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Braunkohle - ein Kommentar

Bundesregierung verschiebt Kohleausstieg weiter

Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann bilde einen Arbeitskreis. Jeder Beamte Was in jeder ordentlichen Amtsstube zu den Grundprinzipien der Arbeit zählt, wenn es darum geht, eine unliebsame Entscheidung zu fällen, hat sich auch die Bundesregierung zu Herzen genommen. Denn die unliebsame Entscheidung steht an. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung muss kommen. Sonst wird es nichts mit der Einhaltung der Versprechungen zum Erreichen der Klimaschutzziele.

Die Frage, um die sich die Groko in Berlin herumdrückt ist jetzt, wie sie das anstellen soll, ohne jemandem auf die Füße zu treten. Denn in der Energiewirtschaft sind viele Interessen unter einen Hut zu bringen. Da sind die Gewerkschaften, die um die Arbeitsplätze – und letztlich auch um die Mitgliederzahlen – bangen. Da ist die Industrie, die weiter billigsten Strom aus Uraltkraftwerken beziehen will, gleichgültig ob sie das Klima schädigen oder nicht. Da ist die alte Energiewirtschaft, die Probleme damit hat, sich auf eine konsequente Energiewende einzulassen und immer noch auf eine gesicherte Kraftwerksleistung pocht.

Rahmenbedingungen für Speicher verbessern

Diese wird in den kommenden Jahren aber ohnehin zurückgehen, die der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft nicht müde wird zu betonen. Zum einen, weil die Kraftwerke schlicht zu alt sind und außer Betrieb genommen werden müssen. Zum andere, weil sie kaum noch rentabel sind, seit die erneuerbaren Energien an der Börse für erhebliche Preisreduzierungen gesorgt haben. Die Interessenvertretung warnt inzwischen schon vor einer Unterdeckung. Deshalb muss diese gesicherte Kraftwerksleistung durch andere Technologien ersetzt werden. Denkbar sind hier vor allem Speicher jeglicher Art. Dazu gehören nicht nur Batterien, sondern auch Pumpspeicherkraftwerke, die derzeit nicht mehr rentabel sind. Dazu gehören aber auch Gaskraftwerke, die mit Biogas betrieben werden, was wiederum aus überschüssigem Solar- und Windstrom erzeugt wird. Dazu müssen aber endlich die Hürden für den Marktzugang abgebaut werden.

Doch genau diesen systemischen Ansatz jetzt endlich einmal bis zum Ende zu denken, traut man sich offensichtlich im Berliner Regierungsviertel nicht. Sicherlich sind dann die Strompreise höher, wenn am jetzigen System festgehalten wird. Doch wenn man die ganzen versteckten Subventionen, mit denen das alte System noch weiter beatmet wird, mit einrechnet, ist der Strompreis ohnehin viel höher als auf der Rechnung des Kunden ausgewiesen. Hier wäre der erste Ansatz, das jetzige Strommarktdesign – wenn man hier überhaupt von Markt sprechen kann – komplett über den Haufen zu werfen und ein neues Design zu schaffen, das der Energiewende auch gerecht wird. Vorschläge dazu liegen zuhauf auf dem Tisch.

Kohleregionen doppelt betroffen

Da sind aber auch die Umweltverbände und Ökostromversorger als Beteiligte in der Kommission, die endlich den Braunkohlestrom aus dem Netz haben wollen. Da sind aber auch betroffene Regionen – betroffen in doppelter Hinsicht. Einerseits hängen viele Arbeitsplätze an der Kohle. Andererseits wurden viele Ortschaften einfach mit abgebaggert, weil sie vor Jahrhunderten auf Gebieten errichtet wurden, in deren Erde der Brennstoff lagert.

