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Photovoltaikmarkt

"Der Bau und Anschluss von Solaranlagen ist in Europa zu kompliziert"

Herr Hauff, das Jahr 2018 lief für die Solarbranche nicht so gut wie erwartet, weil der Zubau in China zusammengebrochen ist. Mit welcher Marktentwicklung rechnen Sie im kommenden Jahr?

Weltweit sind die Aussichten gut für die Photovoltaik. Das liegt vor allem an den Kostensenkungen, die die Photovoltaikindustrie in den vergangenen Monaten und Jahren erreicht hat. Die Unsicherheiten in China sind natürlich für den Zubau insgesamt weiter wichtig. Aber dort sind kaum ausländische Unternehmen tätig, so dass das die meisten Projekte in China intern geregelt werden.

Der Markt in China ist aufgrund des riesigen Potenzials aber wichtig für die Preisentwicklung. Denn wenn dort viel gebaut wird, bleiben vor allem die Modulpreise stabil. Mit welcher Preisentwicklung rechnen Sie im kommenden Jahr?

Die massive Kostensenkung, die wir 2018 erlebt haben, wird sich so im Jahr 2019 nicht mehr wiederholen. Auch chinesische Produzenten müssen Geld verdienen. Außerdem haben wir in der Vergangenheit, als China viel zugebaut hat, trotzdem Kostensenkungen erlebt. Für das nächste Jahr gehen wir im Modulbereich von einer moderaten Kostensenkung aus. Die wird im einstelligen Prozentbereich liegen. Bei den Wechselrichtern bewegen sich die Preise auch nach unten. Da könnte es auch ein bisschen mehr sein als bei den Modulen. Die Preise für Speicher werden eher stabil bleiben. Das liegt vor allem an der hohen Nachfrage nach Batterien aus der Automobilindustrie, die deutliche Preissenkungen bei stationären Solarstromspeichern verhindern.

Weltweit sieht es gut aus. Aber Europa hat in den letzten Jahren geschwächelt. Wird sich das in absehbarer Zeit ändern?

Die Kostensenkungen und die immer bessere Wettbewerbsfähigkeit bei steigenden Strompreisen werden auch in Europa für Marktwachstum sorgen. Wir werden hier eine regelrechte Renaissance der Photovoltaik erleben. Sicherlich hätte der Zubau in den letzten Jahren höher sein müssen, wobei 2018 ja bereits ein deutlich besseres Jahr war. Jetzt sehen wir günstige Vorzeichen für eine positive Marktentwicklung.

Gilt das auch für Deutschland? Immerhin versucht die Bundesregierung gerade wieder, kräftig zu bremsen.

Die gesunkenen Preise für Solarstrom werden auch in Deutschland den Markt am Leben erhalten. Hier wird der Zubau aber vor allem durch das Segment der kleineren und mittleren Anlagen getragen. Allerdings ist die geplante Kürzung der Förderung für mittelgroße Dachanlagen problematisch. Diese sollte deutlich weniger drastisch ausfallen. Gleichzeitig wird mit dieser Regelung das notwendige, wenn auch reformbedürftige Mieterstrommodell faktisch zu Grabe getragen. Das widerspricht den Zielen, die sich Deutschland selbst gesetzt hat.

In den Segmenten der großen Anlagen – sowohl auf dem Industriedach als auch auf der Freifläche – bleibt Deutschland unter seinem Potenzial. Das ist in anderen Ländern anders. Dort wird die Renaissance durch wettbewerbliche, große Solarparks ohne Subventionen getrieben. Vor allem in Spanien, Italien und Frankreich. Dort sehen wir auch Wachstum im Bereich der dezentralen gewerblichen Anlagen. Das gilt auch für Polen, Österreich und Skandinavien. Lediglich die osteuropäischen Märkte bleiben etwas schwächer und weit unter ihren Möglichkeiten.

Die Probleme in Deutschland sind hausgemacht, vor allem im gewerblichen Segment mit der Sonnensteuern. Aber was schränkt die Freiflächen ein, sind es die Ausschreibungen?

Die Ausschreibungen funktionieren theoretisch einigermaßen. Aber die Projekte dort sind auf zehn Megawatt beschränkt Leistung pro Anlage beschränkt. Wir könnten hier mit größeren Anlagen noch zu noch günstigeren Preisen kommen. Wir bauen in Deutschland eigentlich zu teuer. Das sehen wir beispielsweise in Spanien, wo wir den Solarstrom zu Großhandelspreisen erzeugen können.

Welche Marktsegmente sind für Sie im kommenden Jahr vielversprechend?

Wir sind sowohl in der Freifläche als auch im Dachbereich – hier sowohl im Gewerbe als auch im Privatbereich – unterwegs. Gerade in Europa liegt ein Schwerpunkt auf dem Gewerbebereich. Der trägt eigentlich den europäischen Markt. In den südeuropäischen Ländern sind es wiederum die großen Freiflächenanlagen, die den Markt antreiben. Der Bereich der privaten Dachanlagen tut sich mit Ausnahme von wenigen Ländern wie Deutschland, Österreich oder die Schweiz sehr schwer.

