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Engpassmanagement von und für Netzbetreiber

Unser Energiesystem befindet sich in ständigem Wandel: Bestimmten früher große Kraftwerke die Erzeugungslandschaft, so sind es heute zunehmend dezentrale Anlagen, die erneuerbare Quellen nutzen und in die unteren Spannungsebenen einspeisen. Das hat Auswirkungen auf die Stromnetze. Die Einspeisung wird volatiler, der Betrieb der Netze herausfordernder, der Bedarf an Maßnahmen zur Netzstabilisierung größer. Gleichzeitig steckt in den vielen kleinen Anlagen ein bislang ungenutztes Potenzial zur Flexibilisierung, das netzdienlich eingesetzt werden sollte.
Mit den Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) kamen dann neue gesetzliche Vorgaben für das Management von Netzengpässen, die bereits zum 1. Oktober 2021 hätten umgesetzt werden sollen, mit sehr weitgehenden Verpflichtungen insbesondere für Verteilnetzbetreiber.

Stromnetzbetreiber starten Initiative

Bereits im Jahr 2018 haben daher die baden-württembergischen Stromnetzbetreiber Transnet BW und Netze BW die Initiative „DA/RE – die Netzsicherheitsinitiative BW“ ins Leben gerufen. DA/RE steht für Datenaustausch/Redispatch und ist die erste digitale Plattform zur netzbetreiberweiten Umsetzung von Redispatch 2.0 inklusive bilanzieller Abwicklung.

Das Ziel ist es, auf der digitalen Plattform Informationen auszutauschen und Maßnahmen zur Netzstabilisierung über alle Netzebenen hinweg zu koordinieren. Dies ermöglicht konkret die Nutzung solcher Kleinanlagen für Redispatch, also die Anpassung der Leistungseinspeisung bei regionalen Überlastungen im Netz. DA/RE organisiert die vertikale Abstimmung und den dafür erforderlichen Datenaustausch zwischen den Netzbetreibern und den Einsatzverantwortlichen der Erzeugungsanlagen. Außerdem können mittels Optimierung die geeignetsten Anlagen für die notwendigen Maßnahmen ausgewählt werden, wodurch eine effiziente Aktivierung der Redispatch-Maßnahmen möglich ist.

Wie funktioniert das?

Jeder Netzbetreiber hat die Aufgabe, die erzeugte Energie sowie die Last in seinem Netzgebiet zu prognostizieren, um Netzsicherheitsbewertungen und Engpassprognosen eigenständig vornehmen zu können. Zudem werden die Prognosen benötigt, um für bestimmte Anlagen Planungsdaten an vorgelagerte Netzbetreiber zu liefern (siehe Prozesse 1, 2 und 4).

Die Prognosedaten und Fahrpläne werden dabei entweder durch die Anschlussnetzbetreiber selbst oder durch die Einsatzverantwortlichen erstellt und gemeldet. In der aktuellen Praxis sind diese Prozesse aber noch vielfach fehlerhaft oder nur ungenügend umgesetzt, sodass die Bundesnetzagentur (BNetzA) in ihrem Eckpunktepapier eine deutliche Verbesserung durch einen weitergehenden Testbetrieb angemahnt hat. Die eigentlichen DA/RE-Prozesse (blau eingefärbt) stellen sicher, dass alle relevanten Netzbetreiber die benötigten Daten weitergeleitet bekommen. Zur Kommunikation mit den Einsatzverantwortlichen ist die Plattform technisch zudem an Connect+ angebunden.

Sie übernimmt neben dem Datenaustausch weitere Aufgaben für die Netzbetreiber. So werden auf der Plattform die Planungsdaten einzelner Anlagen automatisch zu Clustern aggregiert, um den Übertragungsnetzbetreibern die benötigten Daten in aggregierter Form bereitzustellen. Zudem wird für die vom Übertragungsnetzbetreiber angeforderten Redispatch-Mengen eine optimierte Anlagenauswahl durchgeführt, um die wirtschaftlich und netztechnisch sinnvollsten Einzelanlagenabrufe sicherzustellen.

DA/RE empfängt die Aktivierungsdokumente der anfordernden Netzbetreiber für die zu aktivierenden Anlagen. Die Plattform verarbeitet die Dokumente und erstellt die entsprechenden Aktivierungsdokumente für den Markt und die betroffenen Netzbetreiber, welche durch DA/RE an die Einsatzverantwortlichen (via 3 Connect+) beziehungsweise Netzbetreiber zur Anweisung der Redispatch-Maßnahmen versendet werden (siehe Prozesse 3 bis 7).

