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Reden über die Energiewende – ein Kommentar

Goldbeck legt seine Linie fest

Jetzt hat er sich eingearbeitet, der neue Präsident des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW-Solar). Joachim Goldbeck, Geschäftsführer von Goldbeck Solar im schwäbischen Hirschberg, hat den zentralen Pfeiler seiner zukünftigen Arbeit eingerammt. Es geht darum, die Politik dazu zu bewegen, Steine für neue Geschäftsmodelle aus dem Weg zu räumen. Der deutsche Solarmarkt schwächelt seit zwei Jahren. Inzwischen ist der monatliche Zubau auf ein Niveau gesunken, dass die deutsche Photovoltaikbranche seit acht Jahren nicht mehr verkraften musste. Die jährlichen Installationen liegen derzeit bei einem Gigawatt, während der Weltmarkt boomt. Dort hat man inzwischen erkannt, dass die Photovoltaik riesige Vorteile gegenüber der Verstromung von Öl, Gas und Kohle.

„Ein gesunder Heimatmarkt ist die Voraussetzung für gesunde Unternehmen und erfolgreichen Export“, sagt Joachim Goldbeck. Die Warnung vor einem Verlust an Kompetenz und der Stellung der deutschen Photovoltaikbranche auf dem Weltmarkt ist zwar nicht neu. Aber es gebetsmühlenartig immer mal zu wiederholen ist auf keinen Fall verkehrt. Auch wenn es kaum dabei helfen wird, dass die politisch Verantwortlichen in Berlin ihren betriebswirtschaftlichen Blick ändern und das Thema eher volkswirtschaftlich angehen. Denn immer noch ist die Lobby der konventionellen Stromerzeugung der kleine Mann im Ohr von Wirtschaftsminister Gabriel, auch wenn er auf dem ersten Berlin Energy Transistion Dialogue klar gestellt hat, dass die Energiewende nicht nur eine ökologische Notwendigkeit ist, sondern auch ein riesiges wirtschaftliches Potenzial hat. „Nur wenn es und in Europa und Deutschland gelingt, dass wirtschaftlicher Erfolg nicht verringert, sondern im Gegenteil ausgebaut werden kann durch die Energiewende, nur dann werden wir andere Länder finden, die uns folgen“, erklärt Gabriel in seiner Rege auf dem Berliner Energiegipfel. „Nur wenn wir in Europa zeigen, dass wir nicht weniger Arbeitsplätze produzieren durch die Energiewende, sondern mehr industrielle Arbeitsplätze, nur dann werden wir Menschen überzeugen, die sich gerade erst auf den Weg machen zur Industrialisierung.“

Deutschland läuft hinterher

Derzeit sieht es aber – zumindest was die Photovoltaik angeht – eher so aus, als liefe Deutschland den anderen Ländern hinterher. Selbst in Afrika und Asien geht der Ausbau der Photovoltaik schneller voran als im hochindustrialisierten Deutschland. Gemessen am Stromverbrauch wird dies noch deutlicher. Zwar hat Deutschland zugegebenermaßen inzwischen einen hohen Anteil an regenerativem Strom im Netz. Doch wenn es um die Steigerung dieser Anteile geht, muss sich das Land mit den Ärmsten der Welt messen und nicht mehr mit Regionen wie Kalifornien, wo inzwischen die Hälfte des Stroms im Netz erneuerbar ist. Selbst ein Land wie Costa Rica hat hier einen riesigen Vorsprung. Der kleine Staat in Mittelamerika hat bisher in diesem Jahr noch keinen Milliliter Öl, keinen Kubikmeter Gas und kein Krümel Kohle verbrannt, um die Stromversorgung aufrecht zu erhalten. Es ist das erste Land der Welt, das vollständig regenerativ versorgt wird.

Daran müsste sich Deutschland messen. Aber aus der Rede Gabriels wird auch klar: Hierzulande ruht man sich aus auf dem, was bisher geschafft wurde. Immer wieder ist die Rede davon, dass Deutschland die Energiewende mit losgetreten hat. Tatsächlich ist durch das EEG und die Förderung regenerativer Stromerzeugung viel vorangekommen. Die Anlagen werden billiger. Sicherlich ist dies auch die Voraussetzung dafür, dass die Photovoltaikanlagen inzwischen in Regionen aufgebaut werden, wo die Kaufkraft extrem gering ist. Doch von wirtschaftspolitischer Weitsicht ist inzwischen nichts mehr zu spüren. Statt dessen zieht man sich darauf zurück, dass Deutschland die Energiewende in Gang gebracht habe, jetzt sollen doch erst einmal andere nachziehen.

