Der Plan war eindeutig: Neuwagen in der EU dürfen ab 2035 im Betrieb kein klimaschädliches Kohlenstoffdioxid (CO₂) mehr ausstoßen. Doch angesichts der Krise der Automobilindustrie wollen die Staaten offenbar hier lockern. Wie genau diese Lockerungen aussehen sollen, dafür will die EU-Kommission heute Vorschläge vorlegen. Nach Vorabinformationen aus den Medien könnte beispielsweise das Flottenziel gesenkt werden, Ausnahmeregelungen aufgestellt oder Einsparungen in der Lieferkette angerechnet werden.
Je länger wir Verbrenner fahren, desto schwieriger wird es, die Klimaziele zu erreichen
Doch muss die Frage erlaubt sein, wem denn ein Aufweichen des Verbrenner-Aus nützen würde. Prominente Wirtschaftswissenschaftler haben schon abgewinkt: Zur Rettung der Arbeitsplätze in der Autoindustrie trügen die Maßnahmen nichts bei, sagt Monika Schnitzer vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Süddeutschen Zeitung. Vielleicht würde man den Herstellern noch ein paar fette Jahre bescheren, doch der Einbruch würde danach nur umso heftiger.
Dem Klima hingegen schadet ein Aufweichen des Verbrenner-Aus massiv. Schon jetzt reißt zumindest in Deutschland der Mobilitätssektor regelmäßig die Klimaziele. Je länger wir mit Verbrennern fahren, desto schwieriger wird es, sie zu erreichen.
China hat Europa bereits elektrisch überholt
Auch der EU würde ein Aufweichen der Vorgabe schaden. Europa hatte den Anspruch, 2025 der erste klimaneutrale Kontinent zu sein – so hatte es Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Vorstellung des Green Deal angekündigt. Man sollte die Vorbildfunktion der EU in der Welt nicht überschätzen, doch eine Staatengemeinschaft aus Industriestaaten, die sich zur Klimaneutralität bekennt, sendet ein starkes Signal. Zumal sich mit diesem Ziel auch die Hoffnung auf eine führende Stellung in der grünen Technologie verband. Wer jetzt aufweicht und einknickt, überlässt anderen das Feld. Die Chinesen haben schon jetzt die Europäer elektrisch überholt.
Konzentrieren wir uns auf wichtigere Fragen!
Statt also die Energie und die öffentliche Debatte auf den Nebenkriegsschauplatz „Verbrenn-Aus“ zu lenken, sollten wir ganz andere Fragen diskutieren. Wie erreichen wir eine echte Mobilitätswende statt eine reine Antriebswende? Wie gestalten wir den daraus folgenden Umbau der Automobilindustrie in Europa sozialverträglich? Wie machen wir aus der EU mit ihren oft widerstreitenden Einzelstaateninteressen eine Staatengemeinschaft, die die Kraft hat, auf die vielen aktuellen Krisen gute und vor allem nachhaltige Lösungen zu finden? Und nicht zuletzt: Wie erreichen wir einen wirksamen Klimaschutz?