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Der Roman "Rückenwind"

Dramatischer Stoff: Windrad köpft Schauspielerin

Burkhard Spinnen geht aufs Ganze: Der Held seines neuen Romans „Rückwind“ kommt zu seinem Glück nur durch einen dummen Zufall, soll heißen, er vergaloppiert sich bei der Rede, die er vor der Belegschaft der väterlichen Firma über den just Verstorbenen hält. Eigentlich will er ihnen sagen, dass er nicht das Erbe antreten will, sondern sich weiter seinen Vorlieben widmen. Aber dann wird etwas ganz anderes draus, und am Ende sind alle begeistert, sogar er selbst, und neuer Firmenchef ist er auch. Damit ist also passiert, was er sein Lebtag vermeiden wollte: Er tritt in die Fußstapfen des Vaters.

Betrieb übernommen und Windturbinenhersteller geworden

Was tun mit einem solch ungewollten Glück? Der bewusste Hartmut Trössner baut die Firma vom Spezialmaschinenbauer um zum Vorzeigeunternehmen der deutschen Windenergiebranche, und das auch noch als Anlagenhersteller. Nun haben sich viele Unternehmen an ein solches Unterfangen gewagt, Werften und Braunkohlebaggerhersteller, Elektromotorenklitschen und Kesselbauer. Einigen ist es geglückt, vielen nicht. Aber darauf kommt es nicht an.

Vorzeigemann der Windbranche scheitert katastrophal

Woher Burkhard Spinnen das Vorbild für Hartmut Trössner nimmt, ist einerlei, wenn denn seine Geschichte stimmt. Und dass es einem Unternehmer gelingt, seinen Laden an die Spitze zu bringen, indem er im richtigen Moment den richtigen Riecher hat, soll schon vorgekommen sein. Spinnen ist nicht einmal vorzuhalten, dass er einen Vorzeigemann der Windbranche katastrophal scheitern lässt. Auch das soll schon passiert sein – und selbst wenn nicht, darf das ein Autor, der eine Geschichte zu erzählen hat, auch einfach erfinden.

Übertrieben dramatisch: Vom Rotorblatt geköpft

Aber – und diese Geschichte gibt Anlass zu vielen Abers – die Geschichte sollte das dann auch tragen. Und das tut sie definitiv nicht, und das auf zwei Ebenen. Bleiben wir auf der ersten: Spinnens moderne Hiob-Erzählung ist vor allem auf die möglichst große Fallhöhe getrimmt. Dieser Hartmut Trössner verliert quasi an einem Tag alles: sein Kind, seine Frau, sein Haus, seine Firma, und damit seine ganze Existenz. Damit das dann auch möglichst nachhaltigen Eindruck macht, verliert er all das hochdrastisch: Der Sohn ertrinkt, während er von anderen Jungs gemobbt wird, die Frau – die erfolgreichste deutsche Schauspielerin, versteht sich - wird von einem Rotorblatt geköpft, als sie zum Sohn eilen will, das Haus wird durch ein Feuer zerstört, das durch eine Überspannung erzeugt wird, die auf den Windpark zurückgeht, der es versorgt, die Firma geht an der chinesischen Konkurrenz zugrunde, die auf einmal mit einem besseren und billigeren Produkt auftritt. Das geht dann schnell. Und Trössner bricht zusammen und kommt in die Klapse. Jetzt ist er endlich ganz unten.

Überladene Story - unnötig lückenlose Information

Der Roman aber handelt nicht davon, dass er trotz alledem nicht mit seinem Gott hadert, sondern dass das alles fein her erzählt werden muss, damit wir über alles, was diesem Herrn widerfahren ist, auch tatsächlich lückenlos informiert sind. Als Medium nimmt sich Spinnen eine junge Frau, die Trössner „zufällig“ im Zug nach Berlin trifft, und der dann alles erzählt wird, kommentiert durch eine Stimme aus dem Off, die irgendwo zwischen Erzähler und Gewissen angesiedelt ist. Die Zeit der Trauer und des Bedauerns ist vorbei, jetzt geht’s darum wieder alles zu richten. Soweit die Geschichte, die für sich schon vor allem arg überladen ist.

Chinesische Konkurrenz? Riecht nach Solar

Zweiter großer Kritikpunkt: Die Details stimmen nicht, auf die es ankäme, damit nicht alles nur dahererzählt ist: Trössners Firma verliert seine Hauptkunden an die chinesische Konkurrenz, von einem auf den anderen Tag. Das riecht nach Solarbranche, aber bei den Windenergieunternehmen gibt es andere Usancen, die zu anderen Verläufen führen.

Test-Windpark versorgt Haus - aber wie eigentlich?

Dann baut sich Trössner ein Haus, lässt es genehmigen, obwohl das angeblich nicht geht (wieso eigentlich?) und setzt die Baukosten als Werbekosten ab, wie auch immer … das aber wär dann die Frage. Der Test-Windpark der Firma versorgt sein Haus mit Strom, allerdings wird das mal eben so dekretiert, aber nicht beschrieben wie, bis auf den Umstand, dass das auch den Untergang des Hauses besiegelt (aber wie eigentlich?). Und so kommt eine Sorglosigkeit zur nächsten.

Bleibt am Ende ein Roman, der irgendwie eine besonders tragische Leidensgeschichte erzählten will und das irgendwie an die Windbranche anzudocken versucht, wohl weil die gerade besonders viel Interesse auf sich zieht. Das müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn man damit den Roman nicht zum Erfolg bringen würde. Aber das ist eben kein gutes Kalkül.

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Burkhard Spinnen:
Rückwind. Roman. Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2019. 24,00 Euro als Hardcover, 18,99 Euro als e-book.

Rezension von Prof. Walter Delabar, Literaturprofessor und Geschäftsführer der Regenerative Energien Zernsee GmbH & Co. KG (REZ)