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EU Winterpaket

Was geht bis 2030?

Die EU-Kommission sitzt in der Zwickmühle: Einerseits gibt es verbindliche Klimaschutzziele, die bis 2030 erreicht werden sollen, anderseits sind diese aber nicht auf die einzelnen EU-Staaten umgelegt worden. „Die Kommission hat keine Instrumente in der Hand, um die Mitgliedsstaaten auf diese Ziele zu verpflichten“, sagte Patrick Graichen, Direktor der Agora Energiewende jüngst in Berlin.

Bis 2010 will die EU die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 senken, die Energieeffizienz um mindestens 27 Prozent steigern und die erneuerbaren Energien auf einen Mindestanteil von 27 Prozent am europäischen Stromverbrauch ausbauen. „Gleichzeitig gibt es aber signifikante Kraftwerksüberkapazitäten in den meisten Mitgliedsstaaten und einen enormen Überschuss von Zertifikaten im Emissionshandel“, so Graichen. Zwar seien die Kosten für die erneuerbaren Energien gesunken, doch die derzeitigen Strommarktregeln seien unzureichend für deren Marktintegration.

Als Grundsatz gilt: Effiency first

In dieser Situation hat die EU-Kommission nun das Winterpaket vorgelegt, das mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen die Widersprüche und Probleme auflösen will: Geltende Richtlinien sollen überarbeitet und neue Initiativen gestartet werden. Zu den wichtigsten gehört ein neues verbindliches 30-Prozent-Ziel bei der Energieeffizienz. Der Grundsatz „Effiency first“ soll als Entscheidungsprinzip der Energiepolitik gelten. Im Bereich erneuerbare Energien will die Kommission 2023 bewerten, ob das 27-Prozent-Ziel bis 2030 erreichbar ist und dann gegebenenfalls einen „Gap-Filler“ vorschlagen. Grundsätzlich wird ein Verbot rückwirkender Vergütungsänderungen vorgeschlagen.

Am meisten Sprengstoff findet sich, zumindest aus deutscher Sicht, im Bereich Strommarktdesign, wo neben der Abschaffung des Einspeisevorrangs auch detaillierte Maßnahmen zur Engpassbewirtschaftung sowie die Einführung eines marktbasierten Redispatches vorgeschlagen werden. Neu ist auch eine Regelung für Kapazitätsmärkte, an denen dann nur noch Kraftwerke mit einem CO2-Grenzwert von 550g/kWh teilnehmen dürften.

Einspeisevorrang nicht mehr nötig?

„Viele Ansätze sind begrüßenswert“, urteilt Matthias Buck Leiter Europäische Energiepolitik bei Agora Energiewende, der dennoch etliche Unausgewogenheiten sieht. „Ohne den Abbau von Überkapazitäten und eine Reform des CO2-Zertifikatehadels gibt es keine Anreize, in saubere Kraftwerkle zu investieren. In dem Wegfall des physikalischen Einspeisevorrangs für Erneuerbare, den das Winterpaketvorsieht, sieht er keinen unüberwindlichen Bremsklotz für den weiteren Ausbau von Sonne, Wind amp; Co. Denn durch detaillierte Vorgaben für die Kaskadierung bei der Abregelung könnten grüne Investitionen geschützt werden, so Buck.

Ganz anders urteilen hier die EE-Verbände: „Die physikalische Einspeisung ins Netz muss - mindestens so lange fossile und atomare Überkapazitäten bestehen - gesichert werden. Alles andere steht in krassem Widerspruch zum Klimaschutzabkommen von Paris. Auch im Falle von regionalen Netzengpässen ist eine Aufweichung der in Deutschland eingespielten Regelung, nach der zuletzt Erneuerbare Kapazitäten abgeregelt werden, nicht zu akzeptieren“, so Hermann Albers, Präsident Bundesverband Windenergie.

BEE: Winterpaket bremst

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sieht in den Maßnahmen und Leitlinien der EU eher eine Bremse als einen Anschub für die europäische Energiewende. Das Energiepaket verpasse die Chance, die EU zur Nummer eins bei den erneuerbaren Energien zu machen, stellte Rainer Hinrichs-Rahlwes, Europaexperte im Vorstand BEE fest. Er kritisiert die Einschränkung des Einspeisevorrangs für erneuerbare Energien und verpflichtende grenzüberschreitende Ausschreibungen vor. „Die Europäische Union greift mit ihren Vorgaben zu sehr in die Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Energiewende ein. Sie verhindert damit Flexibilität und nimmt den Mitgliedsstaaten Gestaltungsfreiheit“, kritisiert Hinrichs-Rahlwes. Speziell beim 27-Prozent-Ziel für erneuerbaren Energien am europäischen Endenergieverbrauch wünscht sich der BEE mehr Klarheit. „27 Prozent Erneuerbare Energien als Minimalanforderung sind an sich nicht ambitioniert. Darüber hinaus fehlen immer noch Maßnahmen, wenn Mitgliedstaaten die Vorgaben nicht erfüllen.“

Auch Matthias Buck kritisiert die Nichtverpflichtung der Mitgliedsstaaten: Es kann 2020 bis 2025 zum Erliegen des EE-Ausbaus in vielen Mitgliedsstaaten kommen, da es bisher keine Verpflichtung zu nationalen Maßnahmen nach 2020 gibt“. Die Überprüfung der Kommission 2023 komme zu spät.

Ehrgeiziger Zeitplan

Im Januar soll nun das EU-Gesetzgebungsverfahren beginnen. Die Kommission strebt ein eine Einigung in 1. Lesung bis Ende 2018 an, um Vorder Neuwahl im Mai 2019 das Paket abschließen zu können. „Das ist angesichts der zahlreichen politischen Unwägbarkeiten ein ehrgeiziger Zeitplan“, urteilt Buck. (Katharina Wolf)