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Untersuchung

Kühlen im großen Stil

Die Hochschule Offenburg begleitet seit Juli 2006 in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut ISE in Freiburg die solar unterstützte Klimatisierung der Festo AG amp; Co. KG in Esslingen. Die Anlage wurde im Rahmen des Forschungsvorhabens Solarthermie2000plus vom Bundesumweltministerium gefördert. Da­bei wurde die bereits bestehende Adsorptionskälteanlage, die bisher mit Gaskesseln und Kompressorenabwärme betrieben wurde, durch eine Solaranlage als dritte Wärmequelle ergänzt. Eine Besonderheit dieses Solarsystems ist, dass im Kollektorkreis nur Wasser zirkuliert und die Frostsicherheit über eine Frostschutzregelung der Kollektorkreispumpe gewährleistet ist. Hierdurch ist auch kein Wärmetauscher notwendig, der den Glykolkreislauf vom Wasserkreis trennt. Das Solarsystem setzt sich aus einem Kollektorfeld mit 1330 Quadratmetern (m²) Bruttokollektorfläche, CPC-Vakuum­röhrenkollektoren der Firma Paradigma und zwei Pufferspeichern à 8,5 Kubik­metern (m³) zusammen. Zur Kälteerzeugung werden drei Adsorptionskältemaschinen mit je 353 Kilowatt (kW) Nennkälteleis­tung eingesetzt. Solarsystem und Kälteanlage sind über das Heizungssystem mittels diverser Verteiler mitein­ander verbunden.
Zusätzlich wurde die Solaranlage an die Bauteiltemperierung eines neuen Gebäudes angeschlossen, um außerhalb der Betriebszeiten der Kältemaschinen die Solarwärme optimal bei niedrigen Rücklauftemperaturen nutzen zu können.

Mit Hilfe von 81 Sensoren wird ein Detailmonitoring des Solar- und Kälteanlagenbetriebs ermöglicht. Nach Beendigung des Probebetriebs konnte im August 2008 das erste Intensivmessjahr gestartet werden. Zusammen mit der Probebetriebsphase ab Juni 2008 stehen aktuell Messdaten und Betriebserfahrungen für einen Zeitraum von annähernd zwei Jahren zur Verfügung. Vom Kollektorhersteller wurde für die Anlage eine Garantie von 500 Megawattstunden pro Jahr (MWh/a) und 411 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m²a) für die in die Solarspeicher eingespeiste Energie bei einem Nutzungsgrad von 33,5 Prozent angegeben. Die Messungen im Intensivmessjahr vom 1. August 2008 bis 31. Juli 2009 ergaben einen Ertrag von 543 MWh/a bei einem Nutzungsgrad im Kollektorkreis von 34,7 Prozent, womit die Energiegarantie deutlich erfüllt ist.

Die Messergebnisse


Im Fünf-Minutentakt werden die Mess­werte der Sensoren erfasst und täglich von der Hochschule Offenburg abgerufen. Bis auf wenige Störungen liegen aus dem bisherigen Anlagenbetrieb vollständige Messdaten vor. Die wichtigsten Messdaten sind auf Seite 58 unten dargestellt. Die im Text genannten spezifischen Werte beziehen sich auf die Aperturfläche von 1218 m². In 2009 konnten bei einer solaren Strahlungsmenge auf das Kollektorfeld von 1628 MWh (1337 kWh/m²), 586 MWh (481 kWh/m²) an Wärme in die Solarspeicher eingespeist weden. Das entspricht einem Nutzungsgrad von 36 Prozent. Hier wurde bereits die Wärmemenge, die an Anfahr- und Frostschutzverlusten (insgesamt 61 MWh bzw. 50 kWh/m²) entstanden ist, abgezogen. Auf der Entladeseite konnte den Speichern 533 MWh (438 kWh/m²) Wärme entnommen werden (Nutzungsgrad 32,7 Prozent). Auch hier wurden bereits Anfahr- und Frostschutzverluste abgezogen. Der solare Deckungsanteil von 8,5 Prozent für den betrachteten Zeitraum fällt gering aus. Das Kollektorfeld konnte wegen der begrenzt zur Verfügung stehenden Dachfläche nicht größer ausgelegt werden. Im Monat Juni konnte ein Deckungsanteil von 21 Prozent erzielt werden, was unter anderem auf die veränderte Betriebsweise der Adsorptionskältemaschinen zurückzuführen ist. Dabei kommen die Gaskessel seltener zum Einsatz. Im Juli 2009 wurde die Betriebsweise nochmals verändert, so dass der Deckungsanteil der nachhaltig erzeugten Wärme – also die Summe aus Solarwärme und Kompressorenabwärme – wieder deutlich geringer ausfiel.

