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Neue Geschäfte für Speicher

Sven Ullrich

Immens ist diese Zahl: Projektierer haben fast 10.000 Anfragen für den Netz­anschluss von großen Batteriespeichern gestellt. Würden diese tatsächlich alle gebaut, entstünde eine zusätzliche Speicherleistung von 400,3 Gigawatt. Diese Batterien könnten dann 611 Gigawattstunden Strom zwischenlagern.

Höhenflug für Großspeicher

Das zeigt schon die Dimensionen, mit denen die Anbieter von großen Netzspeichern agieren. Es zeigt aber auch, dass die Speicher inzwischen mit den entwickelten Geschäftsmodellen wirtschaftlich werden. Markttreiber sind die zunehmende Volatilität bei der Stromerzeugung und die vermehrt auftretenden negativen Strompreise. „Großspeicherprojekte gewinnen als Instrumente zur Frequenzhaltung und Netzstabilisierung weiter an Bedeutung“, weiß Carl Zöllner, der bei Intilion für die Geschäftsentwicklung verantwortlich ist.

Während die Solar- oder Windkraftanlage geförderte Erlöse erzielt, kann der Speicher flexibel am Markt agieren.

Carl Zöllner, Intilion

Foto: Intilion

Franz-Josef Feilmeier, Geschäftsführer von Fenecon, erwartet kurzfristig sogar eine Verdopplung der Nachfrage. Allerdings wird dieses Wachstum nicht langfristig sein, prognostiziert er. „Bei den zwischenzeitlich gehypten Stand-alone-Speichern werden wir 2026 bis maximal 2029 noch ein gewisses ‚Strohfeuer‘ sehen, dann wird dieser Markt aber spätestens wieder weitgehend tot sein – vielleicht auch bereits vorher, da im Laufe der Zeit schon erste Kannibalisierungseffekte eintreten werden und neue Netzzusagen für Stand-alone-Speicher immer restriktiver werden“, erklärt Feilmeier. „Diese Speicher sind davon abhängig, dass am Energiemarkt ein ausreichend großer Spread besteht – denn es ist ihre weitgehend einzige Erlösmöglichkeit. Dagegen erzielen alle anderen Speicherkategorien über zeitversetzte Einspeisung von Solar- oder Windenergie oder Anwendungen hinter dem Zähler wie Eigenverbrauchserhöhung, dynamische Tarife, Vermeidung von Netzausbau und Lastspitzenkappung deutlich darüber hinausgehende Einnahmen.“

Mit Stromerzeuger kombinieren

Dazu kommen noch die zunehmenden Schwierigkeiten beim Netzanschluss für solche Großspeicher. „Daher findet gerade ein starker Schwenk in Richtung Co-Location statt“, sagt Sven Albers­meier-Braun, Vertriebschef für Zentraleuropa bei ­Sigenergy. „Allerdings lösen AC-Speicher das Problem auch bei Co-Location überhaupt nicht, da hier­für bei den Netzbetreibern zusätzliche Engpassleistung anzufragen ist. Daher ergibt sich aus der Co-Location nur dann ein Vorteil, wenn man mit dem Netzbetreiber ein Betriebsmodell vereinbart, das mit der vorhandenen Anschlussleistung auskommt. Allerdings tun sich Netzbetreiber hiermit schwer und solche Verträge sind erst vereinzelt abgeschlossen worden und dauern lange – meist Jahre.“

Netzanschluss und Kabel teilen

Dieses Problem lösen nur Großspeicher auf der Gleichstromseite. „Denn hier ist technisch sichergestellt, dass nur die bereits genehmigte Anschlussleistung des Parks auch in Anspruch genommen werden kann“, erklärt Sven Albers­meier-Braun. „Insbesondere in der Schweiz sehen wir bereits einige Co-Location-Projekte im Gewerbe. Bei Freiflächen gibt es hier erhebliches Potenzial und auch Bedarf durch die neuen Regelungen rund um negative Strompreise.“

Denn durch die Speicher kann der von der Solar­anlage produzierte Strom, der bei negativen Preisen an der Börse nicht vergütet würde, zwischengelagert werden. Die Betreiber speisen ihn zu einem späteren Zeitpunkt wieder ein. Diese Co-Location wird umso attraktiver, je mehr Geschäftsmodelle möglich werden. „Während die Solar- oder Windkraftanlage geförderte Erlöse erzielt, kann der Speicher flexibel am Markt agieren“, erklärt Carl Zöllner von Intilion. „Beide Anlagen nutzen dieselbe Infrastruktur, senken Kosten und bleiben rechtlich unabhängig. Je nach Konzept ist eine getrennte oder gemeinsame Vermarktung möglich, was stabile Erträge und eine effizientere Nutzung der Erzeugungsleistung ermöglicht“, beschreibt er ein zusätzliches Geschäftsmodell.

