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Windmarkt Polen: 10H-Regel weiter mit Ausnahmen bis 700 Meter

Herr Wysocki, was hat es mit der sogenannten 10H-Regel in Polen auf sich?

Jakub Wysocki: Die 10H-Regel wurde im Mai 2016 eingeführt. Sie schreibt vor, dass der Mindestabstand zwischen einer Windkraftanlage und Wohnbebauung das Zehnfache der Anlagenhöhe betragen muss – wie in Bayern. Diese Abstandsregel hat in der Praxis dazu geführt, dass rund 99 Prozent der sonst WKA-fähigen Landesfläche für neue Windprojekte ausgeschlossen wurden.

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Henning von Zanthier: Das Ergebnis war ein fast vollständiger Investitionsstopp im Onshore-Bereich. Die Zahl neuer Projekte sank um etwa 95 Prozent. Wirtschaftlich ging dem Land damit rund 10 Gigawatt potenzielle Leistung verloren.

Welche Regelung galt, bevor die 10H-Regel kam?

Wysocki: Vor 2016 gab es keine allgemeine gesetzliche Regelung hinsichtlich der Abstandsflächen. Maßgeblich waren jeweils die örtlichen Gegebenheiten. Dadurch war es beispielsweise möglich, Windenergieanlagen in einer Entfernung von 500 oder 600 Metern von Wohnbebauung zu errichten. Windkraftprojekte konnten damals auch ohne einen Raumordnungsplan genehmigt werden – auf Basis einer speziellen Bebauungsentscheidung. Nach der Reform war ein Raumordnungsplan zwingend erforderlich, und dessen Aufstellung in Polen in der Regel 12 bis 14 Monate dauert, in Einzelfällen jedoch bis zu zwei oder sogar drei Jahre in Anspruch nehmen kann. Das hat viele Projekte ausgebremst.

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Jakub Wysocki

VON ZANTHIER Rechtsanwälte

Jakub Wysocki

Gab es inzwischen Änderungen an dieser Regelung?

Wysocki: Ja, im Jahr 2023 wurde das Gesetz geändert. Gemeinden dürfen seitdem im Raumordnungsplan eine geringere Entfernung festlegen – mindestens 700 Meter. Dadurch wurde etwa 8 Prozent der sonst WKA-fähigen Landesfläche wieder für Windenergie nutzbar.

Von Zanthier: Die Regierung möchte eigentlich noch weitergehen und den Mindestabstand auf 500 Meter senken. Ein entsprechendes Gesetz wurde im Juli 2025 verabschiedet, aber Präsident Nawrocki  hat im August 2025  sein Veto eingelegt. Um das aufzuheben, braucht die Regierung eine Dreifünftelmehrheit – und die hat sie derzeit nicht. Deshalb gilt weiterhin: 10H-Regel mit Ausnahmen bis 700 Meter.

Wie groß ist der Anteil der Windenergie in Polen heute?

Wysocki: Windkraft trägt rund 14,7 Prozent zur Stromerzeugung bei. Die Photovoltaik ist mit 24,8 Gigawatt installierter Leistung  (nach den letzten Angaben des Polnischen Übertragungsnetzbetreibers PSE) bereits die stärkste erneuerbare Energiequelle, Wind folgt mit 11,7 Gigawatt.

Henning von Zanthier

VON ZANTHIER Rechtsanwälte

Henning von Zanthier

Von Zanthier: Es hat sich ein deutliches Umdenken vollzogen. Die polnische Bevölkerung sieht erneuerbare Energien heute überwiegend positiv – auch weil man unabhängiger werden will von Kohle und fossilen Importen. Die politische Haltung schwankt allerdings je nach Regierung.

Welche Bedeutung haben Offshore-Projekte und Atomenergie in Polen?

Wysocki: Offshore-Wind wird politisch stark unterstützt. Das erste große Projekt, Baltic Power, mit 1,2 Gigawatt soll Ende 2026 ans Netz gehen. Weitere Projekte folgen im Jahre 2027. Beim Thema Atomkraft setzt die Regierung ebenfalls auf Ausbau, die Umsetzung ist aber noch unklar. Aber es gibt bereits einen Standort für ein AKW.

Von Zanthier: Atomenergie ist aus unserer Sicht eher ein politisches Symbolprojekt. Erneuerbare Energien liefern flexiblere und wirtschaftlichere Lösungen – insbesondere an der Ostseeküste.

Wo liegen derzeit die größten praktischen Probleme?

Wysocki: Ganz klar beim Netzanschluss. In Polen werden 80 bis 90 Prozent aller Anschlussanträge abgelehnt, schlicht weil das Netz überlastet ist. Zwischen Antragstellung und verbindlicher Zusage liegen drei bis fünf Monate, die Anschlussbedingungen gelten dann zwei Jahre.

Von Zanthier: Seit 2023 ist aufgrund einer formellen Verordnung  immerhin sogenanntes cable Pooling erlaubt – also, dass etwa eine Wind- und eine PV-Anlage denselben Netzanschluss nutzen dürfen. Das ist ein wichtiger Schritt zur Entlastung, löst aber die grundlegenden Netzprobleme noch nicht.

Wie lange dauert es, ein Windparkprojekt in Polen umzusetzen?

Wysocki: Im Durchschnitt fünf bis sieben Jahre. Ein Großteil entfällt auf Umweltprüfungen und Raumordnungsplanung – allein ein vollständiges Umweltgutachten dauert bis zu 14 Monate. Hinzu kommen Einspruchsmöglichkeiten und gerichtliche Verfahren. Mit einem geeigneten Partner/Berater (einer Kanzlei mit Erfahrung in der Branche von erneuerbaren Energien) kann man die rechtlich-administrativen Komplexitäten schneller und ohne unnötigen Aufwand durchlaufen.

 Am 27.11.2025 findet in Posen, Polen, eine deutsch-polnische Konferenz zu erneuerbaren Energien statt. Mehr erfahren Sie hier.