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Mehr Wert für Windstrom

Dänemark könnte nach einer Reform der eigenen Windparkauktionen die erste gute Perspektive im kommenden Jahr für die deutsche Meereswindkraft bieten. So lautet die Einschätzung, die der Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie Offshore (BWO) Stefan Thimm für die neue Umfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN zu Erwartungen und Plänen fürs kommende Windenergiejahr trifft. Offenbar hält der BWO den Blick ins reale Ausland für ratsamer, als den in die deutsche Glaskugel.

Denn auch nach sieben Monaten Regierens belässt die neue Bundesregierung die Branche im sprichwörtlichen Nebel ihrer unklaren Absichten, welche Ausschreibungsregeln 2026 in Deutschland gelten. Klar ist nur, dass der anderswo in Europa schon gescheiterte Wettbewerbsmodus mit negativen Geboten und kaum definierten qualitativen Anforderungen auch in der Variante des Windenergie-auf-See-Gesetzes nicht funktioniert. Die August-Ausschreibung von Windparkpotenzialflächen für 2,5 Gigawatt (GW) in staatlich voruntersuchten Seegebieten hatte erstmals keine Gebote von Projektierungsunternehmen erzielt. Im Startjahr 2023 dieses Modus hatte die Bundesnetzagentur noch Gebote über 784 Millionen Euro für 1,8 GW bezuschlagt. Damit hatten die siegreichen Bieter ihre Projektrechte bezahlt. Jetzt herrschen Unsicherheiten über Kosten-Entwicklungen in der langen Zeit vom Zuschlag bis zum Bau vor. Außerdem schrecken hohe vorgegebene Nennleistungsdichten mit starken Windabschattungen der Anlagen aufeinander und schwierige Bodenverhältnisse ab. Einig ist sich die Branche inzwischen, dass es Offshore-Windkraft-Tender mit Differenzverträgen braucht: Sie sollen die Bieter realistische Gebote für eine erforderliche Vergütung abgeben lassen, die der Staat mit Zuschüssen zu den im Stromhandel zu erzielenden Einnahmen garantiert. Bei höheren Stromhandelspreisen müssten die Windparks den Überschuss abliefern. Die Europäische Union fordert diese Contracts for Difference (CFD) ab 2027 von allen EU-Staaten.

Ein Schwerpunkt für 2026 liegt auf dem Anlauf der E2-Generatorproduktion in Magdeburg.

Felix Rehwald, Sprecher, Enercon

„Offshore-Wind-Märkte werden 2026 Gebote verzeichnen, wenn sie ein verlässliches, investitionssicheres Auktionsdesign, realistische Kostenannahmen und klare Regeln zur Risikoverteilung anbieten“, notiert der BWO. Großbritannien, Frankreich sowie die Niederlande mit einem Übergangsmodus für nächstes Jahr seien drei entscheidende Märkte, um 2026 als mögliche CFD-Modelle für Deutschland zu dienen. Vor allem aber werde Dänemark mit einer bis Frühjahr geplanten neuen Gebotsrunde für 2,8 GW das Signal setzen: Das Land plane bekanntlich einen produktionsunabhängigen CFD.

Diesen CFD-Modus forderte der BWO Anfang November mit weiteren Branchen-Organisationen wie BDEW und VDMA. Hierbei soll sich die Ver­gütung danach richten, was eine fiktive Referenzanlage unter den Wetterverhältnissen am Standort hätte verstromen und aufgrund des Windstrommarktwertes erzielen können. So würde die reale Einspeisung für die Vergütung nicht zählen. Zuschüsse und Abgaben orientieren sich nun an verfügbaren Anlagenkapazitäten. Das schützt Betreiber gegen das Risiko negativer Strompreise bei Stromüberschuss und behält den Anreiz zum Abschalten bei.

