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Angespannt

Katharina Wolf

Transformatoren, Schaltanlagen und Leistungen, darum ein fester Zaun mit einem warnenden Schild: „Hochspannung Lebensgefahr“: ein Umspannwerk. Allein auf Höchstspannungsebene gibt es mehr als 350 von ihnen in Deutschland, insgesamt geht ihre Zahl in die Tausende. Und es werden mehr.

Denn immer häufiger können Windparks nicht mehr wie früher an die Mittelspannungsebene angeschlossen werden. Stattdessen weist ihnen der Netzbetreiber einen Netzanschlusspunkt an der Hochspannungsebene zu. Zum einen, weil das Mittelspannungsnetz häufig schon ausgelastet ist. Zum anderen macht die zunehmende Größe der Anlagen einen Anschluss an die Hochspannungsebene notwendig: „Das Mittelspannungsnetz schafft maximal 15 Megawatt Leistung“, sagt Elektroingenieur Hauke Henningsen, der bei der Prokon-Gruppe aus Itzehoe unter anderem für Netzanschlüsse verantwortlich ist. Bei den heutigen Windparkprojekten, bei denen eine Anlage fünf Megawatt Leistung oder mehr mitbringt, wird dieser Grenzwert jedoch schnell überstiegen. „Dann muss die Anlage an ein Umspannwerk angeschlossen werden“, erklärt Henningsen. Dessen Aufgabe ist es, den von den Windenergieanlagen auf vergleichsweise niedriger Spannungsebene erzeugten Strom auf die höhere zu transformieren.

Wir haben vor zehn Jahren für ein Umspannwerk mit 80 bis 100 MVA rund drei Millionen Euro gezahlt.

Kai Solinski, BB Wind. Mittlerweile seien es sieben bis acht Millionen.

Für Planer und Betreiber bedeutet das: mehr Aufgaben, komplexere Planung und vor allem höhere Kosten. Denn die Preise für Transformatoren sind in den vergangenen Jahren explodiert. Gestiegene Rohstoffpreise, knappe Materialien, mangelnde Kapazitäten in der Fertigung, gestiegene technische Anforderungen und Regelbarkeit – die Liste der Gründe dafür ist lang. „Wir haben vor zehn Jahren für ein Umspannwerk mit 80 bis 100 Megavolt­ampere (MVA) rund drei Millionen Euro gezahlt“, berichtet Kai Solinski, Pressesprecher beim Projektentwickler BB Wind in Münster. „Mittlerweile sind es sieben bis acht Millionen.“

Kosten, die nicht der Netzbetreiber tragen muss, auch wenn er den Netzverknüpfungspunkt zuweist und verpflichtet ist, den Strom einzuspeisen. „Paragraf 16 im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) regelt die Kostenaufteilung: Alles, was nötig ist, um den Strom bis zum Netzverknüpfungspunkt zu transportieren, ist Sache des Betreibers“, sagt Lena-Sophie Deißler von der Kanzlei Kapellmann und Partner in München. Dazu könne auch die Errichtung eines kundeneigenen Umspannwerks gehören.

Mittelspannungsanschluss gesucht

Allein diese Kosten könnten ausreichen, um ein Projekt unwirtschaftlich zu machen, sagt Solinski, dessen Unternehmen Bürgerwindprojekte realisiert. Er hat es im zersiedelten Münsterland zudem oft mit dezentral verstreuter Wohnbebauung und daher kleineren Projekten zu tun. „Bei weniger als drei Windenergieanlagen kann ein Umspannwerk ein K.-o.-Kriterium sein. Das heißt, es muss ein Mittelspannungsanschluss gesucht und gefunden werden, der dann oft weit entfernt liegt und somit eine teurere Kabeltrasse hat“, sagt Solinski. In diesem Fall könne das Netz oft nicht die volle installierte Leistung der Windenergieanlagen aufnehmen. „Erst größere Projekte mit mehr Windenergieanlagen könnten die Investition wirtschaftlich gut verkraften.“

Ein Weg, die Kosten im Griff zu behalten, ist, sich mit mehreren Betreibern ein Umspannwerk zu teilen. „Wichtig ist hier, dass diese Konstruktion von Anfang an mitgedacht wird“, sagt Anwältin Deißler. Schnell könne es sonst Probleme mit der dinglichen Sicherung des Umspannwerkgrundstücks geben und damit auch mit der Finanzierung. Einfacher sei es daher, von Anfang an eine eigene Gesellschaft zum Betrieb des Umspannwerks zu gründen, über die dann im Idealfall auch die dingliche Sicherung abgewickelt werden könne, oder nach Möglichkeit die Fläche zu kaufen oder einen Erbpachtvertrag zu schließen.

