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Alternative zur Maismonokultur

Blumen für Bienen und Biogas

Oliver Ristau

Blühende Wiesen sind für das Auge des Menschen ein Genuss. Noch wichtiger sind sie für Insekten wie Bienen, denen die Blütenpracht eine wichtige Futterquelle ist. Doch mit der Intensivierung der Landwirtschaft und der Flächenversiegelung hat sich die Situation für die Fluginsekten dramatisch verschlechtert.

Nach einem Bericht des Nabu ist zwischen 1989 und 2015 die Zahl der Fluginsekten in Schutzgebieten um 75 Prozent zurückgegangen. Für viele Menschen ist das ein wichtiges Thema, wie die öffentlichen Diskussionen rund um das Bienensterben zeigen. Zuletzt sorgte ein Volksbegehren in Bayern für mehr Artenvielfalt für Aufsehen.

Auch der intensive Anbau von Energiemais ist nach Ansicht von Naturschützern nicht unschuldig an der Situation. Die Monokulturen mindern die Biodiversität. Außerdem stehen der hohe Bedarf an Pflanzenschutzmitteln und die Gefahr der Boden­erosion im Mittelpunkt der Kritik. Eine Reihe von Initiativen will dem entgegenwirken.

60 Hektar Wildblumen statt Mais

Wie etwa im bayrischen Landkreis Rhön-Grabfeld. Dort haben Landwirte in den vergangenen beiden Jahren auf knapp 60 Hektar ihrer Äcker, wo sie bis dato teils Energiemais für ihre Biogasanlagen angepflanzt hatten, eine mehrjährige Wildblumen­wiese angelegt. Im Herbst mähen sie die Wiese und nutzen das Substrat zur Biogaserzeugung. Dass das gut für die Bienen ist, hat das Institut für Bio­diversitätsinformation (IfBI) bestätigt. Nach einer Untersuchung tummelten sich im vergangenen Sommer auf den Äckern 62 Bienenarten, darunter auch 3, die auf der Roten Liste Bayerns stehen. Das Institut spricht von einer großen und so nicht erwarteten Bienenvielfalt. Zum Einsatz kommt eine speziell von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) entwickelte Blühmischung.

Allerdings liefert Wildblumensilage als Biogassubstrat laut LWG nur die Hälfte des Energieertrags von Mais. Damit Landwirte die Körnerfrucht gegen Blumen auf ihren Feldern eintauschen, brauchen sie einen ökonomischen Ausgleich.

Hilfe für Landwirte bei der Umstellung

Der Agrardienstleister Agrokraft aus Bad Neustadt an der Saale unterstützt mit verschiedenen Partnern Landwirte bei der Umstellung auf die LWG-Mischung namens Veitshöchheimer Hanf. Konkret erhalten sie dafür im laufenden Jahr 500 Euro pro Hektar und Jahr. Mit diesem Deckungs­beitrag könnten die Landwirte ihre Ertragsminderung ausgleichen, wenn sie die Blumenmischung fünf Jahre stehen ließen, sagt Agrokraft-Projekt­managerin Michaela Stäblein. Grundsätzlich erfordere das Wildblumenfeld wenig Arbeit. Gedüngt werde mit den Gärresten aus der Biogasanlage. Allerdings stehen Langzeiterfahrungen noch aus. In Einzelfällen sei es wegen der Trockenheit im vergangenen Sommer zu einem Totalausfall der Wildblumen gekommen. Dann decken die 500 Euro kaum mehr als die Saatgutkosten von 400 Euro.

Das Unternehmen will in diesem Jahr 100 Hektar neue Blühflächen initiieren. Weil Mais nur alle drei Jahre wegen des Fruchtwechsels auf ein und derselben Fläche angebaut wird, ist die direkte Umwidmung eines Maisfelds keine Voraussetzung für die Förderung. „Aber wir erhoffen uns natürlich, dass die Mischung auf solchen Flächen angebaut wird, auf denen normalerweise in diesem Jahr Mais stehen würde“, sagt Michaela Stäblein. „Wovon man aber sicherlich ausgehen kann, ist, dass auf diesen Flächen irgendwann in den vergangenen drei Jahren Mais angebaut wurde.“

Eine Million Hektar Mais in Deutschland

Rund eine Million Hektar sind in Deutschland mit Mais bepflanzt. „Wenn wir zehn Prozent davon auf Blühwiesen umstellen könnten, wäre das super“, sagt Manfred Albiez. Er ist bei den Stadtwerken Nürtingen verantwortlich für das Projekt Bienenstrom, das dazu beitragen will. Die ersten 14 Hektar sind auf der Schwäbischen Alb Realität – gegenfinanziert durch Stromkunden, die für den Ökostrom der Schwaben einen Extra-Cent je Kilowattstunde als Blühhilfe-Beitrag zahlen. Weitere 20 seien schon unter Vertrag. Bisher hätten sich „ein paar hundert“ Privathaushalte für das Produkt entschieden. „Ein Durchschnittshaushalt zahlt damit einen Beitrag von 35 Euro im Jahr und sorgt für 490 Qua­dratmeter Wildblumen statt Mais“, so Albiez. Konkret erhalten Landwirte netto 600 Euro je Hektar für die Umstellung. Das Saatgut kostet 350 Euro je Hektar.

Bienenstrom auch als Franchise

Seit Kurzem bieten die Schwaben Bienenstrom auch als Franchise an. Die Idee: Andere Energieversorger in Deutschland sollen das Konzept nutzen, um in ihrer Region bienenfreundliche Energiepflanzenäcker zu realisieren. „Das Interesse der Landwirte ist so groß, dass wir weitere Instrumente brauchen, um bienenfreundliche Wiesen in Deutschland voranzubringen“, sagt Albiez. Deshalb suchen die Nürtinger bundesweit außerdem nach Unternehmen als Förderpaten, die die Finanzierung der Umstellung bei Landwirten übernehmen und im Gegenzug das Konzept zur eigenen Imagepflege einsetzen können.

Maissilage durch die Ernte von Blühflächen ersetzen

Und es gibt weitere Angebote. Im westfälischen Lünen wollen die dortigen Stadtwerke ab diesem Jahr für die firmeneigene Biogasanlage „einen Teil der Maissilage durch die Ernte von Blühflächen ersetzen, die für je fünf Jahre angelegt werden“. Geplant seien fünf bis zehn Prozent, erklärt eine Sprecherin. Zu den Vorteilen zählt, dass die Blühflächen nur organisch gedüngt und nicht regel­mäßig mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden müssten. „Das kommt der Bodengesundheit sowie unserem Grundwasser zugute“, so die Stadtwerke.

Strom- und Gaskunden können mit einem Jahresbeitrag von zwölf Euro das Vorhaben Energiebiene unterstützten. Die Lüner wollen in den kommenden Jahren 100 Hektar an Blühwiesen in der Region schaffen.  

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