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Mehr Vielfalt bei Grünstromverträgen

Auch wenn es inzwischen eine Vielzahl an Stromlieferverträgen (PPA) gibt, zu einer wirklichen Standardisierung ist es bislang nicht gekommen. Zwar haben sich verschiedene Vertragsstandards entwickelt, die die meisten PPAs erfüllen. Ausgangspunkt waren zu Beginn bei Windenergieanlagen Direktvermarktungsverträge, die zum Beispiel für den Post-EEG-Weiterbetrieb in der sonstigen Direktvermarktung auf Festpreisbasis weiterentwickelt wurden. Bei neuen Solaranlagen wurden wiederum Vertragsmechanismen aus internationalen PPAs integriert, da das PPA Finanzierungsfunktion übernimmt und vor Baubeginn und als Basis für die Projektfinanzierungsentscheidung geschlossen wird. Deshalb liegt besonderes Augenmerk auf Themen wie Lieferverzug (Delay), Leistungsreduzierungen (Capacity Shortfall) oder Sicherheiten (Credit Support). Inzwischen kommen diese Verträge aufgrund der hohen Börsenpreise auch bei neuen, im Rahmen von Ausschreibungen bezuschlagten Windprojekten zumindest in einer Anfangsphase zum Einsatz.

Im Detail gibt es aber erhebliche Unterschiede und die Risikoverteilung fällt sehr unterschiedlich aus und nicht sämtliche Risiken aus Betreibersicht sind auf den ersten Blick erkennbar. Immerhin hat sich aus Betreibersicht eine Art Standard-Lieferstruktur herausgebildet: Bei Utillity-PPAs, also einem sogenannten Upstream-PPA mit einem Energieversorgungsunternehmen als Abnehmer und Weiterverteiler, ist das eine Pay-as-Produced-Lieferstruktur mit Festpreis je Megawattstunde (MWh) und einer gewissen Mengenabsicherung. Dies ist für den Betreiber der Erneuerbaren-Anlage als Lieferant die wohl unkomplizierteste Abrede und der „normalen“ Direktvermarktung am nächsten. Da das Unternehmen die Liefermengen und den Festpreis meist durch Letztverbraucherbelieferung (Downstream) absichert, da die Terminmärkte über die Vertragslaufzeit von häufig rund zehn Jahren nicht hinreichend liquide sind, besteht das Uunternehmen meist auf einer gewissen Mengenzusage, etwa in Form einer Verfügbarkeitsgarantie oder Absicherung einer zum Beispiel jährlichen Mindestliefermenge gemäß Ertragsgutachten.

Bei neuen Solaranlagen wurden wiederum Vertragsmechanismen aus internationalen PPAs integriert, da das PPA eine Finanzierungsfunktion übernimmt.

Zwischenzeitlich haben Abschlüsse von sogenannten Corporate PPA stark zugenommen. Dies ist auch ein Beleg von Marktreife und dass die Lernkurve der Industriekunden, die sich ESG-compliant vergrünen und über PPA-Herkunftsnachweise („HKN“) beschaffen müssen, gestiegen ist. Bei Corporate PPA besteht für die Unternehmen insbesondere die Schwierigkeit, die Stromlieferung in ihr Beschaffungsportfolio einzubetten, da die wenigsten Unternehmen über eigene Bilanzkreise verfügen und die Marktlokation der Regenerativ-Anlage des Lieferanten nicht direkt dem Letztverbraucher-Bilanzkreis zugeordnet werden können. Deshalb wird in Corporate PPAs typischerweise Pay-as-Forecasted beziehungsweise Pay-as-Nominated geliefert. Hier wird meist auf den Day-Ahead-Forecast, das heißt die Erzeugungsprognose für den Folgetag, abgestellt und nur diese prognostizierte Menge am Folgetag geliefert. Aus Betreibersicht muss deshalb ein Dienstleister involviert werden, der sich um die Bilanzkreisabwicklung und Mehr- und Mindermengenbeschaffung kümmert.

Risikoabsicherung bei PPA?

Bei neuen PV-Projekten hat das PPA Finanzierungsfunktion und muss deshalb auch den Anforderungen der finanzierenden Bank entsprechen. Bei neuen Windprojekten gilt dies nur eingeschränkt, da in der Regel ein Zuschlag aus einer Ausschreibung als „Fallschirm“ dient. Die Mechanismen zur Risikoverteilung und -absicherung sind aktuell stark abhängig von den Projektbeteiligten und deren Bonität, Know-how und Risikobereitschaft beziehungsweise -aversität, was sich jeweils auf den PPA-Preis auswirkt.

