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Der Markt ist auf fossile Energien ausgelegt

Schrei nach neuem Energiemarktmodell

„Was passiert bei Windstille? Was machen wir, wenn die Sonne nicht scheint? Dann sitzen wir im Dunkeln.“ Dieser Einwand kommt oft, wenn von einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien die Rede ist. Die Schlussfolgerung für viele: „Wir brauchen die fossilen Kraftwerke, denn nur die liefern genau dann ausreichend Strom, wenn er gebraucht wird.“ Die Realität aber sieht anders aus.

Veraltetes Marktdesign

Der Bundesverband Erneuerbare Energie hat zusammen mit der Hannover Messe vom Fraunhofer IWES eine Studie zu diesem Thema erstellen lassen. „Bewertung der Marktbedingungen für die Regelleistungserbringung erneuerbarer Energien“ – so der sperrige Titel. Dahinter steht eine Kurzstudie, die sich erstens mit der Frage beschäftigt, wie viel die Erneuerbaren zur Regelleistung beitragen könnten. Zweitens wird untersucht, welche Veränderungen beim Handel an der Strombörse dafür erforderlich wären. „Wir haben inzwischen 25 Prozent erneuerbare Energien im System“, sagt Malte Jansen, Autor der Studie und IWES-Mitarbeiter im Bereich Energiewirtschaft und Netzbetrieb. Nun werde etwa durch Direktvermarktung versucht, die Erneuerbaren in die Märkte – auch in die Regelmärkte – zu bringen. „Aber die sind für konventionelle Kraftwerke ausgelegt. Sie sind schlicht nicht für die Bedürfnisse der Erneuerbaren designt“, erklärt Jansen. Aber zunächst die gute Nachricht: Im Prinzip können Wind, Sonne und Bioenergie mit Speichern und Lastmanagment die erforderliche Regelleistung liefern. Das haben Simulationen und Versuche mehrfach belegt. Etwa die Ergebnisse des IWES-Feldtests Kombikraftwerk II (ERNEUERBARE ENERGIEN 12/2013). Dabei beruht die Idee auf der Möglichkeit, die Schwankungen der Erneuerbaren zum einen über die Fläche auszugleichen. Das heißt, eine Windflaute in der einen Region kann durch die Brise in einer anderenRegion aufgefangen werden. Zum anderen können Leistungsschwankungen über den Technologiemix ausgeglichen werden: Wenn kein Wind weht, scheint vielleicht die Sonne. Auf jeden Fall lässt sich das komplett regelbare Biogas heranziehen. Hinzu kommen kleine und große Speicher von der Batterie bis zum Pumpspeicherkraftwerk.

Regelleistung durch gedrosselte Windleistung

Außerdem kann Regelleistung erzeugt werden, indem man Wind- und Solarparks gedrosselt laufen lässt. Lastspitzen – wenn der Verbrauch etwa zur Mittagszeit besonders hoch ist, weil der heimische Herd angeschmissen wird – werden dann mit voller Regenerativleistung aufgefangen. Die Technik für die Regelleistung wäre also verfügbar. Zu 99,994 Prozent zuverlässig. Die neue Studie des IWES betrachtet nun die Bedingungen für die Teilnahme am Regelleistungsmarkt. Die Anbieter müssen die Bereitstellung der Regelleistung mit einer Zuverlässigkeit von 100 Prozent vertraglich zusichern. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das Angebot mit nahezu 99,994 Prozent erfüllt wurde. Vorgehalten werden muss die
Minutenreserveleistung über vier Stunden. Wichtig ist auch die Zeit von der Versteigerung an der Auktionsplattform der Netzbetreiber bis zum Einsatz. Dabei unterscheidet man sogenannte Day-Ahead-Prognosen und Kurzfristprognosen, die eine Stunde vorher gemacht werden. Genau an diesen vor langer Zeit festgelegten Regeln scheitern Wind und Sonne derzeit noch, wenn es um die Bereitstellung von Regelleistung geht. „Würde man den Bereitstellungszeitraum zum Beispiel von vier auf zwei Stunden reduzieren, würde das den Erneuerbaren schon entgegenkommen“, so Jansen. Eine Reduzierung der Zuverlässigkeitsvorgabe von 99,994 auf nur 99 Prozent würde den Spielraum für Wind und Sonne vergrößern, aber auch die Systemsicherheit negativ beeinflussen.

Würde man dann noch die Auktionen nicht auf die Arbeitswoche beschränken, sondern das Wochenende einbeziehen, hätte man einen weiteren Baustein, um den Regelenergiemarkt für die Erneuerbaren zu öffnen. Denn die Ungenauigkeit in der Prognose nimmt zu, wenn für mehr als einen Tag im Voraus prognostiziert werden muss. Hinzu kommt, dass die Regelung nur innerhalb der Bereiche der einzelnen Netzbetreiber stattfindet. Das heißt, wenn im Tennet-Gebiet viel Wind weht, kann die Regelleistung nicht aus dem Amprion-Gebiet kommen. Auch das ist ein Schwachpunkt des jetzigen Systems. Jansen ist sich sicher, dass fluktuierende Energien bald schon auf den Regelmärkten eine Rolle spielen werden. „Nicht klar ist nur, unter welchen Rahmenbedingungen.“(Nicole Weinhold)

Dieser Artikel ist in der Printausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN von April 2014 erschienen. Hat er ihnen gefallen? Dann holen Sie sich jetzt ein kostenloses Probeabo unseres Magazins.