Sofern es sich um Anlagen im Duldungsfall handelt, empfängt der Netzbetreiber diese Aktivierungsdokumente von DA/RE und muss die entsprechenden Anlagen steuern (ähnlich dem ehemaligen Einspeisemanagement). Die Redispatch-Maßnahmen müssen ex post noch abgerechnet werden. Diese Aufgabe liegt außerhalb von DA/RE wiederum beim Netzbetreiber (siehe Prozesse 6 und 8).

DA/RE kann die Netzbetreiber auch bei der Führung und der Bewirtschaftung der Redispatch-Bilanzkreise unterstützen. Hierzu wird die per Zusatzvertrag geregelte DA/RE-Bilanzierungsdienstleistung angeboten. Dies wird künftig bei der eingeforderten Umsetzung des Planwertmodells als Zielmodell eine wichtige Rolle spielen.

Welche Vorteile haben die Netzbetreiber?

DA/RE ist eine cloudbasierte IT-Plattform mit einem sehr hohen IT-Sicherheitsstandard. Dabei wird beispielsweise auf einen Cloudanbieter mit C5-Zertifizierung gesetzt, dabei stehen neben der Dokumentation insbesondere auch die tatsächlichen Prozesse im Vordergrund.

Ein weiterer Vorteil ist die vorhandene Elastizität der Plattform. Es gibt Peak-Zeiten, in denen ein sehr hohes Datenaufkommen herrscht, was deutlich über dem anderer Stunden liegt. Hier kann elastisch reagiert und für exakt diese Zeitbereiche mehr Rechenleistung gebucht werden. Es ist nicht notwendig, einzelne Rechner vorzuhalten, die zwar für die Peak-Auslastung ausgelegt sind, den Rest der Zeit aber nahezu ungenutzt bleiben. DA/RE gewährleistet zudem eine sehr hohe Verfügbarkeit mit einem Aufbau in mehreren Rechenzentren zur Steigerung der Verfügbarkeit beziehungsweise Ausfallsicherheit.

Schließlich verfolgen die initiierenden Unternehmen mit DA/RE keine Gewinnerzielungsabsichten, sondern stellen nur die anfallenden Kosten je nach Nutzung in Rechnung. Die Plattform bietet damit eine skalierbare Lösung, bei der lediglich die jährlichen Betriebskosten geschlüsselt auf die Nutzer umgelegt werden.

Aktuell anstehende Herausforderungen

Ein Abschluss der Entwicklung ist noch lange nicht in Sicht. Vielmehr wird sich DA/RE den künftigen Herausforderungen, die aus gesetzgeberischen und regulatorischen Vorgaben entstehen, weiterhin stellen. Insbesondere angesichts der laufenden Branchendiskussionen, wie etwa der erst kürzlich von der Bundesnetzagentur angestoßenen Konsultation von Eckpunkten im Rahmen der Fortentwicklung von Redispatch 2.0, sind stetige Anpassungen sowie die Ausbildung neuer Anwendungsfälle geplant. Zudem werden die bisherigen Erkenntnisse aus dem operativen Betrieb und die Erfahrungsberichte der Nutzer in diese Diskussionen eingebracht.

Im Mai 2024 wurde ein Sachverständigengutachten zur Weiterentwicklung der Redispatch-2.0-Prozesse in gemeinsamen Webinaren mit der Bundesnetzagentur und dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft vorgestellt. Das Gutachten verortet wesentliche Problemschwerpunkte im und Herausforderungen für den Verteilnetzbereich. Für die Verteilnetze sind aus DA/RE-Sicht die folgenden Ergebnisse der BNetzA-Studie relevant:

Herausforderungen bei der für den Redis­patch 2.0 relevanten Soft- und Hardware sowie bei der Abstimmung zwischen betroffenen Netzbetreibern, der gemeinsamen Nutzung von Testsystemen und der Durchführung von Testabrufen, Ausweitung des Testbetriebs und Weiterentwicklung des Planwertmodells sowie Erschließung von Hochfahrpotenzialen (zum Beispiel Biogasanlagen).

Die BNetzA hat daraufhin im Jahr 2024 ein Eckpunktepapier zur Konsultation gestellt. Adressiert werden die Herausforderungen für den Verteilnetzbereich vor allem in den Bereichen Steuerungsprozesse, Datenhaltung und -qualität der Stamm- und Planungsdaten sowie der Datenübermittlungsprozesse, insbesondere auch fehlende Kommunikationsprozesse sowie fehlende Tests und Anreize zur Umsetzung bei Netz- und Anlagenbetreibern.

Das Ziel ist es, auf der digitalen Plattform Informationen auszutauschen und Maßnahmen zur Netzstabilisierung über alle Netzebenen hinweg zu koordinieren.

Bernd Seifert, Referent für Sonderaufgaben, Transnet BW

Foto: TransnetBW

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