Die Ausgangslage vor 2026 für die deutsche Offshore-Windkraft wirkt so widersprüchlich wie die der gesamten deutschen Windkraftbranche: So sind seit 2023 jährlich mehr genehmigte Erzeugungskapazitäten sowie Zuschläge für gewaltige rund 30 GW an Land und 18 GW auf See hinzugekommen. Doch inmitten betriebsamer Arbeit an großen Auftrags-Pipelines trübt sich die Perspektive ein. Energieversorger mit schon bezuschlagten Offshore-Projekten kümmern sich daher 2026 ums Naheliegende. Ihre strategischen Abteilungen planen statt neuer Ausschreibungen vorerst lieber, wie sie künftig Konzentrationszonen aus benachbarten eigenen Windparks besonders gewinnbringend bewirtschaften. Zumal weitere branchenweite Herausforderungen zu regeln wären: eine dynamische Anpassung der bezuschlagten Vergütungen an die Inflation der Baukosten, die durch Wirtschaftskrisen gebremste Nachfrage der Industrie nach grünem Strom oder fehlende Stromnetzkapazitäten.

Wir planen, den Wert unserer bestehenden, bewährten Anlagenplattform weiter zu steigern.

Klaus Rogge, Vertriebs- und Regionalleiter Central Europe Onshore, GE

Zum Beispiel EnBW: Die Baden-Württemberger werden in den ersten Monaten 2026 noch mit der Inbetriebnahme aller 64 Turbinen im bislang größten deutschen Nordseeareal He Dreiht – 960 Megawatt (MW), erstmals Anlagen mit 15 MW – befasst sein. He Dreiht war der erste ohne garantierte Vergütung bezuschlagte Windpark hierzulande. Den Strom will EnBW nach und nach an Industriekunden vermarkten. Die Erzeugung aus mehr als der Hälfte des Windparks hat EnBW durch langfristige Stromlieferverträge, international PPA genannt, bereits abgesichert.

Nun will die EnBW-Führung den Park schon mal auf hohe Effizienz trimmen, wie sie andeutet. Wie Anfang 2025 bei den benachbarten EnBW-Windparks Hohe See und Albatros geschehen, wird EnBW auch für He Dreiht nach fünf Jahren Anfangsbetrieb die Wartung in Eigenregie übernehmen. Die Cluster-Anordnung der Windparks bietet das Potenzial: „Durch gebündelte Leistungen werden Anlagenstillstände reduziert und Abläufe optimal gestaltet.“

In der Ostsee strebt Iberdrola ähnliche „Skaleneffekte“ an. Nach der Inbetriebnahme des zweiten deutschen Meereswindparks der Spanier Baltic Eagle im Sommer nahe ihres Windparks Wikinger haben sie nun die Baustelle für Windanker eröffnet. Sie schließt direkt an Wikinger an. Eine „gemeinsame Infrastruktur – Service-Hubs, Ersatzteillogistik, Häfen“ sowie eine datenbasierte, digitalisiert gesteuerte Instandhaltung, und „Kooperationen bei Hafeninfrastruktur und Versorgungsschiffen“ mit Dritten sind nun das Ziel.

Unser Einsatz gilt weiterhin der Entwicklung immer kompakterer, zuverlässigerer und modularerer Anlagen

Robero Pasqualini, Senior Manager Windenergie-Geschäftsentwicklung, Bonfiglioli

Foto: Bonflglioli

Zulieferer und Technologieentwickler müssen indes schon die Technologie für einen immer noch möglichen Kickstart des Offshore-Windkraft-Ausbaus in ganz Europa vorbereiten. Bei Tüv Nord stehen ab sofort Ingenieurdienstleistungen an den Monopiles auf der Agenda, den dominierenden säulenförmigen Gründungspfählen. So deutet der Leiter des Erneuerbare-Energien-Geschäfts Alexander Ohff den eigenen Beitrag an weiterer kostensenkender Industrialisierung der mittlerweile schon bis 140 Meter langen Monopiles an: „In den nächsten Jahren wird die Optimierung von Monopile-Designs im Vordergrund stehen, um Materialreserven im Primary Steel besser zu nutzen und elegantere Secondary-Steel-Lösungen umzusetzen“.