Warum ist das so?

Das hat von Land zu Land unterschiedliche Gründe. In Spanien beispielsweise hat die Regierung viel Vertrauen verspielt, indem sie die Regelungen für die Photovoltaik rückwirkend geändert hat. Da muss die neue Regierung erst einmal viel Überzeugungsarbeit leisten, damit das Segment der privaten Dachanlagen wieder in Gang kommt, auch wenn sich die Photovoltaik in Spanien lohnen würde. In Deutschland ist es eher der Fachkräftemangel, der das Wachstum in diesem Segment bremst.

Wieso ausgerechnet dieses Segment?

Wir haben nicht genügen Fachelektriker und Fachinstallateure, um kleinere Anlagen und immer günstiger werdende Anlagen noch zu installieren. Denn diese lohnen sich nicht für den Installateur, wenn zu wenig Marge übrig bleibt. In Verbindung mit einem Mangel an Installationskapazitäten werden sich die Unternehmen und Fachbetriebe auf die lohnenden größeren Projekte im Gewerbe konzentrieren und weniger auf den Hauseigentümer mit seiner Vier-Kilowatt-Anlage. Wir haben da ganz klar strukturelle Schwierigkeiten, auch Kunden überhaupt zu bedienen, die eine Solaranlagen kaufen wollen.

Ist das ein spezifisch deutsches Problem?

Nein. In Belgien beispielsweise ist es ähnlich. Da gibt es z.B. strenge Vorgaben, was den Anschluss von Erzeugungsanlagen angeht. Man braucht dort einen Elektriker mit besonderen Zertifizierungen. Davon gibt es nur wenige und entsprechend lange dauert der Netzanschluss.

Der Zubau hängt aber auch an den Rahmenbedingungen. Wo sind diese noch schlecht und welche Hürden sehen sie noch in Europa?

Der Bau und Anschluss von Photovoltaikanlagen ist insgesamt in jedem europäischen Land noch zu kompliziert. Dass liegt teilweise allein an der Abwehrhaltung bei den Regierungen, die wiederum auf der Sorge um die Netzintegration beruhen. Das führt zu einer immensen Bürokratie bei der Genehmigung und beim Anschluss der Anlagen. Wir haben gerade eine Umfrage gemacht. Wir haben 1.200 Unternehmen in sechs europäischen Ländern – in jedem Land 200 – nach den Rahmenbedingungen für Erneuerbare befragt. Das Thema überbordenden Bürokratie ist unisono in allen Ländern präsent. In Polen und Spanien noch stärker als in Deutschland. Aber schwierig ist es in allen Ländern.

Wo hakt es beispielsweise in Deutschland?

In Deutschland ist beispielsweise der Eigenverbrauch viel zu sehr reguliert. Die Betreiber von solchen Anlagen sind durch diverse Änderungen potenziell betroffen: Das EEG, die Stromsteuer, die Netznutzungsentgelte – alles Bereiche in denen Änderungen jederzeit möglich sind und, wie die derzeitig diskutierten Gesetzentwürfe zu EEG und Stromsteuergesetz auch zeigen, durchaus vorkommen. Dabei wollen Kunden einfach nur ihren eigenen Strom produzieren. Dazu kommt noch, dass jeder dieser Regelungsbereiche ohne eine Sicht aufs Ganze abgesteckt wird. Das Finanzministerium will seine Stromsteuer einnehmen. Davon sind die Energiepolitiker wiederum überrascht. Die senken ihrerseits die Tarife ab und führen eine EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch ein. Das alles schlägt auf die Erlösströme im Eigenverbrauchsgeschäftsmodell durch und niemand in der Politik fühlt sich verantwortlich, in Summe mal drauf zu schauen. Gleichzeitig werden die Eigenverbraucher noch als „Entsolidarisierer“ gebranntmarkt, wenn sie in Solaranlagen investieren. Das sorgt für viel Kopfschütteln bei den Unternehmen und bei den Verbrauchern. Die wissen oft gar nicht, auf welches Bürokratiemonster sie sich da eigentlich eingelassen haben, wenn sie eine Solaranlage installieren. Das ist nach wie vor ungelöst und es ist eigentlich unwürdig. Schließlich wollen wir in Deutschland Vorreiter bei der Energiewende sein.

In anderen europäischen Ländern scheint der Trend aber in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. Schließlich hat die EU ihre Ziele formuliert und wenn die nicht erreicht werden, drohen Strafzahlungen. Verbessern sich dadurch langsam die Rahmenbedingungen für die Photovoltaik?

Gesamteuropäische gesehen geht die Grundtendenz schon in Richtung Verbesserung. Der Druck der mangelnden Zielerreichung ist präsent. Das hat auf die Regierenden eine positive Wirkung und eine Signalwirkung. Es ist aber nicht nur das Damoklesschwert der Strafzahlungen bei Zielverfehlung allein. Auch die Erfüllung der Ziele motiviert die Regierungen, etwas zu tun. Aber in einigen Ländern könnte man mehr tun, da werden die Potenziale noch nicht ausgenutzt. Aber es geht in die richtige Richtung.

