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Methangasgewinnung

Auf dem Holzweg

Einer der großen Wachstumsmärkte im Bereich der erneuerbaren Energien sind derzeit Anlagen zur Erzeugung von Biomethan durch die anaerobe Fermentation für die Einspeisung ins Erdgasnetz. Trotz der hohen Kosten für die Erzeugung des Biomethans von 8–10 Cent/kWh nimmt die Zahl der Anlagen stetig zu. Im Jahr 2009 waren bundesweit bereits 23 Biogasanlagen mit Erdgaseinspeisung in Betrieb, 36 weitere in Bau oder Planung. Motivation für diesen Trend sind das Erneuerbare Energien Gesetz und der Bedarf an „grünem“ Erdgas, das es den Gasversorgern erlaubt, ihren Kunden Gas aus regenerativen und CO2-freien Quellen anzubieten.

Biomethan aus der anaeroben Fermentation in Biogasanlagen unterlag in der Vergangenheit stets besonders hohen logistischen und wirtschaftlichen Hürden für die Bereitstellung der eingesetzten landwirtschaftlichen Substrate wie Mais oder Gülle. Erdgasersatz aus Festbrennstoffen wie Holz hätte den wesentlichen Vorteil, dass zum einen die verfügbaren Potenziale erheblich größer sind und auch die Holzpreise in der Vergangenheit deutlich geringeren Schwankungen ausgesetzt waren, als die Preise landwirtschaftlicher Produkte. Zudem ist die in der Öffentlichkeit diskutierte Nahrungsmittelkonkurrenz nicht unmittelbar gegeben. Der entscheidende Vorteil besteht allerdings darin, dass die Möglichkeiten zur Abwärmenutzung bei Anlagen zur Erzeugung von Erdgas aus Holz erheblich besser sind. Zum einen fällt die Abwärme auf deutlich höherem Temperaturniveau an und zum anderen können Anlagen für die Methanierung von Holz im Gegensatz zu Biogasanlagen aufgrund des weitaus geringeren Platzbedarfs und der verminderten Geruchsproblematik verbrauchernah errichtet werden. Die Vision, Bioenergie durch das existierende Erdgasnetz zu transportieren und es in städtischen Ballungsräumen ohne Feinstaubproblematik nutzbar zu machen, eröffnet der Gaswirtschaft völlig neue Perspektiven.

Stand der Technik


Bei der heute verbreiteten Erzeugung von Biomethan aus landwirtschaftlichen Substraten über eine Silage und Vergärung (anaerobe Fermentation) entsteht ein Roh-Biomethan, das überwiegend aus Methan und Kohlendioxid besteht. Das Roh-Biomethan muss anschließend durch eine CO2-Abtrennung auf Erdgasqualität aufbereitet werden. Die Wärmeverluste aus Silage und Fermentation sind nicht weiter nutzbar und limitieren deshalb den Wirkungsgrad für die gesamte Prozesskette auf rund 50 bis 60 Prozent.

Bei der Erzeugung von synthetischem Erdgas (SNG = Substitute Natural Gas) aus kohlenstoffhaltigen Brennstoffen entsteht dagegen beispielsweise aus dem Festbrennstoff Holz durch eine thermische Vergasung im ersten Schritt ein so genanntes „Synthesegas“, aus dem in einem nachgeschalteten Prozessschritt Methan synthetisiert wird. Im Gegensatz zur anaeroben Fermentation entstehen im ersten Prozessschritt – bei der thermischen Vergasung also nur geringe Mengen – Methan. Allerdings erlaubt der hohe Wasserstoff- und Kohlenmonoxid-Gehalt eine vergleichsweise einfache Umwandlung dieser Gasbestandteile in Methan. Deutlich höhere Gesamtwirkungsgrade ergeben sich dadurch, dass die Abwärme bei der SNG-Erzeugung auf hohem Temperaturniveau anfällt und vor Ort genutzt werden kann.