Das Windenergieforschungsinstitut Fraunhofer Iwes wird seine frisch erweiterte Prüfanlage Dynalab für dynamische Tests an den Maschinenhäusern eröffnen. Den Schwerpunkt legen die Forscher zunächst aufs Prüfen und Optimieren von Netzanbindungseigenschaften großer Offshore-Anlagen. Sie wollen die Leistungselektronik der elektrotechnischen Umrichter in Windturbinen darin schärfen, Windstrom in präzise getakteten elektrischen Sinuskurven netzdienlich einzuspeisen. „Hier bieten wir zukünftig modernste Prüfinfrastruktur für komplette Anlagen und Subkomponenten wie Generator-Umrichter-Systeme an“, sagt Institutsleiter Andreas Reuter.

Wir bieten modernste Prüfinfrastruktur für komplette Anlagen und Subkomponenten wie Generator-Umrichter-Systeme. Zumindest in diesem Bereich ist wieder ein technologischer Vorsprung für europäische Anlagenhersteller möglich.

Andreas Reuter, Geschäftsführender Leiter, Fraunhofer IWES

Windturbinenbauer Siemens Gamesa nimmt sich den Hochlauf der Flaggschiff-Maschine SG 14 vor. Die Anlage mit bis zu 15 MW Nennleistung bestückte als Variante mit 222 Meter Rotordurchmesser erstmals 2024 einen Windpark im schottischen Nordseefeld Moray West. Mit 236 Meter Rotordurchmesser stellt Siemens Gamesa sie nun im Ørsted-Windpark Greater Changhua 2b & 4 in Taiwan auf. Es gehe darum, informiert Siemens Gamesa, die Produktion der schon für 20 GW bestellten Anlage zu industrialisieren.

Als Einnahmequelle könnte für Windparks im Meer, aber auch an Land bald die Regelenergie hinzukommen. Erstmals begann Ørsted 2022, einen Offshore-Windpark für die Sekundärregelleistung zu vermarkten. Die Reservedienstleistung nutzt der Übertragungsnetzbetreiber, um durch Herunter- oder auch wieder Hochfahren des Offshore-Windparks kurzfristige Netzfrequenzschwankungen infolge ungleicher Ein- und Ausspeisung auszugleichen. Das Stromvermarktungsunternehmen Energy2market und Ørsted hatten die technisch herausfordernde Präqualifikation mitgestaltet. Im Juli stellte dann der kommunale Mannheimer Versorger MVV Energie erstmals einen Onshore-Windpark in den Sekundärregeldienst.

Intelligente Betriebsführung mit Sensortechnik ist ein Schlüssel zu Lastminderung und Ertragssteigerung: der entscheidende Hebel zur Wettbewerbsfähigkeit.

Martin Knops, Geschäftsführer, CWD

Foto: FOTOBEN.be - CWD

Baywa RE will mit seiner Direktvermarktungssparte nun Windenergieanlagen in die Regelenergie übernehmen. Die werde zu einem zentralen Werkzeug, auch um die wachsenden Kapazitäten von Batteriespeichern bei Baywa RE wirtschaftlich am besten einzusetzen. Der Sekundärregelleistungsmarkt biete „in den Leistungspreisauktionen hohe Erlöse bei gleichzeitig reduzierten Zyklen – ein schonender Betrieb bei maximaler Rendite“, sagt Mike Kutzner, der das Key Account Management leitet.

Baywa RE´s großer Wettbewerber in Windkraftdirektvermarktung, Statkraft Markets, will nun Flexibilitäten von Anlagenbetreibern und Stromabnehmern aufbauen. So hält das norwegische Unternehmen fest, das Mitte 2025 sechs Gigawatt Windstromkapazität betreute: „Wir bieten beiden Seiten bereits die Integration von Flexibilitätslösungen an und gehen davon aus, dass dies eines der zentralen Themen in den kommenden Jahren wird“. Vattenfall betreut fast vier Gigawatt Windenergie. 2026 will der Energieversorger erklärtermaßen dieses Portfolio an Land wie im Meer ausbauen. Vattenfall will gänzlich neu in die Regelreserve einsteigen und Batterien an Wind- und Solarparks einbinden.

