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Kreislauftreibstoff CH3OH

Vivevo-Energy-Gründer Gerold Neumann

Foto: vivevo energy GmbH

Vivevo-Energy-Gründer Gerold Neumann

Missionarischer Ehrgeiz für grüne Energietechnologien war vielleicht auch die Motivation. Doch nicht nur deshalb gründete Gerold Neumann als damals 66-Jähriger im Dezember 2020 die Vivevo Energy GmbH, die er auch als Geschäftsführer leitet. Denn es ist Ziel des Startups, dessen Kapital für die Anfangsinvestitionen ein privater Investor einbringt, grünes Methanol in modular und damit kostengünstig aufgebauten Werken zu vermarktbaren Preisen zu produzieren. Und Vivevo folgt der wissenschaftlichen Einschätzung, dass bisher kaum produziertes grünes Methanol einen bedeutenden und vor allem auch schnell erreichbaren Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs beitragen muss.

Die Alkoholvariante Methanol (CH3OH) wird als Energieträger und chemischer Speicher für erneuerbare Energie völlig unterschätzt, ist die Ausgangsthese. Das gilt für den Verkehr wie auch die chemische Industrie, wo Methanol als Rohstoff der sogenannten C1-Chemie dient. Aus den Kohlenstoff-Atomen des Methanols bauen diese Chemiewerke C-Gruppen, stellen so Lösungsmittel oder weitere Grundstoffe für Pflanzenschutzmittel oder Medikamente her. Allerdings böte Methanol auch als Treibstoff trotz leicht geringeren Energiegehaltes im Vergleich zu Benzin oder Diesel viele Klimaschutz-Vorteile. So entstehen in seinem Verbrennungsprozess deutlich weniger Schwefel- und Stickoxide. Außerdem erlaubt es den Einstieg in eine Kreislaufwirtschaft, weil das Verbrennungsprodukt CO2 auch ein Grundstoff zur Gewinnung von Methanol ist. Und es ist mit schon bestehenden Transport- und Lagermöglichkeiten vollständig kompatibel.

Ab Frühjahr 2023 wird mit der Vive-vo-Anlage die zurzeit größte Chemieanlage in Schleswig- Holstein zur Gewinnung von grünem Methanol entstehen.

Das Interesse an dem Kraftstoff wächst: So betreibt die Stena Line bereits 16 Fähren in Nord- und Ostsee mit Methanol. Maersk hat erste Containerschiffe mit dem Alkohol als Kraftstoff geordert, um seinen CO2-Fußabdruck zu verringern. Und auf der Fassmer-Werft bei Bremen lässt das Alfred-Wegener-Institut die Uthörn II bauen – mit grünem Methanol als Kraftstoff und CO2-neutral. Die Polar- und Meeresforscher gehören zu den Vorreitern einer Branche, die klimafreundlicher werden muss und Wasserstoff als emissionsfreien und daher nicht klimaschädlichen Energieträger nutzen will, beziehungsweise als Treib- und Brennstoff. Außerdem will sie andere Biokraftstoffe nutzen wie eben auch Grünes Methanol. Dieses nämlich lässt sich aus Wasserstoff produzieren, der wiederum aus mit Wind- oder Sonnenstrom betriebenen Elektrolyseuren kommt. Die Elektrolyse trennt dabei lediglich Wassermoleküle in Wasser- und Sauerstoff, die entstehenden energiereichen H2-Wasserstoff-Moleküle verursachen bei der energetischen Nutzung keinerlei Emissionen. Methanol entsteht dann danach durch die Synthetisierung von Wasserstoff und Kohlendioxid. Zusammen ergibt es Methanol (CH3OH) als flüssigen, synthetischen Kraftstoff.

Im Vivevo-Projekt soll das für den Treibhauseffekt wesentlich verantwortliche Kohlendioxid (CO2) dann von einem benachbarten Industriepartner kommen. Die CO2-Neutralität ergibt sich daraus, dass der sonst fällige Ausstoß des Klimagases CO2 bei dem Industriepartner ausbleibt und erst bei der Nutzung des Methanols als Treibstoff erfolgt.

100 Megawatt höchstens und 20 Megawatt mindestens sollen die modular aufgebauten Produktionseinheiten für grünes Methanol (CH3OH) mit entsprechend ausgelegten Elektrolyseuren sein, die Vivevo plant. Die Elektro­lyseure sollen vorweg den Methanol­grundstoff grüner Wasserstoff mit schleswig-holsteinischem Windstrom ­produzieren.

Konzept: Kleine modulare Methanolanlagen

Der Umstieg auf grünes Methanol würde einen großen Fortschtitt bedeuten. Denn zur Herstellung von Methanol werden bisher meist fossile Stoffe verwendet. Dieses graue Methanol wird aktuell vorwiegend durch Kohleverflüssigung gewonnen. Für grünes Methanol gibt es bisher nur Demonstrationsanlagen. Deshalb will Vivevo Energy die erneuerbare Energie in der windreichen Region Schleswig-Holstein nutzen, um grünes Methanol zu gewinnen. Aktuell sind für die Produktion grünen Methanols vor allem sehr große Produktionsanlagen geplant, die nur an speziellen Standorten – oft neben riesigen Zementwerken realisiert werden, von denen sie die benötigten extrem große Mengen von CO2 beziehen sollen. Sie benötigen zudem viel Frischwasser und besonders leistungsstarke Stromnetze.

