Frühjahr gibt es also DINplus gemäß EN 14961-2. Ursprünglich war die Anpassung erst zum Inkrafttreten der EU-Norm geplant. 2009 rechnete man noch damit, dass dies 2010 der Fall sein würde. Nun wird die Europanorm wohl erst 2011 kommen – DIN Certco aber hat den Relaunch seines Zertifizierungsprogramms de facto vorgezogen.
Marketing-Mann Brandtner formuliert auch ein Naturgesetz für das Überleben von Marken. Diese müssten sich ständig verbessern. Er sagt: „Das ist Evolution.“ Dazu passt, dass bereits eine Weltnorm für Holzpellets erarbeitet wird. Die stellt dann beide Gütezeichen wiederum vor die Aufgabe, sich anpassen zu müssen.

DITTMAR KOOP