Bei Windparks an Land wächst das Interesse an alternativen Betriebskonzepten in Verbindung mit Speichern oder Sektorkopplungstechnologien ebenfalls. Die Umwandlung von Strom in andere Energieformen, um Windenergie auch für die Versorgung mit Wärme im Heizsektor oder künstlichem Treibstoff wie grünen Wasserstoff im Verkehrssektor nutzen zu können, gehört bei Abo Energy in Wiesbaden absehbar zum Geschäftsmodell. Das belegten die Hessen jüngst mit der Eröffnung einer Wasserstofftankstelle im Projekt Hünfeld-Michelsrombach. Eine direkt angeschlossene 4,8-MW-Windturbine und Solaranlagen speisen den Fünf-Megawatt-Elektrolyseur. Auch der „Bau und Betrieb eigener Umspannwerke“, außerdem Hybridisierung – das Projektieren von Photovoltaik und Speicher an einem Standort – sowie die Entwicklung einzelner Speicher am Netz werde 2026 „stärker in den Fokus rücken“, schreibt Abo Energy.

Damit Bürgerwindprojekte wirtschaftlich tragfähig werden, müssen Finanzrisiken kleiner und Energy Sharing möglich sein.

Valérie Lange, Leiterin Energiepolitik und Regulierung

Foto: BBEn

Ein Antrieb ist für die Wiesbadener offenbar, sich im schärferen Wettbewerb krisensicherer breit aufzustellen. Tatsächlich musste die börsengelistete Kommanditgesellschaft auf Aktien im November in einer Gewinnwarnung einen Konzernfehljahresbetrag von 250 Millionen Euro andeuten. Die Prognose war von 29 bis 39 Millionen Euro Überschuss ausgegangen. Das Unternehmen will nun zudem vielleicht auch eigene Windparks betreiben, statt sie weiter nur zu entwickeln und Dritten zu verkaufen. Gleichwohl errang es 2024 und 2025 zusammen Zuschläge für 450 MW Windkraft an Land und will die Hälfte davon bis Ende 2026 ans Netz bringen.

Die Windenergieforschung im Institut IFB an der Universität Stuttgart nimmt sich der Technik an, die es für die Flexibilitätswirtschaft mit Windkraft braucht. Er arbeite an flexiblen Windkraftsystemen, sagt Professor Po Wen Cheng am IFB-Lehrstuhl für Windenergie: an Betriebskonzepten und Steuerungselektronik, um Erzeugen und Einspeisen des Windstroms flexibel an Wetterbedingungen, Netzanforderungen, dynamisch sich ändernde Nachfrage und wechselhafte Marktpreislagen anzupassen. „Smarte Sensorik, robuste Optimierungsalgorithmen und zuverlässige Entscheidungsmechanismen“ seien die Entwicklungsjobs des Lehrstuhls dabei.

Die Entwicklung resilienter und vernetzter Windenergiesysteme wird zu einer zentralen Herausforderung.

Po Wen Cheng, Leiter Stuttgarter Lehrstuhl für Windenergie, IFB

Dass Windkraft einen künftig hochwertigeren Einsatz braucht, ist die Gründungsidee der von einem Infrastrukturfonds ins Leben gerufenen Erneuerbare Energien Fabrik (EEF). Nach der Gründung 2024 durch Zukäufe eines Projektentwicklungsportfolios für 1,5 GW Windkraft und 760 MW Photovoltaik (PV) an den Start geschickt, soll EEF das Geld der Kapitaltreuhänder in größere Erneuerbare-Energien-Projekte stecken. Bedingung ist, dass diese eine ganzheitliche Energieversorgung anvisieren, die beispielsweise auch Stromspitzen durch viel Wind und Sonne bei der Netzeinspeisung glätten kann. Auch eine durch Digitalisierung modular aufgeteilte Projektarbeit gehört zum Selbstverständnis von EEF, die das Einbinden vieler lokaler Unternehmen im Windparkbau zulässt. Das soll die Akzeptanz von EEF-Projekten steigern und deren Genehmigungen beschleunigen.