Wissen liegt 100 Jahre zurück


Prinzipiell ist die Methanierung von Synthesegasen, also von Gasgemischen aus Wasserstoff (H2) und Kohlenmonoxid (CO), eine sehr alte Technologie. Bereits 1902 entdeckte Paul Sabatier die Methanierung und die heute nach ihm benannte „Sabatier-Reaktion“. Im Jahr 1912 erhielt er dafür den Chemie-Nobelpreis. Paul Sabatier „zeigte, daß bei Gegenwart von feinverteiltem Nickel Kohlenoxyd mit seinem dreifachen Volumen Wasserstoff praktisch vollständig in Methan unter Bildung von Wasser umgewandelt werden kann“. Auch am Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr beschäftigten sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Franz Fischer und Hans Tropsch mit der Methanierung von Synthesegas aus der Kohlevergasung und entdeckten bei diesen Versuchen, dass sich bei Verwendung eines geeigneten Katalysators neben Methan auch langkettige Kohlenwasserstoffe synthetisieren lassen. Die Entdeckung der Fischer-Tropsch-Synthese geht also auf Arbeiten zur Methanierung zurück.
Bei der Methanierung von Synthesegasen laufen prinzipiell zwei Reaktionen ab, die Methanierungs- bzw. Methanisierungs-Reaktion   

CO + 3H2           ∆H = –206,2 kJ/mol      CH4 + H2O
     –––––––––––––––––––O

und die „Sabatier-Reaktion“   

CO + 4H2           ∆H = –247,4 kJ/mol      CH4 + H2O
     –––––––––––––––––––O

Nickel-Katalysatoren ermöglichen bei ei-nem H2 : CO-Verhältnis von 3 : 1 bei Temperaturen um 250 °C einen nahezu vollständigen Umsatz des Synthesegases. Die technische Herausforderung besteht darin, dass beide Reaktionen stark exotherm sind. Ohne besondere Maßnahmen zur Kühlung der Reaktoren oder zur Moderation der Reaktion, beispielsweise durch eine Produktgasrezirkulation, würde sich das Produktgas bei der Reaktion auf Temperaturen bis über 600 °C erwärmen und den Katalysator zerstören. Zudem verschieben sich die thermodynamischen Gleichgewichte bei hohen Temperaturen hin zu den Edukten H2 und CO, so dass eine ausreichend hohe Methanausbeute nur bei Temperaturen unter 300 °C erzielt werden kann. In den 70er und 80er Jahren wurden in den USA und in Deutschland zahlreiche Reaktor- und Verfahrenskonzepte erarbeitet, die sich allerdings kommerziell nicht durchsetzten. Einzig in den USA wurde 1984 eine großtechnische Anlage zur Methanierung von Braunkohle in Betrieb genommen (Great Plains Synfuels Plant, Dakota Gas Company) und erzeugt bis heute synthetisches Erdgas, das ins nordamerikanische Erdgasnetz eingespeist wird. In Europa wurden in den letzten Jahren Arbeiten zur Methanierung biogener Synthesegase begonnen.

Früchte eines EU-Projektes


Federführend sind dabei die Arbeiten des Paul-Scherrer-Instituts, Schweiz, das im Rahmen des EU-Projektes BioSNG ein Konzept für die Methanierung in katalytisch aktiven Wirbelschichten erarbeitete. Diese Technologie wurde am Biomasse-Heizkraftwerk Güssing im Maßstab von einem Megawatt aufgebaut und 2009 in Betrieb genommen. Zurzeit wird außerdem die Realisierung einer 30-MW-Biomethananlage im schwedischen Göteborg diskutiert. Weitere Arbeiten zur Methanierung von biogenen Synthesegasen werden am ZSW, Stuttgart, der ECN Niederlande und am Institut für Wärmetechnik der TU Graz in Zusammenarbeit mit der Firma Agnion, Pfaffenhofen an der Ilm, durchgeführt.

Voraussetzung für die Methanierung von Holz ist eine geegnete Vergasungstechnologie. Bei der Vergasung wird zunächst Biomasse mit der allgemeinen Summenformel CHnOm in ein aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid bestehendes Synthesegas umgewandelt. Aus der Stöchiometrie der allgemeinen Reaktionsgleichung für die Methanierung von Biomasse mit der Summenformel CH1,23O0,38

CH1,23O0,38 + 0,5025 H2O -- gt; 0,55875 CH4 +0,44125 C2O

wird deutlich, dass dem Prozess Wasser bzw. Wasserdampf zugeführt und Kohlendioxid abgeführt werden muss. Daraus ergeben sich prinzipiell zwei unterschiedliche Prozessführungen: Entweder wird das CO2 wie bei großtechnischen Synthesen üblich aus dem Synthesegas oder wie bei dem vom ZSW Stuttgart vorgeschlagenen AER-Prozess bereits im Vergaser entfernt, oder es muss analog zur Aufbereitung von Biogas nach der Methanierungsstufe aus dem Roh-SNG abgeführt werden. Der Vorteil der ersten Möglichkeit besteht darin, dass die Methanierungsstufe bereits ein weitgehend einspeisefähiges Gas erzeugt. Der Vorteil der zweiten Variante besteht darin, dass der Methanierreaktor mit einem deutlich höheren Wasserdampfüberschuss betrieben werden kann ohne gleichzeitig einen unzulässig hohen Wasserstoffschlupf zu provozieren. Durch den Wasserdampfüberschuss wird ein Kernproblem der Methanierung, die Kohlenstoffbildung an den Katalysatoren, wesentlich gemindert.