Inzwischen sind auch vier Ministerien in die Sache involviert. Beim Wirtschafts- und beim Umweltminsiterium liegt die Sache auf der Hand, da man dort zumindest die Sachkompetenz vermuten könnte. Auch die Beteiligung des Arbeitsministeriums kann man durchaus als logische Konsequenz annehmen, wenn es darum geht, den Strukturwandel in den Kohleregionen in der Lausitz, im Rheinland und im mitteldeutschen Kohlerevier zu stemmen. So ist das nun mal, wenn man wirtschaftlich auf Monokulturen setzt und die gesamte Energieversorgung auf wenige Zentralen konzentriert. Hier kann die Energiewende Abhilfe schaffen, da sie ja gerade auf die Dezentralität setzt, so dass keine Region mehr allein oder zum großen Teil mehr von der Energieerzeugung abhängt.

Innenministerium beteiligt

Doch inzwischen ist auch das Innenministerium beteiligt. Hier fragt man sich schon, was das soll. Sicherlich lässt sich eine Begründung für die Beteiligung des Seehoferministeriums an den Haaren herbeiziehen und sei es nur die, dass auch die CSU in der Frage mitreden darf. Immerhin geht die Vertagung der Einsetzung der Kommission auf die bayerischen Christdemokraten zurück. Vielleicht soll ja der Ausstieg aus der Braunkohle auch geordnet und unter Polizeischutz vonstatten gehen. Doch es sieht eher danach aus, als ob das nur dazu dient, die ganze Sache noch weiter zu verschleppen. Immerhin hat die Bundesregierung eine Begründung für die Verzögerung selbst parat. „Wir sind uns in der Sache einig. Lediglich bei der Personalliste hat die Zeit nicht gereicht, alle Fragen final abzustimmen“, zitiert der Rundfunk Berlin-Brandenburg einen Regierungsvertreter. Das heißt konkret: Es ist alles gesagt, nur noch nicht von jedem.

Schon die Idee mit der Kommission ist eine Farce an sich. Ob die Bundesregierung nicht den Mut hat, einfach zu sagen, wir steigen aus der Braunkohle aus, oder ob es die völlige Hilflosigkeit der Groko ist, weil sie überhaupt keine Idee hat, wie sie aus der Kohleverstromung heraus kommt, sei einmal dahingestellt. Beides ist allerdings schon ein Armutszeugnis an sich. Doch dass sie aus der Kohlekraft aussteigen muss, steht letztlich außer Frage.

Verzögerung sorgt für mehr Probleme in den Regionen

In diesem Falle erweist sie aber den etwa 21.000 Menschen, deren Arbeitsplätze direkt oder indirekt von der Kohleverstromung abhängen, einen echten Bärendienst. Denn die Verzögerungstaktik hat zur Folge, dass dieser Ausstieg nur weiter nach hinten verschoben werden muss und dann um so schneller gehen muss, damit die Bundesregierung die Klimaschutzziele auch einhalten kann. Die Folgen für die betroffenen Regionen sind dann nicht mehr absehbar. Hingegen hat die langsame Stilllegung der Steinkohlebergwerke im Ruhrgebiet und im Saarland schon sehr viele Strukturbrüche mit sich gebracht. Das letzte Kohlebergwerk wird in diesem Jahr schließen, nachdem der Ausstieg aus der Verbrennung des Rohstoffs im Jahr 2007 beschlossen wurde. Nicht auszudenken was passiert, wenn ein solches Vorhaben dann in kürzester Zeit umgesetzt werden muss.

Dazu kommt noch, dass sich Deutschland in der Zwischenzeit eigentlich zwei parallele Energiesysteme leistet. Nichts ist teurer als das. Eine beschleunigte Energiewende spart nicht nur dem Stromkunden, sondern auch dem Steuerzahler viel Geld. Die Bundesregierung steht hier aber weiterhin auf der Bremse und die Verzögerung der Kohlekommission, die den Braunkohleausstieg dann ihrerseits auf die lange Bank diskutiert, müssen die Verbraucher teuer bezahlen. Und Fakt ist: An der Energiewende führt kein Weg vorbei, nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes. Auch wirtschaftlich haben die alten fossilen Kraftwerke auf lange Sicht keine Chance gegen die Ökostromanlagen. (Sven Ullrich)