Der Deckungsanteil nachhaltig erzeugter Wärme, berechnet aus Nutzwärme der Solaranlage und Abwärme von Kompressoren bezogen auf den Gesamtwärmeverbrauch, beträgt im Mittel 60 Prozent und steigt im Sommer auf bis zu 82 Prozent an. Dieser konnte ab Februar 2009 durch eine höhere Kompressorenabwärmeleistung deutlich gesteigert werden. Außerdem erhöht sich der Deckungsanteil auch hier durch die veränderte Betriebsweise der Adsorptionskältemaschinen. Für den Betrieb der Kältemaschinen wurden 2375 MWh an Wärme aus dem Wärmenetz der Festo AG amp; Co. KG benötigt, um damit 997 MWh an Kälte zu erzeugen. Damit ergibt sich ein durchschnittlicher COP (Coefficient of Performance = Quotient aus Nutzkälte und Antriebswärme) von 0,42. Im betrachteten Zeitraum fällt der thermische COP meist deutlich niedriger aus als in den vorhergehenden Monaten, in denen er bei bis zu 0,53 lag. Die Ursache hierfür ist vermutlich das häufige Anfahren der Maschinen seit Änderung der Betriebsweise der Kältemaschinen im vorliegenden Zeitraum.

Betrieb und Optimierung


Die Solaranlage ist mit den Adsorptionskältemaschinen über einen zentralen Verteiler, an den weitere Wärmeverbraucher angeschlossen sind, verbunden. Bei Einspeisung in diesen Hauptverteiler liegen die Rücklauftemperaturen meist über 60 Grad Celsius. Die Solltemperatur für die Speicherentladung liegt bei 80 Grad. Deshalb wurde ein direkter Abzweig zur Bauteilaktivierung eines Neubaus eingebaut. Die Speicher werden bei Entladung zur Bauteilaktivierung ab 35 Grad entladen. Hierdurch sind Rücklauftemperaturen von 25 Grad und darunter erreichbar. Zur Verhinderung häufigen Umschaltens zwischen Bauteilaktivierung und Hauptverteiler wurde die vorhergesagte Sonnenscheindauer des nächsten Tages als Regelparameter eingefügt. Sobald die prognostizierte Sonnenscheindauer einen bestimmten Wert überschreitet, wird am nächsten Tag permanent auf den Hauptverteiler geschaltet. Durch die­se Regelung wurde an vielen Tagen die Einspeisung in die Niedertemperaturbauteilaktivierung verhindert.
Der Kollektorkreis ist ohne Wärmetauscher direkt mit dem Solarspeicher verbunden. Dementsprechend zirkuliert im Kollektorkreis auch Heizungswasser ohne Frostschutzzusatz. Damit im Winter ein Einfrieren des Wassers im Kollektorkreis zuverlässig vermieden wird, verfügt der Solarregler über einen Algorithmus, der bei Unterschreiten einer voreingestellten Kollektortemperatur aktiviert wird und durch Fördern von Speicherwasser zum Kollektor das Einfrieren in den Solarleitungen verhindert.

Durch die hohen Vor- und Rücklauftemperaturen bei Entladung zum Hauptverteiler bleibt die Temperatur in den Speichern auf hohem Niveau und es ergeben sich negative Auswirkungen auf den solaren Ertrag und die Wärmeverluste durch die Frostschutzschaltung. In der Grafik auf Seite 59 links ist zu erkennen, dass bei hohen Speichertemperaturen hohe Wärmeverluste an das Kollektorfeld zu verzeichnen sind. Deshalb wurde die prognostizierte Sonnenscheindauer als Regelparameter gelöscht. Es wird jetzt bei Heizbetrieb allein anhand der Speichertemperatur entschieden, ob zur Bauteilaktivierung entladen wird. In der Grafik auf Seite 59 ist rechts zu sehen, dass die Speichertemperaturen nun deutlich niedriger liegen und damit die Wärmeverluste über den Kollektorkreis geringer ausfallen. Außer­dem ist zu sehen, dass die Wärmeverluste bei hohen Speichertemperaturen zwar größtenteils immer noch von der Speichertemperatur abhängen aber nicht mehr so hoch ausfallen. Dies ist auf eine Änderung der Frostschutzregelung durch den Hersteller zurückzuführen, die bei hohen Speichertemperaturen die Rate des Pumpenbetriebs für den Frostschutz verringert. Eine zusätzlich mögliche Lösung wäre die Installation einer Rücklaufbeimischung zum Kollektorkreisvorlauf, durch die bei aktiver Frostschutzschaltung eine eingestellte Zieltemperatur im Kollektorkreisvorlauf realisiert und damit die Verluste sehr wahrscheinlich weiter reduziert werden könnten.

