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Getriebelager-Krankheit White Etching Cracks

Laufbahnoptimierer addiert

Tilman Weber

Trotz Digitalisierung und immer feiner auf individuelle Standortbedingungen ausgelegter flexibler Designs von Windenergieanlagen bleiben Getriebe bislang für Lagerschäden anfällig. Ein Verbund-Forschungsprojekt unter wissenschaftlicher Führung durch das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik (IWM) im badischen Freiburg hat nun mit der Schmierung des Getriebes eine kleine aber wohl höchst wirksame Stellschraube erforscht. Beteiligt sind die Industriepartner Klüber Lubrication, Schäffler und Iolitec. Das Projekt könnte womöglich die typische Getriebelagererkrankung White Etching Cracks (WEC) beseitigen.

Der Gruppenleiter für das Thema Verschleißschutz beim IWM und Leiter des Projekts, Andreas Kailer, sieht die vielen Erklärungen für das Werkstoffermüdungsphänomen WEC als weiterhin kontrovers an: Mechanische Überbeanspruchungen des Getriebes und damit der Lager durch zu heftige Windböen – wo unruhige Luftströmungen belastender als in der Getriebeauslegung vorgesehen ausfallen. Zu starke Vibrationen, leichte Maßabweichungen der Komponenten, die zu ungünstigen Lastverteilungen im Lager führen. Kleine Verunreinigungen an den Stahloberflächen und im Stahl. Unschärfen in der Ausrichtung der Triebstrangkomponenten vom Rotor bis zum Generator, womit leicht aus der Flucht zeigende Wellen zu viel Druck im Getriebelager erzeugen. Ein zu großes Gewicht etwa des Rotors, der auf dem Getriebe lastet. „Bei all diesen Dingen werden leichte Abweichungen von dem, was gewünscht ist, nie ganz vermeidbar sein“, sagt Kailer. Trotz ständiger Verbesserungen im Windenergieanlagen- und Komponentenbau könnten sich daher die Abweichungen „unglücklich summieren“ und zur typischen WEC-Versprödung des Lagers führen.

Versprödung durch Wasserstoff

Zusammen mit dem Lagerhersteller Schaeffler, dem Schmiermittelproduzent Klüber Lubrications und dem Hersteller sogenannter Additive in den Getriebeölen, Iolitec Ionic Liquid Technologies, hat das Freiburger Fraunhofer-Institut daher nun den Schmierstoff selbst als vielleicht noch fehlendes Bindeglied unter die Lupe genommen. Denn bei WEC handelt es sich um eine Versprödung des Metalls, die gemäß einer sich immer weiter erhärtenden Theorie durch in den Rollkontakten freigesetzten Wasserstoff ausgelöst wird. „Wenn der an den Grenzflächen zwischen den Rollkörpern und der Laufbahn des Lagers ins Stahlgefüge diffundiert, verursacht er diese Versprödungen“, erklärt Kailer die These zum Übeltäter Wasserstoff.

White Etching Cracks sind fast wörtlich übersetzt weiß anätzende Bereiche im Lager. Sie erscheinen erst unter Feinschliff und einer gezielten Anätzung der untersuchten Fläche als längere weiße Risse in der Mikrostruktur des Stahls. Der den Stahl angreifende Wasserstoff kann sich entweder chemisch aus dem Wasser in der Umgebungsluft herauslösen – oder er kann sich direkt aus dem Schmierstoff herausbilden. So können auch aus dem Generator fälschlich in die Lager dringende elektrische Ströme und Spannungen die Wasserstofffreisetzung beeinflussen. Denn eine Einstrahlung der sehr starken Elektrizität mit hoher Spannung und hohen Strömen im Generator auf benachbarte Triebstrangbereiche ist wohl nie ganz vermeidbar.

„Normalerweise halten Schmierstoffe die Feuchtigkeit von der Oberfläche der Metalle in einem Lager fern“, erklärt Kailer die von den Forschern erkannte Unstimmigkeit. Denn wo das Fett das Wassermolekül H2O abhält, gelingt dies trotzdem für den H2O-Bestandteil Wasserstoff (H2 )offenbar nicht. Können die Forscher also das Fett verbessern? Während nämlich die Viskosität vorgegeben ist, also der Zähig- oder Flüssigkeitsgrad des Öles, ist die optimale Mischung mit sogenannten qualitätsverbessernden Additiven im Schmierstoff eine Sache mehr oder weniger geheimer Rezepte der Schmierstofflieferanten.

Leitfähiges Schmiermittel soll helfen

Genau bei den Additiven setzt das Forschungsprojekt mit dem Namen „Windpower-Life“ nun an. Knapp eine Million Euro beträgt die Förderung durch das Bundeswirtschaftsministerium. Die IWM-Forscher und die Entwickler der drei beteiligten Unternehmen prüfen die Wirkung durch eine andere Zusammensetzung der Additive. Erfüllt sich die Erwartung der Forscher, werden sie mit dem so verbesserten Öl verhindern, dass sich wie bisher schon bei geringen Strömen hohe Spannungen im Lager stauen können.

Dafür entwickelten und testeten sie ein durch Zusatz ionischer Flüssigkeiten leitfähig gemachtes Schmiermittel. Es soll die Ladung stetig abfließen und damit unwirksam werden lassen – statt wie bisher als nicht leitender Schmierstoff eher wie eine Barriere für die Elektrizität zu wirken.

Bis März des kommenden Jahres dauert das Forschungsprojekt noch an, um der Windkraftbranche nach etwas mehr als drei Jahren Laufzeit womöglich auch ein wirksames Mittel gegen WEC präsentieren zu können.

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