Von zwölf 2025 begonnenen Genehmigungsverfahren bei EEF dürften 2026 erste sieben zum Erfolg führen. Viele Speicherprojekte stünden zudem „in den Startlöchern“, lässt EEF wissen. Auch der innovative Neuling weist jedoch auf die verschleppten Reformen hin. Es brauche zum Beispiel eine Überbauungsverpflichtung der Netzbetreiber, die dann mehr Nennleistung aus mit Windkraft- und PV-Anlagen gemixten Hybridparks an die Stromleitungen anschließen müssen, als der Netzanschluss transportieren kann. Obwohl so mitunter Grünstromanlagen bei zeitgleich viel Sonne und Wind abzuregeln sind, übertrifft die höhere Einspeisung und Vermarktung im Teillastbetrieb diese Verluste.

Wir stellen 2026 erstmals die neue Generation unseres bewährten Rotorblattüberwachungssystems vor. Das System kombiniert optische Datenübertragung, hoch entwickelte Sensorik und intelligente Echtzeitanalyse. Sensoren an zwei Messpunkten je Rotorblatt erkennen und lokalisieren Mängel frühzeitig.

Daniel Schingnitz, Leiter Vertrieb und Marketing, Weidmüller Monitoring Systems

Foto: Weidmüller

Sogar die Windturbinenbauer mischen sich schon ins Geschäft mit der Flexibilisierung produktiv ein. So hatte Enercon auf der Windenergiemesse Husum im September eine neue Abteilung für höherwertige Erzeugung vorgestellt. 2026 will Enercon einerseits für die Flaggschiff-Anlage E-175 mit 6 MW sowie auf Basis eines größeren neuartigen Außenläufergenerators auch mit 7 MW den Hochlauf der Anlagenproduktion anschieben. Andererseits will Enercon parallel das Serviceangebot „Wind + Storage“ für eine intelligent digital gesteuerte und vernetzte Stromerzeugung an die Windturbinen-Kunden vermarkten.

Und Leitwind aus Südtirol will Eigenverbrauchsprojekte für Stadtwerke und Industriebetriebe bauen. Die Italiener sehen den deutschen Markt als neuen Absatzraum für eine Ein-Megawatt-Anlagen mit 80- und 90-Meter-Rotor. Speziell auch für energieintensive kommunale Unternehmen könne die LTW80 und die LTW90 kombiniert mit PV-Anlagen und Speichern gut zum Einsatz kommen, werben sie. Außerdem arbeiten sie nun an der Marktreife einer schon entwickelten Zwei-MW-Anlage. Sie könnte in deutschen Repoweringprojekten gegen leistungsschwache Altanlagen eintauschbar sein.

Werden Auktionen wieder attraktiv – zuverlässige Erlösmechanismen wie zweiseitige CFD mit Indexierung, kürzerer Zeit zwischen Zuschlag und Investitionsentscheid und fairen Fristen – sind wir dabei.

Felipe Montero Mora, Geschäftsführer, Iberdrola Deutschland

Foto: Wirrwa - Iberdrola

Der BWE bestätigt den Trend zur Flexibilisierung: Angesichts enormer 14 GW an im aktuellen Jahr bezuschlagter neuer Windkraftkapazität sieht der Bundesverband Windenergie (BWE) die hohe Dynamik beim Windparkbau an Land für 2026 noch gesichert. Doch die wachsenden Herausforderungen, einschließlich der Hauptherausforderung einer fehlenden Transparenz in oft langwierigen, schleppenden Netzanschlussverfahren, erfordern nach Ansicht von BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm eine Zwischenlösung: „Um die Zeit bis zu einem umfangreichen Netzausbau zu überbrücken, braucht es deutlich mehr Möglichkeiten für die Direktbelieferung von Unternehmen, mehr Sektorenkopplung im Netz und die Überbauung von Netzverknüpfungspunkten“.

