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Kohlefaser-Forschung

Steife Papierflügel für die Riesen-Rotoren

Tilman Weber

Der wissenschaftliche Mitarbeiter Muhannad Al Aiti forscht am Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) an der TU Dresden – und zwar in einer Richtung, in der die Wissenschaft laut TU schon seit 60 Jahren arbeitet: Die bisher aus Erdöl und Teer hergestellten Kohlestofffasern sollen im Automobilbau, aber vor allem mittlerweile auch in der Windenergie einen Leichtbau ermöglichen und zugleich die Stabilität größerer Komponenten erhöhen. So bauen Rotorflügelhersteller immer wieder Kohlenstoff-Fasergelege in die Blätter ein, wenn sie eine neue Blattlänge anstreben.

Kosten der Windkraft explodieren

Der Hintergrund: Die mittlerweile regelmäßig Längen von weit über 60 oder gar 70 Meter erreichenden Großkomponenten dürfen nicht schwerer werden, weil sie sonst die Kosten der Windkraft explodieren lassen würden. Schließlich müssten dann auch die Türme der Windenergieanlagen, die Naben und der gesamte Antriebsstrang im Maschinenhaus mehr Material zur Verstärkung erhalten, um die neuen Lasten tragen zu können. Zugleich müssen die neuen Rotorblätter einerseits flexibler und schlanker werden, ohne jedoch ihre Stabilität zu verlieren. Doch die besonders lasttragenden Kohlestofffasern sind teuer. Rotorblattentwickler hatten daher in der Vergangenheit die teuren Materialien immer wieder durch Neuentwicklungen in der Faser-Ablagetechnik in den Flügelbauschablonen und durch immer bessere computergenerierte Designs der Rotorblätter die Kohlefasern durch das Hauptmaterial der Flügel, den Glasfaserkunststoff, rückwirkend wieder ersetzt. Allerdings scheint das bei den jüngsten Flügelgrößen nun kaum noch möglich zu sein.

Kohlenstofffasern aus nachwachsenden Rohstoffen

Al Aiti hat nun offenbar erforscht, wie Kohlenstofffasern aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden müssen, um den hohen Anforderungen von Automobilindustrie und Windenergie-Branche zu entsprechen. Die bisherige Forschung in diesem Bereich konzentriere sich seit einigen Jahren dabei auf „hochwertige Fasern aus biogenen Abfallprodukten“ wie Lignin, erklärt die TU Dresden. Der in der Papierindustrie anfallende Abfallstoff ist in Unmengen vorhanden. Doch erst Al Aiti ist es nun laut der Universität gelungen, dank eines besonders konsequenten und systematischen Vorgehens, die Herstellung der Kohlefasern aus Lignin und damit eines preisgünstigen ökologischen Produktionsverfahrens von Kohlefasern als realistisch erscheinen zu lassen.

Ab Mitte August werde der Forscher die Ergebnisse in einem speziellen Spinn-Verfahren an der Technischen Universität Tampere in Finnland ausprobieren, heißt es nun aus Dresden. Ziel ist die Vorführung eines industrialisierten Herstellungsverfahrens. Die Forschungsergebnisse sollen dann noch in diesem Jahr veröffentlicht werden. Dass die Kohlenstoff-Faserrevolution durch die Dresdner Entwicklung realistisch ist, das will die TU in der sächsischen Landeshauptstadt durch die Aufnahme der Berichte ihres Mitarbeiters in der Fachwelt belegt sehen: Al Aiti habe seine Ergebnisse in Zusammenarbeit mit zwei Teams aus der Universität kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „Progress in Materials Science“ veröffentlichen können: der angeblich weltweit „zweitwichtigsten Fachzeitschrift im Bereich Werkstoffwissenschaften“. Dass die Gutachter des Verlags seinen Beitrag sogar sehr schnell zur Veröffentlichung zugelassen habe, sei bemerkenswert. Denn dessen Gutachter ließen sonst meist nur „gestandene Wissenschaftler“ zur Veröffentlichung zu.