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Energieforschung in Deutschland – ein Kommentar

Bundesregierung stellt Forschungsbericht vor

Papier soll ja geduldig sein. Viel Geduld musste schon das Titelblatt des aktuellen Bundesberichts Energieforschung 2015 der Bundesregierung aufbringen. Immerhin ist der Bericht mit Forschungsförderung für die Energiewende untertitelt. Aber schon der Blick in das Inhaltsverzeichnis verrät, dass immer noch viel Raum für die konventionellen Energiequellen zu sein scheint wird. Beim genauen Blick auf die Zahlen gibt die Bundesregierung aber nur einen Teil der Forschungsmittel für die Energiewende aus. Von den 819 Millionen Euro, die im vergangenen Jahr in die Energieforschung geflossen sind, steckt die Bundesregierung jeden zehnten Euro allein in die Erforschung der nuklearen Sicherheit und in die Suche nach einem geeigneten Endlager für den Atommüll. Dazu kommen noch 138 Millionen Euro, die in die Kernfusionsforschung gesteckt werden – immerhin eine Technologie, die nicht im entferntesten etwas mit einer Energiewende zu tun hat. Jedenfalls nicht, wenn man die Energiewende nicht nur als Substitution der Erzeugungsformen, sondern auch ein Umschwenken hin zur dezentralen Produktion versteht.

Mittel für Photovoltaikforschung sinken

So weit ist die Bundesregierung aber noch lange nicht. Zwar bekommt die Photovoltaik immer noch den größten Anteil der Forschungsmittel. Doch sind diese in den vergangenen Jahren erheblich zurückgegangen. Da zeigt sich, dass ohne eine funktionierende Industrie auch keine Forschung realisiert wird. Denn die Mittel werden nicht einfach so verteilt, sondern müssen von Forschungsinstituten und eben den Entwicklungsabteilungen der Hersteller beantragt werden. Da immer weniger Hersteller in Deutschland vorhanden sind, die sich auch konsequente Forschung leisten können, werden die Forschungsmittel im Bereich Photovoltaik auch im kommenden Jahr wahrscheinlich weiter sinken.

Große Player haben bessere Chancen auf Förderung

Auf der anderen Seite zeigt sich in der Forschungsförderung der Windkraft, dass große Player auch viel entwickeln wollen und entsprechend viele Forschungsmittel beantragen können. Währen die Förderung der Onshore-Windkraft in den vergangenen Jahren immer weiter zurückgegangen ist, fließt immer noch ein ein Drittel der Forschungsgelder in die Entwicklung der Windkraft auf hoher See. Nahezu das Siebenfache haben die Offshore-Entwickler an Forschungsmitteln im Vergleich zur Windkraft an Land bekommen.

Bioenergie bleibt Stiefkind

Stiefkinder bleiben nicht nur bei der Investitions- sondern auch bei der Forschungsförderung bleiben Technologien wie Bioenergie und Wasserkraft. Für einen konsequenten Umbau des Gesamtsystems werden aber gerade diese beiden Technologien gebraucht. Denn sie sind es, die zukünftig die volatile Stromerzeugung aus Sonne und Wind ausgleichen können. Doch statt dessen setzt die Bundesregierung ganz klar auf die fossilen Brennstoffe. Allein die höchst umstrittene CCS-Technologie, bei der Abgase aus Kohlekraftwerken unterirdisch gespeichert werden sollen, war der Bundesregierung viel Forschungsgeld wert. Immerhin halten die federführenden Ministerien für Wirtschaft und Umwelt nicht hinterm Berg mit ihrer Absicht, die konventionelle Stromerzeugung über die Energiewende hinwegzuretten. Berlin begründet sein Engagement in die Förderung einer Technologie der Vergangenheit damit, dass diese die Residuallasten abdecken soll. Statt dessen wären die Gelder aber bei der Erforschung zukunftsweisender Technologien wie Bioenergie oder Wasserkraft besser aufgehoben.

Denn ob solche Ideen wie CCS jemals umgesetzt werden, bliebt fraglich. Schließlich spielen hier nicht nur die wirtschaftlichen Erwägungen eine Rolle, sondern vor allem die politischen Realitäten in den Bundesländern. Niemand will auf einer Kohledioxidblase leben. Deshalb werden solche Pläne immer nur gegen den Widerstand der regionalen Bevölkerung durchsetzbar sein. Wie erfolgreich solche Trotzstrategien seitens der politisch Verantwortlichen sind, haben die Wendländer vorgemacht. Seit Jahrzehnten sperren sie sich gegen ein nukleares Endlager, was dazu geführt hat, dass immer noch keine Lösung gefunden ist, was mit dem Atommüll einmal geschehen soll. Statt dessen muss die Bundesregierung Jahr für Jahr immer noch 77 Millionen Euro allein an Forschungsmitteln für die Nukleare Sicherheit und die Endlagersuche aufbringen.

Immerhin bekommen die Energiespeicher als zweite Lösung der Systemstabilisierung einiges an Forschungsmitteln, auch wenn diese viel geringer sind als die Mittel für die Erforschung aussterbender Technologien wie Kohleverstromung und Atomkraft. Die Beamten in Berlin haben für die Erforschung der Energiespeicher im vergangenen Jahr Projektmittel in Höhe von 39 Millionen Euro neu bewilligt – ein Drittel dessen, was sie für die Forschungsprojekte zur Kohleverstromung und Atomkraft ausgegeben haben.

Kaum Interesse an der Wärme

Ein weiteres Stiefkind ist die Wärme. Dabei wären die Ziele der Bundesregierung zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen nicht einfacher zu erreichen, als wenn die Wärmeerzeugung konsequent auf erneuerbare Energien umgebaut würde. Statt dessen dümpelt die Forschungsförderung der Niedertemperatur-Solarthermie immer noch bei gut sechs Millionen Euro pro Jahr. Die Branche hingegen hat schon vor Jahren vorgerechnet, dass diese Mittel nicht ausreichen, um die üppigen Forschungsvorhaben zu realisieren. Dabei sollte es vor allem um die Suche nach neuen Materialien zur Kostenreduktion gehen. Doch diese Projekte werden weiter auf die lange Bank geschoben, bis auch die Solarthermieindustrie in Deutschland einen irreparablen Schaden genommen hat, wie auch schon die Photovoltaik, die inzwischen mit Mann und Maus Deutschland den Rücken dreht und neuen Märkten zuwendet.

Angesichts dieser Zahlen ist es wohl eher fraglich, ob sich das Energiesystem zumindest in naher Zukunft von dem der Gegenwart unterscheiden wird, wie es Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bei der Vorstellung des Energieforschungsberichts betont. Selbst die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland wird mit den alten Energiequellen kaum besser werden angesichts der steigenden Kosten für fossile Brennstoffe und unüberschaubare Nebenkosten für die Atomkraft. Um dies zu erreichen, müsste die Bundesregierung konsequent die Forschungsförderung auf die erneuerbaren Energien konzentrieren und die weitere Beatmung der fossilen und atomaren Energieleiche endlich einstellen. (Sven Ullrich)