Einige Windparkentwicklungsunternehmen spüren die Bremswirkung auf dem Weg zu den nächsten Projektausschreibungen deutlich, wollen sich aber nicht stoppen lassen: PNE werde sich an Ausschreibungen beteiligen, „wie es der Projektfortschritt ermöglicht“, weil die Qualität der Projekte das Cuxhavener Unternehmen im Wettbewerb gut aufstelle, sagt der PNE-Vorstandsvorsitzende Heiko Wuttke. Das ostfriesische Enova will allein 2026 rund 400 MW zur Baureife bringen und weitere Anlagen mit rund 400 MW schon errichten oder in Betrieb nehmen. Zugleich sollen so viele Enova-Projekte wie möglich in die Tender kommen und die Pipeline des Unternehmens konsequent umsetzen lassen. Künftig will PNE mehr auf PPA-Vermarktungen setzen. Projektierungsunternehmen VSB aus Dresden prüft PPA oder Stromdirektlieferungen als künftige Standard-Vermarktungswege. Auch VSB treibt außerdem „verstärkt Hybridprojekte aus Wind, Photovoltaik und Batteriespeichern“ voran. Insbesondere wird bei den Sachsen aber das Repowering „in den kommenden Jahren“ einen noch größeren Anteil am Geschäft einnehmen als schon jetzt mit hohen 20 Prozent. Als zwei große ausländische Projekte baut VSB im neuen Jahr einen 39-MW-Windpark in Frankreich und einen 53-Anlagen-Park mit 190,8 MW in Polen. Nach der Übernahme durch den französischen Ölkonzern Total gelte es bezogen auf ganz „Europa eine führende Rolle in der Energiewende einzunehmen.“

N-Ergie liefert und integriert weiter Strom aus PPA-Projekten in Liefermodelle für Industriekunden.

Stefan Harrer, Leiter Vertrieb Geschäftskunden, N-Ergie

Die Dean-Gruppe aus dem niedersächsischen Neustadt am Rübenberge wird sich weiterhin auf Entwicklungen im eigenen Bundesland konzentrieren. Mehrere Projekte davon will sie 2026 fortentwickeln. Als Höhepunkt kündigt Prokurist Hauke Eggers-Mohrmann den Baustart im Repowering-Projekt Kreutzberg-Nord an. Hier sollen fünf E-175 auf 250 Meter Gesamthöhe wachsen.

Trotz aller Eintrübungen bleibt das Vertrauen in den deutschen Markt aber hoch. Auch das ist eine Erkenntnis aus unserer Umfrage: Die zuständige Verkaufs- und Regionalabteilung beim Windturbinenbauer GE gibt sich vom anhaltend starken Ausbau der Windkraft hierzulande überzeugt. Gleichwohl werde er 2026 dem Marktdruck auf die GE-Kunden mittels kurzer und vorhersehbarer Lieferzeiten sowie zuverlässigen Projektumsetzungen entgegnen. Außerhalb Deutschlands wolle GE mehr Windparks in Osteuropa bauen. Wettbewerber Siemens Gamesa kündigt an, mit seiner neuesten 7,0-MW-Anlage durch bessere Schallwerte zu punkten. Das könnte höhere Erträge ermöglichen und Langsamdrehzeiten des Rotors als Lärmschutz mit verminderter Stromerzeugung vermeiden.

Projekte in Süddeutschland werden es in derzeitigen Ausschreibungen schwer haben.

Hauke Brümmer, CEO von Enova

Foto: ENOVA

Frühindikatoren für Projektierenden-Aktivitäten im Land liefern gewöhnlich die Wind- oder Standortgutachterbüros. Die Windströmungsexperten müssen noch vor der Windparkentwicklung das wirtschaftliche Potenzial des ausgeguckten Standorts ausloten. Ihre Beobachtungen lassen somit womöglich noch weiter vorausschauen.

Anemos registriert eine seit zwei Jahren anhaltende hohe Nachfrage nach schnellen und dennoch qualitativ hochwertigen Gutachten auf der Grundlage eines vom Unternehmen vorgehaltenen digitalen Windatlanten. Der simuliert den Durchzug regionaler Luftströmungen und lässt insbesondere für wenig windkraftgenutzte Regionen ohne vorhandene Daten aus Vergleichsturbinen die Standsicherheit von Anlagen abschätzen. Auch provisorische Gutachten, um bei neuen Projekten unterschiedlich hohe Türme und mehrere Turbinenleistungen im Windfeld zu vergleichen, sind zunehmend gefragt. Die Nachfrage nach Windmessungen mit der Lasertechnik Lidar bleibe ebenfalls hoch, sagt Anemos-Gutachter Martin Schneider.

