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Kleinanleger mit Macht

Die Menschen vor Ort teilhaben lassen

Die Zahl neuer Ökostrom-Anlagen, die von Bürgerinnen und Bürgern realisiert und betrieben werden, sinkt laut einer Untersuchung im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE). Zugleich hat der finanzielle Einfluss von Konzernen und Investmentfonds auf die Energiewende zugenommen. Dabei ist längst klar, dass die Akzeptanz vor Ort am besten durch Beteiligung an neuen Projekten zu erreichen ist. Eine freiwillige und damit rechtlich unverbindliche Kommunalabgabe für Betreiber neuer Windparks, wie sie jetzt im EEG beschlossen wurde, sei halbherzig und reiche nicht aus, um echte Bürgerbeteiligung zu stärken, sagt Marcel Keiffenheim von Greenpeace Energy, das sich an der AEE-Untersuchung beteiligt hat: „Bürger vor Ort müssen echte Gestaltungs- und Beteiligungsangebote erhalten.“ ERNEUERBARE ENERGIEN fragt Planer und Finanzierer, wie sie das Thema bewerten.

Anwohner in Projekte einbinden

Jürgen Broers, Regenerativexperte der Nord LB aus Oldenburg, bestätigt, die Erfahrungen seines Arbeitgebers aus mehreren 100 Projekten in den vergangenen Jahren seien fast ausnahmslos positiv: „Anwohner von Windparks in die Projekte mit einzubinden und Betroffene von Windprojekten zu Beteiligten zu machen, hat sich aus unserer Sicht als gute Maßnahme zur Akzeptanzsteigerung etabliert.“ So sieht es auch sein Hamburger Kollege Christian Marcks von der GLS Bank: „Es ist nicht nur sinnvoll, sondern inzwischen ein Muss.“ Neben finanzieller Beteiligung müsse zudem die transparente Einbindung in Planung und Umsetzung erfolgen. „Je mehr die Bürger das Projekt als ‚ihres‘ ansehen, desto höher die Akzeptanz“, stellt er klar. „Eine Energiewende ohne die Bürger mit an Bord zu haben, erscheint aus unserer Sicht nicht nur deutlich schwieriger, sondern auch einfach nicht zielführend“, sagt auch das Kreditinstitut Auditcapital aus Marburg. „Es ist doch eine großartige Sache, wenn Bürger auch an den Anlagen vor ihrer Haustür partizipieren können.“ Eine wirtschaftliche Beteiligung schaffe nicht nur mehr Akzeptanz, sie schafft vor allem auch Transparenz und Vertrauen. Und das solle doch die Basis jeder guten Zusammenarbeit sein, so Auditcapital.

Identität und Selbstverwirklichung

Laut Josef Baur, Geschäftsführer von Eueco, belegen Umfragen und wissenschaftliche Studien, dass es hilft, die Bürgerinnen und Bürger in der Umgebung der Energieprojekte bei den Investitionen einzubeziehen. Das schaffe Identität und Selbstwirksamkeit und sorge so für Akzeptanz. Über zwei Drittel der Menschen in Deutschland fordern nach seinen Angaben daher mehr finanzielle Bürgerbeteiligung. Baur sieht – wie auch die AEE-Untersuchung bestätigt – in dem Zusammenhang ein Problem in der allgemein wachsenden Beliebtheit von finanziellen Beteiligungen in Regenerativprojekte. Anders als zu Beginn der Energiewende sind Finanzierungen von Wind- oder Solarparks heute kein großes Problem mehr, so Baur: „Im Gegenteil: Es ist eher so, dass es zu viele interessierte Großinvestoren gibt. Geld ist vorhanden.“ Die Herausforderung vieler Projektentwickler sei es da schon eher, auch die Menschen vor Ort an der Wertschöpfung teilhaben zu lassen und ihnen entsprechend Zugang zur Partizipation zu eröffnen. „Dabei ist dies der Schlüssel für Akzeptanz und damit auch für eine nachhaltige Form der Finanzierung.“ Doch welche Möglichkeiten der finanziellen Beteiligung ermöglichen Bürgern eine Teilhabe? Die Nord LB bietet – ob im Inland oder international – individuell auf das Projekt und auf den Standort zugeschnittene Finanzierungskonzepte an. „Dazu gehören auch Bürgerbeteiligungen, zum Beispiel die Einbindung einer Genossenschaft in ein Vorhaben“, sagt Jürgen Broers.

