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Kommentar zu Ørsted

Gutes grünes Geld

Der Konzernvorstand habe jetzt entschieden, teilte das Unternehmen mit, einen strukturierten Prozess einzuleiten und zunächst das Interesse am Energiemarkt zur Übernahme des Endkunden- und des Verteilnetzgeschäfts in Dänemark zu prüfen. Falls Investoren einen fairen Preis dafür zu zahlen bereit seien, werde Ørsted am Ende des Prozesses noch vor Ablauf des ersten Halbjahres 2019 über einen Verkauf der Geschäftseinheiten entscheiden. Als Berater für diesen Prozess sei die größte Bank des südskandinavischen Landes angeheuert, die Danske Bank.

Bemerkenswert ist die Begründung Ørsteds: Zwar sei das Geschäft mit den Endkunden und den Verteilnetzen gut geführt und die Kundenzufriedenheit hoch, schreibt der Konzern. Aber: „Mit den fortgesetzten signifikanten Investments in grüne Energie in den kommenden Jahre wird sich die strategische und finanzielle Bedeutung der dänischen Stromverteilung und der Dienstleistungen für die Wohnbevölkerung in den kommenden Jahren weiter reduzieren, im Vergleich zu Ørsteds rapide wachsendem internationalen Geschäft mit grüner Energie.“

Das bei den Meereswindpark-Entwicklungen und auch als Offshore-Windenergie-Erzeuger weltweit führende Unternehmen glaubt, dass der Zugang zu großen internationalen Firmen und zu den weltweiten Strom- und Energiemärkten für sein wachsendes Erneuerbaren-Geschäft entscheidend sein wird. Die privaten Endkunden hingegen würden als Verkaufskanal das langfristige internationale Wachstum der Erneuerbare-Energien-Kapazitäten des Konzerns nicht entscheidend unterstützen können. Hintergrund für diese Entscheidung dürfte wohl der sich abzeichnende endgültige Abschied insbesondere der Meereswindkraft von jeglicher staatlich geregelter finanzieller Förderung sein. Ausschreibungen künftiger Meereswindparkprojekte mit sogenannten Null-Cent-Zuschlägen scheinen die Regel zu werden: Windpark-Netzanschlussgenehmigungen auf See, die von vornherein die Vergütung des künftig erzeugten Windstroms auf die Einnahmen aus dem freien Stromgroßhandel beschränken. Zugleich setzen sich die in den USA auch für große Wind-, Solar- oder gar Bioenergieprojekte gebräuchlichen langfristigen Stromabnahmeverträge zwischen Grünstromerzeugern und großen Firmen auch in Europa durch. Diese sogenannten Power Purchase Agreements (PPA) versprechen Vergütungspreise möglicherweise sogar leicht über den Börsenstrompreisniveaus bei einer langfristig garantierten Abnahme des Stroms. In Europa sind solche PPA für 10 bis gar 25 Jahre bereits in Spanien, Großbritannien, Irland, Skandinavien und den Niederlanden sowie in der Türkei ein erfolgreiches Handelsinstrument.

Divestment ging voraus

Damit könnte Ørsted als vielleicht erster Energiekonzern weltweit sein Geschäftsmodell komplett umstülpen und zum reinen Regenerativ-Energie-Produzent, -Anbieter und –Dienstleister werden. Denn schon im September vergangenen Jahres hatte das Unternehmen, das damals noch Dong Energy hieß, den Verkauf seiner Öl- und Gasförderung an den britischen Konzern Ineos abgeschlossen. Vor diesem Divestment aus der Erzeugung mit fossilen Brennstoffen, im Februar 2017, hatte Dong das Ende der Kohleverbrennung in seinen Kraftwerken für das Jahr 2023 angekündigt.

Zwar gehen die Dänen selbst erklärtermaßen davon aus, dass die Einnahmen aus der Grünstromeinspeisung oder Wärmeenergieversorgung ihrer Wind- und Bioenergieanlagen sowie Energiespeicher generell mit immer geringeren Subventionen verbunden sein werden. Die zugleich immer weiter sinkenden Kosten der Anlagentechnologien werden dies nach Meinung von Ørsted aber mindestens ausgleichen – zumal in Verbindung mit den Vermarktungschancen im Großkundengeschäft und auf den internationalen Energiehandelsplätzen.

Bedeutung der Windenergie explodiert

Bereits heute investiert das Unternehmen jährlich 15 bis 20 Milliarden dänischen Kronen (rund 2 bis 2,7 Milliarden Euro) in erneuerbare Energien. Derweil nahm das Endkunden- und Netzgeschäft an Bedeutung immer mehr ab. Ørsted versorgt mit seinen Netzen rund eine Million Verbraucher und beliefert gut 700.000 eigene Stromkunden mit Elektrizität sowie knapp 100.000 mit Gas. Außerdem bringt das Unternehmen 160.000 Straßenlaternen zum Leuchten. Andererseits trug dieses Geschäft 2017 mit umgerechnet rund 170 Millionen Euro nur noch 5,6 Prozent zum operativen Gewinn bei, dem sogenannten Ebitda. Windenergie alleine schuf hingegen ein Ebidta von umgerechnet 2,7 Milliarden Euro – nach einem Anstieg des Profits im Vergleich zum Vorjahr um 74 Prozent. Erklärtes Unternehmensziel ist es, einer der weltweit führenden Erzeuger und Lieferanten regenerativ erzeugter Energie zu werden.

Während andere Energiekonzerne bislang nur Teilausstiege aus dem konventionellen Energiegeschäft wagen, setzt Ørsted also zum ganz großen Schnitt an. Ob das Erfolg hat, muss der Konzern dann beweisen. Mit Sicherheit aber hat es eine weltweite Bedeutung, dass die Dänen nun zeigen könnten, dass erneuerbare Energien zumal gepaart mit intelligenter Speicher-, Sektorkopplungs- und Hybridtechnologie auf komplett freien Energiemärkten schon jetzt sich zum ganz, ganz großen Geschäft eignen. Für gutes grünes Geld.

(Tilman Weber)