Mit einem eindringlichen Appell wenden sich deutsche und ukrainische Umweltorganisationen an den voraussichtlich künftigen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU): In einem offenen Brief fordern sie den sofortigen Stopp aller Importe von russischem Flüssigerdgas (LNG) sowie eine klare Absage an die umstrittene Pipeline Nord Stream 2. Anlass ist die anhaltende Versorgung Europas mit russischem Gas, die nach Ansicht der Unterzeichner nicht nur die Klimaziele gefährdet, sondern auch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine finanziert.
Im Zentrum der Kritik steht das bundeseigene Unternehmen SEFE, das – ursprünglich als Tochter des russischen Gazprom-Konzerns gegründet – weiterhin „Rekordmengen“ an russischem LNG für den europäischen Markt bezieht. Damit, so die Organisationen, werde die Kriegsmaschinerie des Kremls indirekt mit deutschen Steuergeldern finanziert. „Dieses Vorgehen ist moralisch unhaltbar, strategisch leichtsinnig und politisch kurzsichtig“, betont Nezir Sinani von Business 4 Ukraine.
Lesen Sie auch: Habeck und die LNG-Terminals
Lesen Sie auch: Über den geplanten Netzausbau
Lesen Sie auch: Greenpeace zum Grünen-Parteitag
Die Unterzeichner – darunter die Deutsche Umwelthilfe (DUH), Razom We Stand, Business 4 Ukraine, das Umweltinstitut München und weitere – warnen vor einer erneuten Abhängigkeit Deutschlands von fossilem Erdgas aus Russland. Besonders scharf kritisieren sie die Debatte um eine mögliche Inbetriebnahme der fertiggestellten, aber nie genutzten Nord-Stream-2-Pipeline. „Die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 wäre ein Verrat an der Ukraine, würde Putins Kriegskasse füllen und Europas Klimaziele torpedieren“, erklärt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Auch Svitlana Romanko, Gründerin der ukrainischen Organisation Razom We Stand, mahnt: „Dem Kreml die Schlüssel zu Deutschlands Energiesicherheit zu überlassen, wäre eine Kapitulation vor dem russischen Aggressor und eine Unterstützung für Putins anhaltendes Blutbad in der Ukraine.“ Die Organisationen fordern Merz auf, seiner „historischen Verantwortung“ gerecht zu werden und dem „fossilen Megaprojekt“ Nord Stream 2 endgültig eine Absage zu erteilen.
Die Bundesregierung hatte bereits nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 zugesagt, russische Gasimporte schrittweise zu beenden. Dennoch ist der Bezug von LNG aus Russland laut aktuellen Zahlen wieder gestiegen – besonders Italien, Frankreich und Tschechien haben ihre Importe zuletzt erhöht. Die EU will bis 2027 kein Gas mehr aus Russland importieren, rechtlich bindend ist dieses Ziel jedoch bislang nicht.
Die Debatte um Nord Stream 2 bleibt weiterhin brisant: Die Bundesregierung lehnt eine Inbetriebnahme nach wie vor klar ab und verweist auf fehlende rechtliche Grundlagen sowie die sicherheitspolitische Bedeutung der Unabhängigkeit von russischem Gas. Auch Friedrich Merz selbst hat sich in der Vergangenheit kritisch zur Pipeline geäußert und eine Neubewertung der deutschen Energieabhängigkeit gefordert. Das breite Bündnis fordert nun einen klaren Kurswechsel: Keine neuen fossilen Abhängigkeiten, stattdessen eine konsequente Energiewende und ein Ende der indirekten Finanzierung des Krieges durch Gasimporte aus Russland.