So gewaltig können unterirdische Salzkavernenspeicher sein.
Eine Salzkaverne der EWE AG in der Wesermarsch lagert künftig grünen Wasserstoff statt wie bisher Erdgas.
Nicole Weinhold
Üppige Wiesen und Weiden, gesäumt von Hecken und kleinen Laubwäldern. Mittendrin: eine Handvoll flacher Gebäude und ein Gewirr aus Rohren in unterschiedlichen Farben und Größen. Jan Mechelhoff, Betriebsleiter bei der EWE Gasspeicher GmbH, führt die Journalistin über das Betriebsgelände des bisherigen Gasspeichers in Huntorf bei Oldenburg. Künftig soll hier zusätzlich zu Erdgas auch Wasserstoff gespeichert werden.
In der Wesermarsch nimmt der Umbau der Energieinfrastruktur konkrete Gestalt an: Der Energiedienstleister EWE AG rüstet eine unterirdische Salzkaverne für die Wasserstoffspeicherung um. Nach ersten vorbereitenden Maßnahmen beginnt nun die Geländeaufschüttung, die bis Mitte des Jahres abgeschlossen sein soll. Dadurch wird der weiche Marschboden für die künftige Nutzung als Wasserstoffstandort stabilisiert und aufbereitet.
Die Verdichtertechnologie für die Einlagerung des Wasserstoffs wird vom Maschinenbauer Neuman & Esser geliefert – zum Einsatz kommen dabei Kolbenverdichter. Ab 2027 soll der Speicher bedarfsgerecht Wasserstoff bereitstellen. Die Umrüstung der Kaverne gilt in der regenerativen Energiewirtschaft als bedeutender Schritt, um Erzeugung und Verbrauch klimaneutraler Energie besser aufeinander abzustimmen.
Salzkavernen wie die in der niedersächsischen Wesermarsch sind für die Wasserstoffspeicherung besonders geeignet – sie gelten als sicher, kosteneffizient und flächensparend. Mechelhoff, von Haus aus Elektroingenieur, erklärt das Unsichtbare: Einige Hundert Meter unter der Erde befindet sich ein riesiger Speicher mit einer Kapazität von zwei Milliarden Kubikmetern, der bis in 1.300 Meter Tiefe reicht.
Restgase müssen vollständig aus der Kaverne weichen.
„Der Speicher wurde Ende der 1970er-Jahre zur Gasspeicherung angelegt“, berichtet Mechelhoff. „Dabei wurde durch ein Bohrloch Süßwasser in das Salz eingespült und die entstehende gesättigte Salzlösung ausgespült, bis der Hohlraum seine heutige Größe erreicht hatte.“ Das Salzwasser sei über die nahe gelegene Weser in die Nordsee abgeleitet worden. Anschließend wurde das auf 100 Bar verdichtete Gas in die Kaverne eingebracht.
Was sich oberirdisch kaum erahnen lässt, wäre unter Tage ein monumentaler Anblick – vorausgesetzt, man könnte hineinschauen und hätte eine geeignete Beleuchtung: größer als der Pariser Eiffelturm, mit strahlend weißen Wänden. Mechelhoff erzählt, er habe aus Interesse einmal ein Salzbergwerk besichtigt – „kein Kavernenspeicher, sondern ein klassisches Bergwerk, aber sehr beeindruckend“.
Beim Rundgang über das Gelände zeigt Mechelhoff in einem der Gebäude eine spezielle Rohrkonstruktion zur Prüfung der Gasqualität. Wasserstoff stelle hier besondere Anforderungen: „Restgase müssen vollständig aus der Kaverne weichen, bevor das grüne Edelgas eingebracht werden kann. Gas würde den Wasserstoff verunreinigen“, erklärt Mechelhoff. Daher werde die unterirdische Kaverne zunächst geflutet. „Die Netzbetreiber verlangen eine Reinheit von 99,5 Prozent – das ist vor allem für die Brennstoffzellen und spezielle chemische Industriezweige essenziell.“
Die Speicherbetreiber vertreten die Position einer Wasserstoffreinheit von 98 Prozent. Durch die Einspeisung von umgestellten Erdgaskavernen in das Wasserstoffnetz ist mit einem Eintrag von Methan und anderen kurzkettigen Kohlenwasserstoffen zu rechnen. Dadurch kann keine Wasserstoffqualität von 99,5 Prozent garantiert werden. Anders als Brennstoffzellen hat das Gasnetz laut Mechelhoff keine Probleme mit Wasserstoff – weder in reiner Form noch als Gemisch mit Erdgas.