Den hohen Anforderungen an den Standort an das Stromnetz und die Wasserversorgung wollen die aus einem Trio bestehenden norddeutschen Unternehmensgründer mit kleineren, weitgehend automatisierten und modular aufgebauten Werken aus dem Weg gehen.

Klein ist dabei relativ, denn das Werk wird mehr als 100 Millionen Euro kosten und basiert auf einem 60-Megawatt-Elektrolyseur. Es soll auf Grund seines flexiblen und modularen Aufbaus als Vorbild für weitere kleinere Produktionseinheiten dienen mit elektrischen Anschlussleistungen zwischen 20 und 100 Megawatt. So kann das Modell an andere Gegebenheiten angepasst und europaweit multipliziert werden.

Im Juni 2020 gelang am Institut für Regenerative Energiesysteme (Ires) der Hochschule Stralsund die Produktion von grünem Methanol aus Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid mittels Umwandlungsanlage unter Einsatz von erneuerbarem Strom aus Windenergie. Die Projektpartner, Ires-Direktor Johannes Gulden (links) und Ingenieur Christian Schweitzer, gratulieren sich.

Foto: Hochschule Stralsund

Im Juni 2020 gelang am Institut für Regenerative Energiesysteme (Ires) der Hochschule Stralsund die Produktion von grünem Methanol aus Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid mittels Umwandlungsanlage unter Einsatz von erneuerbarem Strom aus Windenergie. Die Projektpartner, Ires-Direktor Johannes Gulden (links) und Ingenieur Christian Schweitzer, gratulieren sich.

2023: Baustart für CH3OH-Produktion

Inzwischen verfügt das Unternehmen über eine 35.000 Quadratmeter große Gewerbefläche in Brunsbüttel und erwarb eine Option auf ein weiteres ebenso großes Grundstück. Ab Frühjahr 2023 wird mit der Vivevo-Anlage dort die zurzeit größte Chemieanlage in Schleswig-Holstein zur Gewinnung von grünem Methanol entstehen.

Laut Statistik dürfte es so einen wie Gerold Neumann kaum geben. Denn 2020 waren mehr als die Hälfte der Unternehmensgründer zwischen 25 und 44 Jahre alt, so weist es die deutsche Statistikstelle Statista aus. Vielleicht aber müssen derzeit gerade Unternehmensgründer wie er die Lücken im Energiesystem schließen, die abseits der großen Investorenbewegungen hin zum neuen Förderschwerpunkt Wasserstoff bestehen. Neumann besitzt neben seiner fachlichen Expertise auch ausgezeichnete Kontakte in der Wissenschaft, zu Energieunternehmen sowie in die Politik. Ältere Gründer starteten im Vergleich zu jüngeren Gründern oftmals sehr gut vorbereitet in die Selbstständigkeit, sagt Marjoke Breuning, IHK-Präsidentin der Region Stuttgart und DIHK-Vizepräsidentin. Ihre Ideen hätten häufig einfach genügend Zeit, sich zu entwickeln und zu reifen. Die Motivation der Älteren sei vor allem: Sie sehen meist einen konkreten Kundenbedarf – den sie wohl schlicht erfüllen möchten.

Mit seiner Vita ist Gerold Neumann wie geschaffen für den Job, findet Kollege und Vivevo-Technikchef Burkhard Holl. Als Physiker und promovierter Werkstoffwissenschaftler kam Neumann Mitte der 1990-er Jahre über das Thema Halbleiter mit dem Fraunhofer-Institut Isit nach Itzehoe – es folgten auf eine Anfrage von einem Chipkartenhersteller zur Batterie- und Energietechnologie hin etliche Jahre als Abteilungsleiter für integrierte Energiesysteme und zwei Unternehmensgründungen aus seiner Forschungstätigkeit heraus: Anfang 2000 gründete er die Solid Energy, die Lithium-Ionen-Batterien sowie die dazugehörenden technischen Bestandteile produzierte, und nach deren Verkauf die Dispatch Energy Innovations mit einem ähnlichen Thema.

Es ist nicht nur die hohe Investitionssumme und damit die Verantwortung, die Neumann nun in absehbarer Zeit altersbedingt aus dem operativen Geschäft zurückziehen lassen. Wir dürfen ihn zitieren: „Als Aufsichtsrat oder Berater werde ich aber das Projekt Vivevo weiterhin voranbringen, gleich ob es um technische Fragen, Umsetzungsideen oder persönliche Kontakte geht.“

Jens Gieseler,
 Unternehmens­kommunikation, Vivevo Energy

Foto: Niclas Pütz

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