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Milliarden Euro fürs Militär – und wie viel für den Klimaschutz? - Ein Kommentar

Es war ein Paukenschlag: 100 Milliarden Euro stellt die Bundesregierung mal eben für die Auf- oder auch nur für die Ausrüstung der Bundeswehr bereit. Als Sondervermögen. Also zusätzlich zu den 40 bis 50 Milliarden, die ohnehin schon in den Militärapparat fließen. Dazu kommt noch die Entscheidung, diese jährlichen Ausgaben nahezu zu verdoppeln – auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Da fragt man sich doch, wo kommt all das Geld plötzlich her? Hat die Bundesregierung geerbt? Für die Energiewende war jahrelang kein Geld da, alles zu teuer – obwohl die Bremse erst eingelegt wurde, als die Preise für Solar- und Windstrom deutlich nach unten gingen. Die Menschen sollten vor steigenden Energiepreisen durch Photovoltaik und Windkraft auch dann noch geschützt werden, als die beiden Technologien alle anderen Stromerzeugungssysteme preislich längst hinter sich gelassen hatten. Gleichzeitig wurde Erdgas als Brückentechnologie gehegt und gepflegt.

Investition im Ostseesand gestrandet

Inzwischen stellt sich die Sache anders dar. Welche einen Überraschung: Die steigenden Energiekosten für die Menschen gehen nicht auf die Erneuerbaren zurück, sondern auf die immensen Kosten fossiler Brennstoffe. Da brauchte es noch nicht einmal einen Angriffskrieg Russlands, um die Preisdynamik anzuheizen. Bis zum Schluss wurde gerungen um eine Gaspipeline durch die Ostsee, die sich ohnehin niemals rentiert hätte.

Dabei wäre diese von vorn herein niemals notwendig gewesen, wenn man den Ausbau der Erneuerbaren statt dessen vorangetrieben hätte. Fraglich zumindest, ob damit der Überfall Russlands gegen die Ukraine hätte verhindert werden können – sicherlich nicht. Aber es wäre mehr Platz für schnelle Sanktionen gewesen, ohne dass erst lange überlegt werden muss, wie man die dann doch noch notwendigen Gaslieferungen aus Russland bezahlt. Abgesehen davon, dass die Kriegskasse des Kreml sicherlich nicht so prall gefüllt gewesen wäre.

Bis zu 3,6 Milliarden Menschen in Gefahr

Aber noch viel wichtiger: Die Bundesrepublik hätte ihren Anteil geleistet, den Klimawandel zu verhindern. Denn dieser schreitet dramatisch schnell voran, wie die Klimaforscher aus aller Welt in ihrem neusten Bericht festgestellt haben. Zwischen 3,3 und 3,6 Milliarden Menschen werden in den nächsten 20 Jahren direkt und hart von Klimawandel betroffen sein. Dabei ist das Risiko für Menschen im globalen Süden, also in Afrika, Südostasien, Mittel- und Südamerika, größer, den Effekt des Klimawandels direkt an der eigenen Haut zu spüren als in den Ländern Europas oder Nordamerikas. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse des neuen Berichts des Weltklimarates IPCC.

Doch auch Europa wird nicht ungeschoren davonkommen. Die ersten Auswirkungen sind jetzt schon zu spüren und werden viel Geld kosten.

1,5 Grad in 20 Jahren erreicht und überboten

Der Grund für diese düstere Prognose: Die Welt steuert auf eine Erderwärmung um 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu. Das Handlungsfenster schließt sich unaufhörlich. Es wird in einigen Regionen in den nächsten Jahren sogar zu einem zeitweisen Temperaturanstieg von mehr als 1,5 Grad kommen, mit nicht wieder gutzumachenden Auswirkungen auf die Umwelt. Da mutet es vielleicht sogar schon ansatzweise zynisch an, dass gewaltsame Konflikte und die weltweiten Fluchtbewegungen in den nächsten Jahren nicht auf den Klimawandel, sondern vor allem auf sozioökonomische Faktoren zurückzuführen sind.

Die grüne Stadt als Chance

Es gibt keine Zeit, weiter zu warten. Der Umbau der Energieversorgung muss jetzt beginnen und mit Hochdruck voranschreiten. Der Klimaschutz muss und kann dabei mit der Versorgungssicherheit zusammen gedacht werden. Da wäre beispielsweise ein sofortiges Verbot des Einbaus von neuen Öl- und Gaskesseln in den Heizungskellern durchaus möglich. Statt dessen bekommen die Gebäude eine Solaranlage aufs Dach und eine Wärmepumpe in den Keller – oder man baut gleich volleelektrisch und treibt dies mit Solarstrom an.

Denn – auch das geht aus dem aktuellen Bericht des IPCC hervor – die wachsende Verstädterung ist nicht nur ein Risiko für steigende Erderwärmung. „Städte bieten auch Chancen für den Klimaschutz – grüne Gebäude, eine nachhaltige Versorgung mit sauberem Wasser und erneuerbarer Energie sowie nachhaltige Verkehrssysteme, die städtische und ländliche Gebiete miteinander verbinden, können zu einer integrativeren und gerechteren Gesellschaft führen“, weiß Debra Roberts, stellvertretende Vorsitzende des IPCC.

Am Kohleausstieg festhalten

Auch dem schnelleren Ausbau der Photovoltaik und der Windkraft an sich steht nichts im Wege außer die Befindlichkeiten der Jünger der alten Energiewirtschaft. Ein Nachdenken über eine Verlängerung der Kohleverstromung über das Jahr 2030 hinaus ist da sicherlich nicht hilfreich – nicht für die Stromkunden, nicht fürs Klima, aber auch nicht für die Menschen in den Braunkohleregionen, denen dann wieder Hoffnung gemacht wird und für die sich der Strukturwandel in unerträgliche Länge ziehen würde. Eine Simulationsstudie der Energy Watch Group hat gezeigt, dass Brandenburg als größter Braunkohlestandort bis 2030 auch ohne Erdgas klimaneutral sein kann, wenn die Weichen entsprechend gestellt werden.

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Ende der Halbherzigkeit

Und sie müssen gestellt werden. Denn: „Halbherzigkeit ist nicht länger eine Option“, betont Hoesung Lee, Vorsitzender des IPCC, bei der Vorstellung des aktuellen Berichts. Sicherlich ist da nicht allein die Energiewende wichtig, um den Klimawandel aufzuhalten, wie der Bericht ebenfalls zeigt. So ist auch eine Ausweitung von Schutzgebieten an Land und auf dem Meer dringend notwendig, um sogenannte CO2-Senken zu schaffen, also Regionen, in denen Fähigkeit der Ntur genutzt wird, selbst Kohlendioxid zu absorbieren und zu speichern, wie es der stellvertretende Vorsitzende des IPCC Hans-Otto Pötter ausdrückt.

Doch jede vermiedene Tonne CO2-Emissionen braucht erst gar nicht eingespeichert zu werden. Hier kann Deutschland viel leisten, wenn jetzt konsequent aus- und umgebaut wird. Auch wenn Deutschland nur etwa zwei Prozent der jährlichen CO2-Emissionen direkt verursacht, steht es mit einem Anteil an der Weltbevölkerung von knapp einem Prozent nicht unbedingt als Musterland des Klimaschutzes da. Das muss und kann sich dringend ändern.

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