Besonders vorteilhaft für die Erzeugung von synthetischem Erdgas ist die so genannte allotherme Wasserdampfvergasung oder Reformierung, da mit diesem Verfahren ein Synthesegas erzeugt wird, dessen Zusammensetzung sich ideal für die nachgeschaltete Methanierung eignet. Aus diesem Grund fokussiert sich die Firma Agnion auf die Synthese von Substitute Natural Gas. Agnion betreibt derzeit am Standort des Biomasse-Heizkraftwerks Pfaffenhofen einen 500-kW-Prototypen der zuvor an der TU München entwickelten Heatpipe-Reformer-Techno-logie. Die Heatpipe-Reformer-Technolo-gie ist wie die Biomassevergasung im österreichischen Güssing eine der wenigen Technologien zur Realisierung einer allothermen Wasserdampfvergasung. Das Kernproblem der allothermen Wasserdampfvergasung ist der Wärmeeintrag in den eigentlichen Vergaser. Im Gegensatz zu herkömmlichen autothermen Luftvergasern wird das entstehende Holzgas bei der Wasserdampfvergasung durch die Wärmezufuhr von außen nicht mit Luft-Stickstoff verdünnt. Es entsteht ein „Synthesegas“, das im Gegensatz zum „Holzgas“ herkömmlicher Vergaser aufgrund des hohen Wasserstoffanteils und des fehlenden Stickstoffs für Synthesen genutzt werden kann. Der Heatpipe-Reformer löst das Kernproblem der allothermen Vergasung – die Wärmezufuhr in den Vergasungsreaktor – durch eine indirekte Beheizung mit Wärmeleitrohren, so genannten Heatpipes.

Holz-Methan-Wirkungsgrad


Die Energiebilanz der Methanierung ist wie jede Synthese dadurch gekennzeichnet, dass in jeder Prozessstufe Verluste unvermeidbar sind. Exotherme Reaktionen, wie die Shift-Reaktion oder die Methanierungs-Reaktion erzeugen Abwärme, deren Energieinhalt im Synthese-Produkt nicht mehr als chemisch gebundene Ener-gie zur Verfügung stehen kann. Für die Methanierung bedeutet das, dass nur ca. 60 Prozent der dem Prozess mit der Biomasse zugeführten chemisch gebundenen Energie im Substitue Natural Gas als chemisch gebundene Energie bzw. im Heizwert erhalten bleiben.

Immerhin fällt die Abwärme der Vergasung und Methanierung auf einem Temperaturniveau von 200 bis 400 °C an und steht daher weitgehend für die Erzeugung von Nutzwärme zur Verfügung. Das hohe Temperaturniveau der Abwärme legt es also nahe, mit der SNG-Erzeugung eine Nutzwärmeerzeugung zu verbinden. Die daraus resultierende Stoff-Wärme-Kopplung (Polygeneration) ist wie die Kraft-Wärme-Kopplung auch, geeignet die Wirtschaftlichkeit einer Anlage entscheidend zu verbessern. Aus diesem Grund werden kleinere, dezentrale Anlagen besonders lukrativ, da bei Kleinanlagen eine effiziente Wärmenutzung mit hoher Anlagenauslastung übers Jahr in der Regel leichter zu realisieren ist. Zudem können mit verbrauchernahen Kleinanlagen höhere Wärmeerlöse realisiert werden.

Besonders lukrativ ist die Option, nicht nur die Abwärme der Vergasung und der Methanierung, sondern auch die Kondensationswärme des im Rohgas enthaltenen Wasserdampfes zu nutzen. Das Roh-SNG besteht bis zu 50 Vol.-Prozent aus Wasserdampf, der etwa zehn Prozent der dem Prozess zugeführten Energie als latente Wärme beinhaltet. Ein Alleinstellungsmerkmal der Heatpipe-Reformer-Technologie besteht darin, dass diese latente Wärme verwertet werden kann. Da der Prozess bei einem Druck von 5 bar betrieben wird, kann der im Roh-SNG enthaltene Wasserdampf auf einem hohen Temperaturniveau von rund 120 °C kondensiert werden. Analog zur Brennwerttechnik sind damit theoretisch Gesamtnutzungsgrade von weit über 90 Prozent möglich.

