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Rechtstipp

1.500 Meter Abstand und Unsicherheit

In NRW enthält der Entwurf des Landes­entwicklungsplans (LEP), Stand 17. April 2018, für die Windenergienutzung unter anderem Änderungen bei Abständen zur Wohnbebauung. Der Entwurf sieht im Grundsatz 10.2-3 vor, in Regionalplänen und kommunalen Flächen­nutzungsplänen einen Abstand von Windkraftanlagen „den örtlichen Verhältnissen angemessen“ von 1.500 m zu allgemeinen und reinen Wohngebieten einzuhalten. „Dies gilt nicht für den Ersatz von Altanlagen (Repowering).“ Laut der Begründung „empfiehlt“ der Grundsatz einen Vorsorgeabstand, soweit die örtlichen Verhältnisse dies ermöglichen.

Diese neue Vorgabe ist als „Grundsatz der Raumordnung“ ausgestaltet, der – anders als ein Ziel der Raumordnung – keine strikte Beachtens­pflicht, sondern laut Paragraph (§) 4 Abs. 1 ROG nur eine Berücksichtigungspflicht für die nachgeordneten Planungsstufen auslöst. Ein Grundsatz der Raumordnung ist der Abwägung zugänglich und kann sogar „weggewogen“ werden.

Der Entwurf des LEP befindet sich derzeit in der Öffentlichkeitsbeteiligung. Bis zum Inkrafttreten der Änderung – frühestens im Herbst 2018 – entfaltet der Grundsatz im Entwurf keine Bindungswirkung mit der Folge einer Berücksichtigungspflicht bei derzeit laufenden Planungen, da es sich bei Grundsätzen der Raumordnung im Entwurfsstadium nicht um „sonstige Erfordernisse der Raumordnung“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ROG handelt.

Die Änderungen begründet die Landes­regierung mit den Vorbehalten in der Bevölkerung gegenüber Windenergieanlagen und dem Ziel der Stärkung der kommunalen Entscheidungskompetenz. Es ist allerdings fraglich, ob die geplanten Änderungen des LEP, insbesondere die Vorgabe des 1.500-m-Abstands, diesen Zielen gerecht werden. Zum einen fehlt es dem Grundsatz 10.2-3 an klaren, widerspruchsfreien Vorgaben. So „soll“ ein angemessener Abstand zu Wohnnutzungen eingehalten werden; bei reinen und allgemeinen Wohngebieten „ist“ ein Abstand von 1.500 m zu Windenergieanlagen vorzusehen. Letzteres wird wiederum relativiert durch die Begründung „soweit die örtlichen Verhältnisse dies ermöglichen“.

Der LEP-Entwurf lässt Regionalplaner und Kommunen mit der Frage allein, was die örtlichen Verhältnisse ermöglichen und wann ein geringerer Abstand möglich ist beziehungsweise sogar gelten muss. Hier wird es wohl auf die bislang auch durchgeführte Abwägung der betroffenen Belange ankommen – Privilegierung der Wind­energienutzung im Außenbereich, Natur- und Landschaftsschutz, Schutz der Bevölkerung und vieles mehr. Dabei dürften in Bezug auf den Bevölkerungsschutz wie bisher Prüfungen nach immissionsschutzrechtlichen Maßstäben (Lärm, Verschattung) und dem Gebot der Rücksichtnahme die jeweils erforderlichen Abstände von Windturbinen vorgeben, die in vielen Fällen deutlich unter 1.500 m liegen dürften. Darüber hinaus ist zu befürchten, dass die Anwendung des 1.500-m-Abstands gerade in Kombination mit den weiteren geplanten Änderungen dazu führen wird, dass der Windkraftnutzung nicht der nach der ständigen Rechtsprechung erforderliche substanzielle Raum verschafft wird. Im Ergebnis kann daher bei einer Umsetzung der Änderungen nicht von einer gesteigerten Rechtssicherheit gesprochen werden, sondern eher von einer größeren Unsicherheit, insbesondere für die Regional­planer und Kommunen. Gerade diese aber trifft nach der Rechtsprechung das Risiko einer fehlerhaften Rechtsauslegung und zwar auch dann, wenn der Landesplaner ihnen entsprechende, gegebenenfalls fehlerhafte, Vorgaben macht.
Autor: Thoralf Herbold, Partner bei Görg Rechtsanwälte