Dabei müssen in PPAs einige Themen vertraglich geregelt werden, die im Rahmen eines gewöhnlichen Direktvermarktungsvertrags (im Marktprämienmodell) schon über das EEG vorgegeben sind. Denn die technischen beziehungsweise regulatorischen Anforderungen des EEG und sonstiger gesetzlicher Anforderungen an den Anlagenbetrieb müssen auch bei PPA Projekten eingehalten werden (Fernsteuerbarkeit, Redispatch oder REMIT). Im Übrigen müssen die verschiedenen Projekt-, Mengen- und Marktrisiken im Rahmen des PPA zwischen den jeweils beteiligten Parteien angemessen verteilt werden, um die Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit über einen langen Zeitraum von regelmäßig rund 10 Jahren, in Einzelfällen bei PV-Projekten (und in besonderen Lieferkonstellationen aber auch Windprojekten) aber auch bis zu oder sogar länger als 20 Jahren, abzusichern. Bei Vertragsschlüssen jenseits von 10 Jahren sind zudem AGB- und wettbewerbsrechtliche Aspekte besonders zu beachten.

Typische Mechanismen zur Risikoabsicherung sind die Mengenabsicherung (zum Beispiel über Verfügbarkeitsgarantien), Preisanpassungen (zum Beispiel durch Indexierung oder Anpassung an steigende Dienstleistungsentgelte für das Bilanzkreismanagement), Sicherheitenstellung sowie in möglichst eng abgegrenzten Fällen auch durch außerordentliche Kündigungsrechte mit der Pflicht zur Zahlung von Kündigungsschadensersatz (Termination Amount) auf pauschalierter Basis oder nach marktüblichen Mark-to-market Klauseln.

Aktuelle Entwicklungen

Die seit rund einem Jahr besonders hohen und volatilen Strombörsenpreise haben zu einer erheblichen Marktveränderung geführt. Einerseits zu hohen Abschlüssen von Verträgen beziehungsweise Vertragsänderungen, wodurch die Vermarktung selbst von geförderten EEG-Anlagen vorübergehend zu festen Preisen über PPA abgesichert wird (Direktvermarktung 2.0). Inzwischen führen die hohen und volatilen Strompreise und Ankündigungen von politischen Eingriffen aber auch zu zögerlicherem Verhalten. Ein Abschluss zu besonders hohen Preisen birgt erhebliche finanzielle Risiken vor allem auf Abnehmerseite, die abgesichert werden müssen. Denn mit hohen Strommarktpreisen kommt es zwangsläufig auch vergleichbar hohen Ausgleichsenergiekosten. Dies hat auch Auswirkungen auf die Dienstleistungsentgelte, die Dienstleister etwa für das Bilanzkreismanagement verlangen und die nur noch selten über längere Zeiträume fixiert sondern dynamisch ausgestaltet werden.

Zudem ist es zu einer Vielzahl an finanziellen Abnahme- und Absicherungsangeboten gekommen, wonach kein Strom geliefert und abgenommen wird, sondern lediglich Marktpreisentwicklungen abgesichert und finanziell abgewickelt werden. Dabei handelt es sich häufig um sog. Finanzinstrumente, die zum Beispiel nach dem Kreditwesengesetz (KWG) aufsichtsrechtlich zu beleuchten sind und häufig zusätzliche Reporting-Pflichten auslösen.

Gewinnabschöpfung EU

Aktuell steht aufgrund der anhaltend hohen Strompreise eine Gewinnabschöpfung im Raum. Durch Einführung einer Obergrenze sollen Überschuss-erlöse von Stromerzeugern mit niedrigen Gestehungskosten (inframarginale Erzeuger, die nach Merit-Order nicht preissetzend sind), zum Beispiel erneuerbare Energien, Kernenergie oder Braunkohle, eingezogen werden. Am 8. Oktober ist die EU Verordnung des Rates über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise in Kraft getreten, die eine Abschöpfung ab erzielten Markterlösen von 180 Euro pro MWh vorsieht. Die genaue Umsetzung obliegt allerdings den Mitgliedstaaten. Deshalb ist noch unklar, wie die Bundesregierung eine Gewinnabschöpfung umsetzt und ob auf Basis von PPAs kontrahierte Erlöse erfasst werden.

Daniel Breuer
 

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Marleen Rheker
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