Holz: Als Gas noch effizienter


Dadurch, dass Erdgas stets mit deutlich höheren Wirkungsgraden genutzt werden kann als der Festbrennstoff Biomasse, ergeben sich über die Methanierung oft deutlich effizientere Prozessketten, als mit der direkten Nutzung der Biomasse. So kann Erdgas bei der Stromerzeugung in einem Gas- und Dampf-Kraftwerk beispielsweise mit bis zu 60 Prozent in elektrische Energie umgewandelt werden, wogegen mit dem Festbrennstoff Holz eine Nutzung mit 30 Prozent (netto) bereits schwer zu realisieren ist. Auch die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung mit der Nutzung des SNG in Gasmotoren wird deutlich effizienter als die im Leistungsbereich unter einem Megawatt üblichen ORC-Prozesse.

Selbst die Nutzwärmeerzeugung aus SNG ist mit herkömmlichen Nutzungspfaden konkurrenzfähig: Wird vor Ort (dezentral) die Abwärme der Methanierung genutzt und das erzeugte Gas in städtischen Ballungsräumen mit üblichen Brennwertthermen (Wirkungsgrad 105 Prozent bezogen auf den Heizwert) verbrannt, ergibt sich ein Gesamtnutzungsgrad von 93 Prozent, der beispielsweise bei einer Nutzung mit konventionellen Hackschnitzel-Heizwerken aufgrund von Kessel- und Netzverlusten bei weitem nicht erreicht wird.

Ein wesentlicher Vorteil der Methanierung gegenüber der direkten Nutzung von biogenen Synthesegasen konnte in Laborversuchen an der TU Graz nachgewiesen werden. Bei geeigneter Prozessführung werden die im Synthesegas aus der Biomassevergasung enthaltenen höheren Kohlenwasserstoffe, die so genannten „Teere“ nahezu vollständig umgesetzt und sind nach dem Methanier-reaktor gravimetrisch nicht mehr nachweisbar. Bei diesen Versuchen wurden Festbettkatalysatoren bis zu 100 Stunden mit teerbeladenem Synthesegas aus einer Wirbelschichtvergasung beaufschlagt.

Neben der Einspeisung eines auf Erdgasqualität aufbereiteten SNGs besteht für größere Gasverbraucher auch die Möglichkeit, das teerhaltige Synthesegas eines allothermen Vergasers unmittelbar zu verfeuern, um teures Erdgas zu substituieren. Auch eine Nutzung des nach der Methanierungsstufe vorliegenden CO2-haltigen Roh-SNGs als Ersatzbrennstoff kann vorteilhaft sein. Dieses Roh-SNG ist teerfrei und weist je nach Wasserdampfgehalt Heizwerte von 20.000 bis 40.000 kJ/kg auf. Der wesentliche Vorteil des Roh-SNG gegenüber Synthesegas besteht darin, dass es weitestgehend teerfrei ist, also nach einer Trocknung ohne weitere Aufbereitung auch in unbeheizten Gasleitungen gefördert werden kann. Es kann so Biogas in Mikrogasnetzen oder beispielsweise Schwachgas in Grubengasnetzen unmittelbar substituieren und ermöglicht größeren Verbrauchern eine einfache Reduktion der CO2-Emissionen.

Agnion schätzt die Kosten für die Erzeugung von SNG aus Holzhackschnitzeln für Anlagen im 1-MW-Maßstab auf 8–10 Cent/kWh. Diese sind zwar mit den
Kosten der Erzeugung von Biomethan vergleichbar, zu fossilem Erdgas aber noch nicht konkurrenzfähig. Die historische Entwicklung der Erdgaspreise macht allerdings die enge Kopplung an den Rohölpreis deutlich. Der bislang höchste Rohölpreis von beinahe 150 US-Dollar pro Barrel (Sommer 2008) entspricht umgerechnet auf die europäische Währung einem Energiepreis von 7 Cent/kWh. Steigt der Rohölpreis dauerhaft über die Marke von 100 US-Dollar pro Barrel, ist in Deutschland für Industriekunden mit Erdgaspreisen von 5–6 Cent/kWh zu rechnen. Für private Haushalte wird der Preis dann zwischen 8 und 10 Cent/kWh liegen. Beim vielfach prognostizierten Erdölpreis von über 200 US-Dollar pro Barrel würde Erdgas selbst für industrielle Großkunden deutlich über 10 Cent/kWh kosten. Damit wäre die Erzeugung von SNG aus Biomasse selbst ohne Förderung durch das Erneuerbare Energien Gesetz wirtschaftlich darstellbar.