Welche Themen werden in den nächsten Monaten für die Solarbranche relevant und bei Ihnen nachgefragt?

Alle die Themen wie Eigenverbrauch, Speicher, Sektorkopplung, und Smart Home sind relevant. Der Eigenverbrauch in Verbindung mit Stromlieferverträgen – sogenannten PPAs – und der Direktbelieferung von Kunden mit Strom aus Solarparks dominiert den Markt der großen Anlagen. Dazu gehört auch die Direktbelieferung von Strom aus gewerblichen Dachanlagen hinter dem Zähler. In diesem Zusammenhang sind auch Batteriespeicher relevant. Das ist aber je nach Markt unterschiedlich. In den meisten europäischen Ländern ist das noch keine wirtschaftliche Lösung. In Einzelfällen mag das anders sein, wenn ein Betrieb mit einen Speicher hohe Lastspitzen kappt und dadurch Leistungspreise bei den Netzentgelten reduziert. Mit solchen Geschäftsmodellen sind Amortisationszeiten für gewerbliche Speicher von fünf bis acht Jahren möglich. Aber selbst das ist für manche Gewerbekunden noch zu lang. Die wollen eher drei bis vier Jahre. In einem solchen Preisbereich, wo das möglich wird, sind die Speicher noch nicht ganz angekommen.

Das Thema Smart Home leidet ein bisschen an seiner Komplexität. Die Vielzahl der Vorstellungen und sehr kleinteiligen Anwendungen macht es sehr schwierig, wirklich überzeugende Lösungen zu entwickeln. Da ist weniger eigentlich mehr, wie eine größere Solaranlage mit Batterie und einer Ladesäule für Elektroautos. Vor dem Hintergrund des vorher geschilderten Fachkräftemangels ist auch das schon eine Herausforderung. Zusätzlich noch sehr kleinteilige Lösungen zu installieren, sehen wir nur eingeschränkt als aktuelle Entwicklung.

Sie haben die Elektromobilität schon angesprochen. Wie geht es da voran?

Wir vertreiben sowohl Wärmepumpen als auch Ladesäulen. Beides läuft an. Es ist aber noch kein riesiges Potenzial. Der Bau von Ladesäulen ist natürlich getrieben von den verkauften Elektroautos. Wir kennen alle die Statistik vom Kraftfahrzeugbundesamt. Bis zur ersten Million Elektroautos ist es noch weit. Das hat auch mit der Lieferfähigkeit der Industrie zu tun.

Zur Sektorenkopplung gehört aber auch der Wärmebereich. Wie sieht es da aus?

Die mit einer Solaranlage gekoppelte Wärmepumpe ist vor allem ein Thema für den Hausneubau. Auch dieses Thema läuft an und hat Potenzial. Aber auch hier spielt der Fachkräftemangel eine Rolle. Denn auch die Baubranche ist unterbesetzt. Sie hat gleichzeitig so viele Aufträge, dass sie es teilweise nicht nötig hat, neue Konzepte umzusetzen. Die bauen lieber eine Gastherme in Kombination mit einer solarthermischen Anlage, um die Vorgaben der EnEV zu erfüllen, statt dem Kunden zu einem sinnvollen energetischen Gesamtkonzept inklusive Wärmepumpe und Photovoltaik zu raten. Im Altbau ist das noch komplexer und da werden bisher nur einige Projekte realisiert.

Ist die Wärmepumpe eher ein Thema für das Einfamilienhaus oder auch für den Gewerbebetrieb?

Wir sehen das eher im Privathaushalt, weil wir dort über unsere Installateure vertrieblich tätig sind. Bei gewerblichen Anlagen haben wir weniger Einblick, weil wir nicht mit gewerblichen Wärmepumpen handeln. Aber Gewerbebetriebe, die sich ihre Energiekosten anschauen und auf Effizienz achten, die schauen sich auch die Wärmepumpe an und angesichts der Komplexität von BHKWs denke ich, dass die Wärmepumpe auch im gewerblichen Bereich verstärkt an Marktanteil gewinnt. Aber das ist kein disruptiver, sondern eher ein allmählicher Prozess.

Das ist sicherlich bei der Elektromobilität ähnlich?

Immer mehr Unternehmen bereiten sich darauf vor, dass sie ihren Mitarbeitern das Laden von Elektroautos ermöglichen. Aber auch die öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur wird weiter ausgebaut. Unser Mutterkonzern betreibt selbst über 200 Tankstellen und hat begonnen, Schnellladestationen auszubauen. Die Elektromobilität wird uns in den nächsten zwei bis drei Jahren noch verstärkt beschäftigen. Immerhin kommen mit der verbesserten Versteuerung von Elektro-Dienstwagen gute Signale aus der Politik. Das wird bei Firmenflotten zu einer Belebung der Nachfrage führen. Entsprechen wird dann die dezentrale Ladeinfrastruktur im Gewerbe notwendig. Die Kombination mit einer firmeneigenen Photovoltaikanlage ist durchaus sinnvoll und führt in Summe zu einem stimmigen Gesamtkonzept nachhaltiger Mobilität.