Schwarmfinanzierung

Auditcapital finanziert bei seinem sogenannten Ecozins primär Erneuerbare-Energie-Projekte über das Modell der Schwarmfinanzierung. Das entlaste Projektentwickler nicht nur finanziell, in der Regel könne man zudem die Finanzierungsphase bereits nach wenigen Wochen starten. „Die Projekte werden online auf unserer Plattform präsentiert. Anlegerinnen und Anleger können ganz einfach online Beträge zwischen 250 und 25.000 Euro investieren, erhalten dafür eine Verzinsung auf ihr eingebrachtes Kapital und jährlich oder zum Ende der vereinbarten Laufzeit ihr Kapital zurück“, so Auditcapital. „Da sich unsere Plattform auf nachhaltige Projekte und dabei insbesondere auf erneuerbare Energien spezialisiert hat, greifen wir mittlerweile auf eine spezialisierte Anlegergruppe zurück, die gerne in regenerative Projekte investiert.“ So konnte gerade eines der angebotenen Solarprojekte mit einem Gesamtvolumen von 300.000 Euro bereits in weniger als zwei Wochen finanziert werden. „Wir verstehen uns als Full-Service-Dienstleister, wodurch der Aufwand für Projektentwickler minimal ist.“

Energiekonzepte mit Wasserstoff

Eueco bietet standardisierte Beteiligungsprozesse, die auf die jeweiligen regionalen Besonderheiten oder die spezifischen Projekteigenschaften angepasst werden. Das Unternehmen hat dafür ein digitales White-Label-Produkt. „Was uns daher von anderen unterscheidet ist, dass sich Finanzierungs- und Energiekonzepte gleichermaßen verwirklichen lassen, zum Beispiel Kombinationen mit Stromprodukten oder etwa auch Wasserstoffprojekte“, so Eueco-Chef Baur. Ein weiterer interessanter Aspekt sei zudem ein auf das jeweilige Projekt zugeschnittenes Interessensbekundungsverfahren. Das heißt, bevor eine Finanzierungsrunde gestartet wird, kann ein Projektierer vorab ermitteln, welches Investitionsinteresse bei den Bürgerinnen und Bürgern besteht. Das schaffe Planungssicherheit. Die GLS Bank hält verschiedene Finanzierungsmodelle für Regenerativplaner bereit. „Wir bieten angepasste Angebote von der kleinen PV-Anlage bis zum großen Windpark, aber auch für Sektorenkopplungsprojekte“, sagt Christian Marcks. In der klassischen Projektfinanzierung mache zum Beispiel das GLS Flex-Darlehen einen Unterschied, da es eine laufende Anpassung an den tatsächlichen Cash Flow erlaube. „In Zusammenarbeit mit der GLS Crowd können wir Finanzierung und Bürgerbeteiligung aus einer Hand anbieten“, betont er. „Aufgrund unserer langjährigen Erfahrungen und internen Organisation gelingt es uns immer wieder, individuelle Lösungen für spezifische Konstellationen zu erarbeiten und umzusetzen, die ‚von der Stange‘ nicht bedient werden können.“

Optimaler Interessensausgleich

Der Unterschied zu Crowdinvest-Plattformen sei bei Eueco, dass Unternehmen Beteiligungen unter der eigenen Flagge anbieten können, sagt Josef Baur. Es gehe nicht um das Einsammeln von Finanzierungsmitteln. Das sei in der Tat nur bei etwa 25 Prozent der Projekte von Bedeutung. „Viel wichtiger ist ein optimaler Interessensausgleich zwischen Projektentwickler, Kommune und den Bürgern vor Ort“, erklärt der Eueco-Geschäftsführer. Akzeptanz und regionale Wertschöpfung stünden oftmals im Vordergrund. „Hier standardisiert und digital den gesamten Lebenszyklus der Bürgerbeteiligung abzubilden, ist unser größter Mehrwert.“ Deutlich wird, dass sich Finanzierer auf das Thema Bürgerbeteiligung eingestellt haben. Zwar wird das Geschäft dadurch kleinteiliger, aber eine hohe Akzeptanz ist gleichzeitig die größte Voraussetzung dafür, dass ein Projekt überhaupt realisiert werden kann. Und auch Nachfolgeprojekte haben es in einer Region leichter, in der die Anwohner bereits Teilhaber und Profiteure der Energiewende vor Ort sind. 

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