Dessen Wettbewerber Anemos-Jacob hat 2025 die Flotte an Lidar- und auch den akustischen Sodarmessgeräten verstärkt und Zulassungen für Sodargeräte bis 300 Meter Höhe ausgeweitet. Nicht selten soll Anemos-Jacob nun mit der Sodartechnik an schon vor bis zu 15 Jahren begutachteten Standorten neu messen, weil die Geräte eben dafür klassifiziert sind. Anspruchsvolle Mittelgebirgsregionen haben inzwischen einen größeren Anteil an den Aufträgen für Anemos-Jacob. Neu kommen süddeutsche Industriekunden als Auftraggeber hinzu, die eine Eigenversorgung mit Windstrom erwägen.

2026 erwarten wir ein starkes Wachstum sowohl bei den Anlagenerrichtungen als auch im Service.

Karsten Brüggemann, Vice President Region Central, Nordex

Manche Technologiezulieferer wiederum rüsten schlichtweg Technologie auf, um die enormen Dimensionen der vermehrt gelieferten Anlagen mit bis zu 85 Meter langen Rotorblättern abzusichern.

Dafür sehen sich auch Elektrotechnik-, Elektronik- und Sensorspezialisten wie Bachmann zuständig. So will die Windkraft-Sensoren-Abteilung bei Bachmann strukturellen Risiken der Baukörper vorbeugen. Dazu meldet Bachmann-Monitoring-Chef Holger Fritsch: „2026 setzen wir verstärkt auf Strukturmonitoring mit unseren Cantilever-Sensoren, ergänzt durch spezielle Algorithmen zur Sicherung der Diagnosequalität.“ Ähnlich richtet sich das Elektrotechnikunternehmen Weidmüller für 2026 aus: Ein neues System soll die Überwachung der Rotorblätter durch eine Kombination optischer Datenübertragung, hoch entwickelter Sensorik und intelligenter Echtzeitanalyse verbessern. Dabei bestückt Weidmüller jedes Rotorblatt mit Sensoren an zwei Messpunkten.

Antriebsspezialist Bonfiglioli hat bereits Antriebskomponenten zum Rotorblattstellen oder Gondelausrichten bis 20 MW entwickelt. Doch zeitgleich erfordern die neuen Dimensionen und Drehmomente immer kompaktere, zuverlässigere und modularere Anlagen. So verweist das Unternehmen auf die „inzwischen vollständig integrierten Azimutantriebe” zum Stellen der Anlagen in den Wind. Sie bestehen aus Motor, Getriebe und Frequenzumrichter und integrieren direkte Sensormessungen.

Höhenbegrenzungen und Herausforderungen, die durch Überzeichnung und weiter sinkende Gebotspreise in den Ausschreibungen noch erheblich größer werden, werden wir uns engagiert und optimistisch stellen.

Hauke Eggers-Mohrmann, Prokurist Dean-Gruppe

Foto: JOANNA NOTTEBROCK - deanGruppe

Beim Maschinenbauverband VDMA hält sich angesichts solcher Leistungen ein stabiler Optimismus, dass es mit der starken Wertschöpfung durch europäische Zulieferunternehmen doch noch etwas werden kann. „Die besondere Chance für 2026 und die folgenden Jahre für die Windindustrie im Maschinenbau liegt darin, dass eine hohe, verlässliche und stetige Nachfrage entsteht, wenn politische Rahmenbedingungen weiter verbessert werden“, sagt Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer der Energiesparte im Maschinenbauverband VDMA.

Im Aachener Zentrum für Windkraftgetriebe CWD bleibt es beim 2025-er Schwerpunkt der Entwicklungen gleitgelagerter Hauptlager. Solche ersetzen die Drehlagerung für die Achse aus dem Rotor im Getriebe, die im Gleitlagerdesign ohne Rollkörper auskommen und kleiner ausfallen und weniger Abnutzung versprechen. Sie seien „die nächste große Innovation“ im Triebstrang, sagt CWD-Geschäftsführer Martin Knops. Aufgrund des Wachstums der Komponenten ließen sich allerdings passende echte Teststände kaum noch finanzieren. So werde hybrides und skaliertes Testen immer wichtiger.