Jetzt liegt es an der Branche, mit intelligenten und gegen­seitig offenen Energiemana­gement- und Direktvermarktungslösungen die neuen Frei­heiten auch in echten Kundennutzen zu verwandeln.

Franz-Josef ­Feilmeier, Fenecon

Foto: Fenecon

Durch die jüngsten regulatorischen Änderungen sind solche Systeme auch in der Lage, Netzstrom zwischenzulagern und wieder ins Netz abzugeben, ohne dass die Betreiber doppelt besteuert oder mit zusätzlichen Netzentgelten bestraft werden. Dieses Arbitragegeschäft kommt zur versetzten Einspeisung von volatil erzeugten Strommengen aus der Photovoltaik und der Windkraft hinzu. Franz-Josef Feilmeier sieht die Kombination von Solar- oder Windkraftanlagen als den natürlichen Anwendungsfall für einen Speicher an und sieht aus diesem Grund einen Boom von Gewerbespeichern und Co-Location-Anwendungen heraufziehen.

Gewerbespeicher am Strommarkt

Vor allem die Co-Location-Anwendungen – auch im Gewerbe, nicht nur in Kombination mit Solar- und Windparks – ermöglichen die bessere Netzintegration von volatil erzeugten Ökostrommengen. „Besonders attraktiv wird dieses Modell, wenn bereits in der Projektierungsphase Synergien genutzt werden können – etwa durch einen gemeinsamen Netzanschluss, die Flächensicherung oder die gemeinsame Nutzung von Kabelgräben“, erklärt Stephan Nusseck, Projektmanager Batteriespeicher bei Baywa RE. „So lassen sich Kosten senken, Genehmigungsverfahren vereinfachen und die Integration ins Netz effizienter gestalten. Co-Location ist nicht nur eine technische Lösung, sondern zunehmend ein wirtschaftlicher Schlüssel für den weiteren Erneuerbaren-Ausbau.“

Zudem öffnet sich durch die Digitalisierung auch für kleinere Speicher die Möglichkeit des Arbitragehandels. Tesvolt hat dafür eine eigene Tochterfirma, Tesvolt Energy, gegründet. „Dieses Geschäftsmodell ist normalerweise nur großen Batterien mit mehr als einer Megawattstunde Kapazität vorbehalten“, sagt Simon Schandert, technischer Geschäftsführer des Wittenberger Speicherherstellers. Tesvolt Energy bündelt viele gewerbliche Speicher zu einem großen virtuellen Kraftwerk.

Konkrete Regeln entwickeln

Diese Speicherkapazität wird dann über Trader vermarktet. „So ist das für alle, die einen Netz­anschluss mit mindestens 50 Kilowatt haben, ein lukratives Geschäftsmodell“, sagt Schandert. „Dieses Geschäftsmodell kann auch unabhängig von einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gewerbebetriebs funktionieren. Viele Netzbetreiber sehen allerdings die Gefahr, dass dadurch das Stromnetz noch zusätzlich belastet wird. Daher kann die Genehmigung solcher Speichersysteme mitunter lange dauern. Es bedarf eines Austauschs mit den Netzbetreibern, um gemeinsame Fahrweisen zu definieren, welche skalierungsfähig sind und das Stromnetz stützen“, erklärt der Technikchef von Tesvolt.

Aus der Co-Location ergibt sich nur dann ein Vorteil, wenn man mit dem Netzbetreiber ein Betriebsmodell vereinbart, das mit der vorhandenen Anschlussleistung auskommt.

Sven Albersmeier-​Braun, Sigenergy

Foto: Sigenergy

Außerdem haben sich zwar die Regularien verbessert. „Allerdings fehlt in der Praxis noch die Festlegung der Bundesnetzagentur für die Umsetzung, welche sie für die Großspeicher unter der Bezeichnung ‚Abgrenzungsoption‘ entwickelt hat“, erklärt Stephan Nusseck von Baywa RE. „Da diese Festlegung zunächst noch eine Konsultationsphase durchlaufen hat, um Rückmeldungen des Marktes hinsichtlich der Umsetzbarkeit einzusammeln, wird es noch einige Wochen dauern, bis sie Wirkung entfalten kann“, sagt er mit Blick auf die Entwürfe, die die Bundesnetzagentur Mitte September 2025 veröffentlicht hat.

Graustrom im Speicher

Es kann also noch etwas dauern, bis die konkreten Regeln feststehen. „Daher hat die Möglichkeit, Graustrom im Speicher zwischenzulagern, die Nachfrage bisher kaum beeinflusst, wird nunmehr aber zu einem Boom von Speichern hinter dem Zähler und Grünstromspeichern führen“, ist sich Fenecon-Chef Franz-Josef Feilmeier mit Blick auf die Befreiung von doppelten Steuern und Netzentgelten und den Start der Regelfestlegung sicher.