Anfang April 2009 wurde die Betriebsweise der Adsorptionskältemaschinen so geändert, dass diese nur noch in Betrieb gehen, wenn eine nachhaltige Mindest­wärmeleistung von der Solaranlage und den Kompressoren über einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung steht. Die einzelnen Maschinen werden dann, je nach zur Verfügung stehender Wärme­leistung, zu- bzw. weggeschaltet. Hierdurch wird eine primärenergetisch un­günstige Zusatzheizung durch die Gaskessel weitgehend vermieden. Die zusätzlich benötigte Kälte wird mit elektromotorischen Kompressionskältemaschinen erzeugt. Wie in der Grafik links unten zu sehen, wurde hierdurch der solare und nachhaltige Deckungsanteil am Gesamtwärmeverbrauch in den Sommermonaten deutlich gesteigert. Um den Kältebedarf der Gebäude abzudecken, mussten im Juli und August 2009 die Adsorptions­kältemaschinen wieder häufiger betrieben werden, als es mit den nachhaltigen Wärmequellen allein möglich gewesen wäre. Dementsprechend fällt der solare Deckungsanteil mit zwölf Prozent beziehungsweise elf Prozent, bei nahezu gleichem solaren Ertrag als im Mai und Juni, niedriger aus.

Wegen zu geringer Wärmeabnahme am Hauptverteiler kam es in den Übergangszeiten April und September 2009 teilweise zu Stagnationen der Solaranlage. Zusätzlich wurde vom Hauptverteiler Wärme in die Solarspeicher eingetragen, da einerseits kaum Wärme am Verteiler abgenommen wurde andererseits aber Wärme von den Kompressoren in das Heizungsnetz eingespeist wurde. Die geringe Wärmeabnahme entstand, da die Adsorptionskältemaschinen aufgrund der beschriebenen veränderten Betriebsweise nicht in Betrieb waren.

Durch eine schrittweise Verringerung der zuvor beschriebenen nachhaltigen Mindestwärmeleistung für den Betrieb einer Adsorptionskältemaschine von rund 500 kW auf nun 350 kW konnte das Prob­lem nicht gänzlich behoben werden. Stag­nationen treten fast ausschließlich in den Übergangszeiten auf, wenn das Angebot an nachhaltig erzeugter Wärme nicht für den Betrieb einer Adsorptionskältemaschine ausreicht, der Solarspeicher aber solar aufgeheizt und nicht entladen wird.

Da die Adsorptionskältemaschinen nur noch ab 350 kW nachhaltiger Wärmeleistung betrieben werden, kommt es bei schwankender Wärmeleistung von Kompressoren und Solaranlage zu einem ungünstigen Betriebsverhalten mit häufigen Startphasen, die zu einem ineffizienten Betrieb der Adsorptionskältemaschinen führen. Zur Reduzierung des Taktens soll der Betrieb der Adsorptionskältemaschinen weiter opti­miert werden, um einen effizienteren Teillastbetrieb zu ermöglichen. Insbe-sondere sollen die Zykluszeiten der Kältemaschinen variiert werden.

Zusammenfassung


Die bisherige Betriebserfahrung zeigt, dass die Kollektoranlage einen sinnvollen Beitrag zur Einsparung an Primärenergie und zur Vermeidung von CO2-Emissionen leistet. Die vom Kollektorhersteller abgegebene Ertragsgarantie von 500 MWh/a in den Solarspeicher einzuspeisende Wärme, bei einem Nutzungsrad von 33,4 Prozent, wurde in 2009 mit 586 MWh/a bei einem Nutzungsgrad von 36 Prozent übertroffen. Durch Optimierungsmaßnahmen an der Regelung der Speicherentladung zur Niedertemperaturnutzung im Winter konnten geringere Wärmeverluste im Bereich der Frostschutzschaltung und eine Absenkung der Systemtemperatur und damit höhere Nettoerträge erzielt werden. Insgesamt ergibt sich zusammen mit der Kompressorenabwärme ein Deckungsanteil der nachhaltig erzeugten Wärme von 60 Prozent (Deckungsanteil solar 8,5 Prozent). Dieser konnte durch die veränderte Betriebsweise der Adsorptionskältemaschinen, höherer Abwärmeleistungen der Kompressoren und einen höheren solaren Ertrag im Vergleich zum Beginn der Messphase in 2008 gesteigert werden.

Klaus Huber,
Elmar Bollin,
Eva Scheck
Hochschule Offenburg
www.fgnet.fh-offenburg.de