In der Lieferkette weiter hinten ist die Windpark-Instandhaltung auf eine ganz andere Weise mit der Anpassung an neue Größenordnungen befasst. Deutsche Windtechnik will durchweg die Instandhaltungsprozesse „entlang der gesamten Wertschöpfungskette“ weiterentwickeln und weiter verbessern. Ziele sind außerdem eine Verbesserung der Anlagenverfügbarkeit, erneut mehr Qualität und eine höhere Produktivität der Service-Kräfte.

Dass die einzelnen Mitarbeitenden der Instandhaltungsfirma mehr abarbeiten, ist schon aufgrund des Personalmangels in der Windenergieszene unumgänglich. Deutsche Windtechnik will mittels neuen Außenlagern für Ersatzteile näher an den Windparks sowie durch eine Digitalisierungsoffensive die Fachkräfte effizienter einzusetzen.

Im Geschäftsjahr 2026 arbeiten wir in Asien, den USA und Europa an zwölf Projekten und planen, mehr als 650 Turbinen an unsere Kunden zu übergeben.

Martin Volker Gerhardt, Deutschland-Chef, Siemens Gamesa, zu Offshore

Foto: JOANNA NOTTEBROCK - deanGruppe

Besonders schwer wird es möglicherweise für die Bürgerwindkraft. Deren Verband BBEn erwartet von 2026 zwar auch „große Chancen“. Bei zudem steigenden Pachten und wieder anziehenden Anlagenpreisen brauche es aber für Bürgerenergie besondere Maßnahmen. Für das frisch gesetzlich erlaubte Energy-Sharing müssten noch wirtschaftliche Anreize gesetzt werden, sagt die Politiksprecherin beim BBEn Valérie Lange. Energy Sharing erlaubt es privaten Anlagenbetreibern, ihren Strom mit anderen zu teilen.

Manche Bürgerunternehmen wie das nordrhein-westfälische Rea können vorerst noch die Ernte einiger spannender Projekte einfahren. Auf Basis der größten Investition der Firmengeschichte hatte REA jetzt Turbinenlieferverträge für ein 14-Anlagenprojekt an drei zusammengeplanten Standorten bei Köln unterzeichnet. Die Errichtung der sehr großen Anlagen soll 2026 beginnen. 2027 sollen hier rund 80 MW in Betrieb gehen. Die Kapitalerhebung des dreistelligen Millionenbetrags klärte Rea mit Bürgern, der „Bürgerenergie Kreis Düren eG“ und einem kommunalen Partner. Allerdings hält auch Rea fest: Mehrere baugenehmigte Projekte seien unter den nun engeren Wettbewerbsbedingungen nicht mehr wirtschaftlich.

Bliebe noch die gezielte Vermarktung des Windstroms über industrielle PPA an Unternehmen. Direktvermarkter Next Kraftwerke bietet hier Corporate-PPAs mit kürzeren Laufzeiten von ein bis drei Jahren an, außerdem Merchant-PPA als Stromabnahmevertrag, bei dem Strom zu Marktpreisen ohne Preisfixierung verkauft wird, und hybride Modelle. Nun will Next Kraftwerke das eigene Windkraftportfolio deutlich ausweiten und 2026 mit Festpreis-PPA sich weitere Kapazitäten älterer Windparks nach dem Ende der Vergütungsförderung sichern.

Industriekunden-PPA sind allerdings auch ein Job der kommunalen Versorger. So sichert sich Nürnbergs N-Ergie sowohl grünen Strom über PPA-Verträge zur Versorgung von Unternehmen und integriert zugleich die Eigenversorgungsanlagen der Kunden über Stromabnahmeverträge ins Erneuerbare-Energien-Portfolio der N-Ergie. Die Kölner Rheinenergie übernimmt die Stromvermarktung für Eigenverbrauchsanlagen der Industriekunden. Während verschärfter Wettbewerbsdruck und Fachkräftemangel die Rheinländer belastet, suchen sie nun schon in frühen Planungsphasen neuer Projekte nach Kooperationspartnern.