Doch auch die Verteilnetzbetreiber haben noch einige Hausaufgaben zu machen. „Die zentrale Herausforderung ist, dass sie die erforderliche Begrenzung insbesondere der Bezugsstromleistung am jeweiligen Netzverknüpfungspunkt technisch ermitteln und vertraglich festlegen müssen“, sagt Stephan Nusseck von Baywa RE. „In diesem Zusammenhang sind flexible Netzanschlussvereinbarungen das noch fehlende Bindeglied, um einen Betrieb von Speichern mit Grün- und Graustrombezug zu ermöglichen.“

In Paragraf 17 Absatz 2b des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) wurden bereits Leitplanken eingezogen. „Die Netzbetreiber tun sich damit aber aufgrund der fehlenden Digitalisierung ihrer Netze sehr schwer“, weiß Stephan Nusseck. „Solange hier keine praxistauglichen Lösungen etabliert sind, bleibt die Errichtung von Speichern trotz der verbesserten Regulierung hinter ihrem Potenzial zurück.“

Baukostenzuschuss hilft nicht weiter

Doch wenn diese flexiblen Netzanschlussvereinbarungen Realität werden, wird dies bei Großspeichern zu reduzierten Baukostenzuschüssen führen, ist sich Franz-Josef Feilmeier von Fenecon sicher. „Das wird gerade ausgearbeitet“, sagt er. „Jetzt liegt es an der Branche, mit intelligenten und gegenseitig offenen Energiemanagement- und Direktvermarktungs­lösungen diese Freiheiten auch in echten Kundennutzen zu verwandeln.“

Zudem sind die Netzbetreiber mit den vielen Anschlussanfragen teilweise schon überfordert. Dies betrifft nicht nur die Ökostromanlagen und Speicher, sondern auch Rechenzentren und Industrieunternehmen. „Eine Steuerung über die Höhe des Baukostenzuschusses, wie sie vereinzelt diskutiert wird, kann hier nur begrenzt Abhilfe schaffen und adressiert das eigentliche Problem nicht“, warnt Stephan Nusseck. „Eine Lösung muss vielmehr in der Schaffung von mehr Transparenz über die tatsächliche Situation am Netzverknüpfungspunkt liegen. Projektentwickler müssen die Möglichkeit erhalten, auf Basis eines nachgewiesenen Baufortschritts – insbesondere bei Co-Location-Projekten – Zugang zu diesen Informationen zu bekommen. Auf dieser Basis lassen sich realistische Planungen vornehmen, unnötige Anfragen vermeiden und die Anschlusskapazitäten effizienter nutzen.“

Vorteile für Gewerbespeicher

Für kleinere Gewerbespeicher gelten zudem die neuen Regelungen nach Paragraf 14a EnWG. Wenn die Speicher als steuerbare Last am Verteilnetz fungieren, müssen die Netzbetreiber Rabatte bei den Netzentgelten geben. Als steuerbare Lasten gelten auch Elektroautos, deren Speicher inzwischen für das bidirektionale Laden freigegeben sind. „Wir sehen hier durchaus Vorteile für kleinere Speicherlösungen, beispielsweise im gewerblichen Umfeld oder im Zusammenspiel mit Ladeinfrastruktur, da sie von reduzierten Netzentgelten profitieren können“, sagt Carl Zöllner von Intilion. „Für größere Speicherprojekte und Industrieunternehmen mit hohem Stromverbrauch bietet Paragraf 14a EnWG hingegen aktuell keine nennenswerte Entlastung, da diese Anlagen in der Regel im Mittel- oder Hochspannungsnetz angeschlossen sind und nicht unter die geltenden Definitionen des Paragrafen fallen.“

Auch Sven Albersmeier-Braun sieht hier Vorteile für kleine Gewerbetreibende. „Das hängt aber entscheidend vom Verhältnis zwischen Energieverbrauch und vorhandener Speicherkapazität ab“, erklärt er. Zudem warten viele Installateure noch mit der Installation der dafür notwendigen Anlagentechnik, bis Smart Meter und Steuerbox verbaut sind, ergänzt Franz-Josef Feilmeier von Fenecon. „Für gewerbliche Speicherbetreiber gibt es aber darüber hinausgehende Möglichkeiten, bei Leistungs- und Arbeitspreisen der Netzentgelte große Einsparungen zu erzielen“, erklärt der Fenecon-Chef.

Der Kombination von Speichern mit Solaranlagen gehört die Zukunft.

Foto: Intilion

Der Kombination von Speichern mit Solaranlagen gehört die Zukunft.
Stephan Nusseck,
Baywa RE

Foto: Inga Sommer Photographie

Simon Schandert,
Tesvolt

Foto: Tesvolt/M. Setzpfandt

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