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Energie für stromintensive Firmen vor Ort produzieren

Nicole Weinhold

Nicolas Christoph, Bereichsleiter Wind, Hydro und PV bei Koehler Renewable Energy, einer Tochter der Papierfabrik Koehler, erklärt, warum es sinnvoll ist, als Produktionsfirma auf Erneuerbare zu setzen.

Die Koehler-Gruppe hat sich selbst als Ziel gesetzt, mehr Erneuerbaren-Strom zu produzieren, als für die eigene Papierproduktion gebraucht wird. Wie ist es zu dem ehrgeizigen Ziel gekommen?

Nicolas Christoph: Das Thema Nachhaltigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Produkte und Strategie. Wir haben im Gegensatz zu vielen Marktbegleitern schon sehr früh auf Biomasse zur Wärme- und Dampferzeugung gesetzt. Bereits 2002 haben wir unter dem ersten EEG unser Kraftwerk in Kehl in Betrieb genommen. Auch unsere Produkte wie flexible Verpackungspapiere oder das Thermopapier Blueforest sowie die hochwertigen Recyclingpapiere aus Greiz zeigen das sehr gut. Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen hat Koehler die Energiewende sehr früh als Chance und nicht als Bedrohung begriffen. Unser Ziel war schon direkt nach der Gründung von Koehler Renewable Energy (kurz: KRE): jede Kilowattstunde Strom, die wir verbrauchen, durch selbst betriebene erneuerbare Erzeugungsanlagen wieder einspeisen und nicht nur einen grünen Anstrich durch Zukauf von Zertifikaten durchführen. Der erneuerbare Anteil an unserem gesamten Energiebedarf lag im letzten Jahr bereits bei etwa 60 Prozent.

„Koehler hat die Energiewende sehr früh als Chance und nicht als Bedrohung begriffen.“

Nicolas Christoph, Bereichsleiter Wind, Hydro und PV bei Koehler Renewable Energy

Wie bewerten Sie das Thema Versorgung energieintensiver Unternehmen mit erneuerbaren Energien?

Nicolas Christoph: Während es vor einigen Jahren nur zum guten Ton gehörte erneuerbare Energien einzusetzen, ist es heute Grundvoraussetzung, um am Markt bestehen zu können. Kunden fordern dies mittlerweile und jedes Unternehmen muss sich zwingend dieser Verantwortung stellen. In den letzten Jahren kam noch ein angenehmer Nebeneffekt dazu: Strom aus Wind und Photovoltaik ist unschlagbar günstig geworden. Damit ist dies auch zu einem Wettbewerbsvorteil geworden und darüber hinaus kann ein Unternehmen mit Strom aus einem Windpark oder einer PV-Anlage seinen Strompreis langfristig fixieren und sich von Schwankungen der Rohstoffpreise unabhängig machen. Dieser Vorteil ist vielen aber erst durch die extremen Preisentwicklungen durch die deutliche Steigerung der CO2-Zertifikatspreise und vor allem dann nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine wirklich bewusst geworden.

Wie bewerten Sie neueste Gesetzesinitiativen zur Industrieversorgung, zumal die Koehler Group die Zeichen der Zeit ja bereits früh erkannt hat und eine eigene Gesellschaft zur Erzeugung erneuerbarer Energien gegründet hat?

Nicolas Christoph: In unserem Windparkprojekt Blasbach haben wir am eigenen Leibe erlebt, wie lange und mühsam der Weg zu einem Windpark ist. Der erste Pachtvertrag wurde bereits 2013 unterschrieben, neben Gesetzesänderungen, immer weiter zunehmenden Anforderungen an den Artenschutz und sehr langsam arbeitenden Behörden hatten wir noch eine Klage durch zwei Instanzen. Der Windpark wird jetzt endlich voraussichtlich Ende diesen Jahres ans Netz gehen, aber in diesem Tempo kann es einfach nicht weitergehen. Glücklicherweise hat sich auch regulatorisch mittlerweile einiges getan und ich finde insbesondere, die Maßnahmen der EU-Notfallverordnung sollten dazu führen, dass es nun deutlich schneller vorangeht. Allerdings sieht man in vielen Behörden immer noch eine abwartende Haltung und zögerliche Entscheidungen. Hier kann man nur an mehr Mut zur Entscheidung appellieren. Als energieintensives Unternehmen begrüßen wir auch die Maßnahmen, die speziell für die Industrie momentan auf Bundesebene geplant sind. Allerdings gibt es auch schädliche Entwicklungen wie die explodierenden Pachtpreise für Windkraftflächen. Durch die mittlerweile utopisch hohen Pachten, die insbesondere bei Staatsforsten und Gemeinden bezahlt werden, ist ein wirtschaftlicher Betrieb und insbesondere ein günstiger Strompreis für die Industrie zur Sicherung von Standorten und Arbeitsplätzen nicht mehr darstellbar.

60 Prozent am eigenen Gesamtenergiebedarf hat das Papierproduktionsunternehmen Köhler Group 2022 bereits mit erneuerbarer Energie aus eigener Erzeugung abgedeckt.

Sind günstige und sichere Energieversorgung Standortfaktoren für die Industrie?

Nicolas Christoph: Schon seit einigen Jahren kann man beobachten, dass Neuansiedlungen grüner Unternehmen insbesondere dort passieren, wo es lokal verfügbaren günstigen Strom aus Windkraft und PV gibt. Tesla, Intel und Northvolt sind nur einige prominente Beispiele und man benennt diesen Effekt mittlerweile als „Renewables Pull“. In diesem Zusammenhang finde ich es erschreckend, wie sich der Ausbau der Windkraft trotz grüner Landesregierung in Baden-Württemberg entwickelt hat. Als Bundesland mit einer hohen Industriedichte und einem enormen Stromhunger ist es fatal, wenn diese Energie nicht vor Ort produziert wird. Dies gilt im Übrigen auch für Bayern… Es wird wahrscheinlich nicht mehr lange dauern, bis sich dies nicht nur in Neuansiedelungen, sondern auch in Abwanderungen zeigt. Wir als Koehler sind hier in Baden verwurzelt und möchten dies gerne auch bleiben. Die meisten unserer Werke sind hier und unsere Mitarbeiter arbeiten oft seit mehreren Generationen bei uns. Der steigende CO2-Preis wird diese Entwicklung nur weiter befeuern und ich hoffe, dass alle verantwortlichen Akteure in Politik und Verwaltung endlich den Ernst der Lage begreifen.

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