Es geht nicht um mehr Subventionen

Klar ist auch, dass die Energiewende viel Geld kostet. Das hat niemand bestritten und das wird auch niemand bestreiten. Doch noch längst ist man noch nicht so weit, über die Kosten der fossilen und nuklearen Energieversorgung offen zu sprechen. Inzwischen ist auch im Berliner Wirtschaftsministerium nicht mehr tabu zu sagen, dass die Atomenergienutzung die teuerste Form der Energieversorgung ist. Doch wenn es um Kohle geht, schweigt Berlin zumeist vornehm. Das Problem liegt aber noch nicht einmal in der Zukunft, wie uns Gabriel in seiner Berliner Rede weismachen will. Er zieht sich darauf zurück, dass die Verbrennung fossiler Energieträger ökologischen Folgen haben werden. Das ist zwar nicht falsch. Doch tatsächlich verschweigt er die momentanen Kosten für die Verstromung von Kohle, Gas und Öl. Die Fachleute von der OECD haben es ausgerechnet. Insgesamt werden die fossilen Energietechnologien mit gut 80 Milliarden unterstützt. Die erneuerbaren hingegen bekommen in Europa 15 Milliarden Euro Subventionen.

Der Photovoltaikbranche geht es aber nicht darum, mehr Subventionen zu bekommen. Es reicht schon völlig aus, die Hürden aus dem Weg zu räumen. So kann der Solarstrom locker mit den fossilen Energieträgern mithalten – selbst wenn diese die bisherigen Subventionen weiter bekommen. Noch besser stehen die Photovoltaik da, wenn tatsächlich endlich die externen Kosten der Verbrennung fossiler Energieträger mit eingepreist werden, wie es Joachim Goldbeck fordert.

Auf den Lorbeeren ausruhen

Diese Dimension verschweig Gabriel in seiner Rede. Statt dessen klopft er sich selbst auf die Schulter. Man habe in Deutschland die erneuerbaren Energien zu einer Industrie heranreifen lassen, die viele Arbeitsplätze geschaffen habe. Von 300.000 Jobs spricht der Wirtschaftsminister. Diese Zeiten sind aber längst vorbei. Zumindest was die Photovoltaik angeht, ist in den vergangenen beiden Jahren jeder vierte Arbeitsplatz durch die Veränderung der Rahmenbedingungen vernichtet worden. Und der Rückgang geht weiter. Mit Hanwha Q-Cells verlässt einer der größten Hersteller das Land und geht nach Südostasien, wo noch Solaranlagen gebaut werden. Einen Rückgang von 114.000 auf knapp 70.000 Arbeitsplätzen hat das Beratungsunternehmen DIW Econ für die Jahre 2012 und 2013 festgestellt. Von der Gabrielschen Vision einer Reindustrialisierung ist – zumindest was die Photovoltaik angeht – nichts zu spüren. Statt dessen werden die Regionen deindustrialisiert, die schon nach der Wende den größten Teil ihrer Industriearbeitsplätze verloren haben.

Mit seiner Rede in Berlin hat aber Gabriel klar gemacht, wohin die Reise gehen könnte. Jetzt kommt es darauf an, dass Joachim Goldbeck ihn darauf festnagelt. Den Worten müssen Taten folgen. Sonst wird die Photovoltaik vom Zieh- zum Stiefkind der Energiewende und der BSW-Solar verliert an Einfluss auf die Politik. Der Druck muss wieder höher werden und die Zeit bis zur nächsten EEG-Novelle muss der Verband nutzen, um seine Position klar zu machen und sein Standing zu untermauern. Aktion und nicht nur Reaktion ist gefragt. Außerdem muss sich die deutsche Photovoltaikbranche unabhängig von den politischen Entscheidungen in Berlin machen. Auch wenn das schwer werden wird. Reden allein reicht da nicht. (Sven Ullrich)