Technologiepartnerschaft
Das Projekt zur Umrüstung einer Gaskaverne auf Wasserstoff ist Teil des EU-geförderten Großvorhabens Clean Hydrogen Coastline, das Erzeugung, Transport, Speicherung und Nutzung von grünem Wasserstoff entlang der norddeutschen Küste miteinander verknüpft. Die Kolbenverdichter sorgen für die Komprimierung des Gases zur Einlagerung in die umgerüstete Kaverne, die Entnahme erfolgt hingegen durch das Druckgefälle zwischen Kaverne und Netz über ein Regelventil.
Erkenntnisse aus einer 500-Kubikmeter-Testkaverne im brandenburgischen Rüdersdorf überträgt EWE auf das rund 1.000-fach größere Volumen in Huntorf. Dort können künftig in der etwa 350.000 Normkubikmeter großen Kaverne 70 Gigawattstunden Wasserstoff gespeichert werden. EWE verfügt über 15 Prozent der deutschen Kavernenspeicherkapazitäten, die sich für Wasserstoff eignen. Förderzusagen von Bund und Land Niedersachsen im Rahmen des IPCEI-Programms (Important Project of Common European Interest) haben 2024 den Weg für die Investition geebnet. Nach Genehmigung durch die EU-Kommission und der Übergabe der Fördermittelbescheide begannen noch im selben Jahr die Bauarbeiten.
Mechelhoff verrät: „Natürlich haben wir bereits Pläne, wie es weitergeht.“ Der Ukrainekrieg habe den Bedarf von Speichern für die Versorgungssicherheit nochmals deutlich gemacht. Im friesischen Jemgum beispielsweise besteht noch eine Ausbaureserve für sieben weitere Kavernen, die für die Wasserstoffspeicherung genutzt werden könnten.
70 Gigawattstunden Wasserstoff können künftig in der Salzkaverne mit einer Größe von 350.000 Normkubikmetern gespeichert werden.
Insgesamt gibt es in Deutschland derzeit 272 Salzkavernen zur Gasspeicherung. Sie können rund 168 Terawattstunden (TWh) Erdgas aufnehmen – das entspricht etwa einem Drittel des jährlichen Gasbedarfs. Da Wasserstoff eine geringere Energiedichte und ein anderes Kompressionsverhalten aufweist, lassen sich im selben Speichervolumen jedoch nur rund 20 Prozent des Energiegehalts von Erdgas unterbringen. Würde man alle Kavernen in Deutschland umrüsten, ergäbe sich ein theoretisches Potenzial von rund 33 TWh.
Damit stellt sich die zentrale Frage: Reicht die Umrüstung der bestehenden Erdgaskavernen aus, um auch im Jahr 2045 den Wasserstoffbedarf zu decken? Oder müssen neue Kavernen für die Speicherung von Wasserstoff ausgesolt werden? Klar ist: Die Zeit zum Handeln ist jetzt – zumal die Umrüstung oder der Neubau eines Wasserstoffspeichers 4 bis 15 Jahre in Anspruch nehmen kann.
Das Projekt in Huntorf gehört zu den ersten wegweisenden Vorhaben auf diesem Gebiet. Kavernenspeicher wie dieser ermöglichen es, überschüssigen Windstrom in Form von Wasserstoff zwischenzuspeichern und bei Bedarf bereitzustellen. Damit wird das Projekt zu einem zentralen Baustein der Dekarbonisierungsstrategien energieintensiver Industrien.
Jetzt weiterlesen und profitieren.
+ ERE E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu + Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv + Fokus ERE: Sonderhefte (PDF) + Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten uvm.