Eine neue Idee will Abo Energy beim Thema Umspannwerke verfolgen: Bislang werden sie mit den Projekten an die Betreiber veräußert. Künftig wollen die Wiesbadener Umspannwerke in Deutschland aus strategischen Gründen in den eigenen Bestand aufnehmen. Elf solcher Anlagen will das Unternehmen in den kommenden zwei Jahren bauen, dafür 71 Millionen Euro investieren – und die Möglichkeit schaffen, auch Dritten die Einspeisung zu ermöglichen. „Sofern wir in den jeweiligen Regionen mittelfristiges Ausbaupotenzial für weitere Erneuerbare-Energie-Parks sehen, dimensionieren wir Umspannwerke größer, als es für den Netzanschluss der konkret geplanten eigenen Projekte notwendig wäre“, sagt Kommunikationschef Alexander Koffka. Durch diesen Skaleneffekt reduzierten sich die Kosten des Netzanschlusses der einzelnen Wind- und Solarparks – entweder der eigenen oder auch fremder: „Wir können den Anschluss an unser großes Umspannwerk zu einem Preis anbieten, der unter den Investitionskosten liegt, die beim Bau eines zusätzlichen kleineren Umspannwerks entstünden“, beschreibt er das Angebot.

Sofern wir in den jeweiligen Regionen mittelfristiges Ausbaupotenzial für weitere Erneuerbare-Energie-Parks sehen, dimensionieren wir Umspannwerke größer, als es für den Netzanschluss der konkret geplanten eigenen Projekte notwendig wäre.

Alexander Koffka, Abo Energy

Doch es sind nicht nur die Kosten, die Planern beim Thema Umspannwerke zu schaffen machen: „Unsere Bauleiter sagen, allein in der Realisierungsphase verdoppele sich der Arbeitsaufwand“, berichtet Kai Solinski von BB Wind. Eines der größten Probleme sei dabei die Vorlaufzeit bei der Bestellung der Hardware. „Die Lieferzeit für Transformatoren liegt derzeit bei 18 Monaten“, so Solinski. „Das heißt, dass wir bei manchen Projekten eine Bestellung aufgeben müssten, bevor wir den Zuschlag der Bundesnetzagentur (EEG) für den Windpark haben.“ Dieses Risiko sei für viele Bürgerwindgesellschaften kaum tragbar.

Hauke Henningsen machen andere Probleme Sorgen – ein zu früh bestellter Transformator könne im schlimmsten Fall in einem anderen Projekt zum Einsatz kommen, meint er. Eine größere Herausforderung sei die aufwendige Planung, die sich kaum mit der Windparkplanung synchronisieren lasse und damit viel Arbeitskraft und Zeit koste. „Jeder Netzbetreiber hat andere Regeln, wann und wie Netzreservierungen beantragt werden können“, beschreibt er. Henningsen wünscht sich einheitliche Regelungen und mehr Transparenz vonseiten der Netzbetreiber.

Für die Bürgerwindexperten von BB Wind wäre vor allem die optimierte Nutzung von Netzanschlüssen wichtig, etwa durch Überbauung: Dabei wird eine Kombination aus Wind- und Photovoltaikpark angeschlossen, die zusammen rechnerisch mehr Nennleistung haben, als der Anschluss aufnehmen kann. „Insbesondere Wind und Solar speisen bekanntermaßen antizyklisch ein, sodass es nur selten zu einer gleichzeitig sehr hohen Solar- und Windeinspeisung kommt“, sagt Solinski. So könnten mehr Windenergieprojekte wieder an das Mittelspannungsnetz angeschlossen werden – ohne Umspannwerk. Und sollte doch ein neues gebaut werden müssen, würde es sich schneller betriebswirtschaftlich rechnen.

Und dann bleibt noch die Frage: Was passiert, wenn der Windpark das Ende seiner Lebensdauer erreicht hat – nach 20 oder 25 Jahren? Ein Umspannwerk hat eine deutlich längere Betriebsdauer. „Wenn man es ertüchtigt, kann das Umspannwerk für einen neuen Wind- oder Solarpark genutzt werden“, sagt Haule Henningsen. Und wenn nicht? „Dann muss es zurückgebaut werden“, sagt Anwältin Deißler. Denn für Umspannwerke gilt im Außenbereich dasselbe wie für Windparks und alle weiteren Bauwerke: Werden sie nicht mehr betrieben, müssen sie verschwinden.

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