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Interview mit OOWV-Geschäftsführer Karsten Specht

"Die Düngeverordnung ist das wichtigste Regelwerk für den Grundwasserschutz"

Das Grundwasser in Deutschland ist immer stärker mit Nitrat belastet. Woran liegt das? Ist die Landwirtschaft tatsächlich hauptverantwortlich?

Karsten Specht: Primär verantwortlich für diese Entwicklung ist die fehlende Regulierung im Ordnungsrahmen. Wachsende Viehzahlen, mehr Gülle, Gärreste aus Biogasanlagen und fehlende Flächen zum Ausbringen der Nährstoffe stehen im direkten Zusammenhang mit steigenden Nitratwerten. Es wäre aber falsch, mit dem Finger auf Landwirte zu zeigen. Sie wirtschaften unter schwierigen Bedingungen, die der Verbraucher mit seinem Konsumverhalten mitbestimmt. Hohe Viehzahlen und Güllemengen haben auch mit dem Verlangen nach billigem Fleisch zu tun. Der Gesetzgeber steht jedoch in der Verantwortung, mit seinen Möglichkeiten das Schutzgut Grundwasser und damit die Ressource Trinkwasser in seiner Qualität zu sichern.

Wie ermitteln Sie die Nitratwerte?

Karsten Specht: In unseren Wassereinzugsgebieten sind über 500 Messstellen installiert, mit denen die Menge und die Beschaffenheit des Grundwassers regelmäßig überwacht wird. Das Grundwasser wird in unserem Labor untersucht.

Woran liegt es, dass in manchen Orten der Nitratgehalt im Wasser höher ist als andernorts?

Karsten Specht: Die Beschaffenheit und Bewirtschaftung von Flächen spielt eine entscheidende Rolle. Der südoldenburgische Raum beispielsweise zeichnet sich durch sandige Böden aus. Nährstoffüberschüsse gelangen unter diesen Bedingungen relativ schnell ins Grundwasser. Anders dagegen in Ostfriesland: Dort ist das Grundwasser unter Lehm- und Tonschichten gut vor Nitrat geschützt.

Muss man sich um die Qualität des Trinkwassers sorgen?

Karsten Specht: Wir bereiten ausschließlich Grund- zu Trinkwasser auf. Unser Trinkwasser entspricht heute bester Qualität. Damit das so bleibt, dürfen jedoch die teils hohen Nitratwerte aus dem oberflächennahen Grundwasser nicht unsere tieferen Brunnen erreichen. Die Sorge um unsere Ressource ist daher berechtigt.

Der OOWV kooperiert mit Landwirten und konnte bereits Erfolge in Form von sinkenden Nitratwerten verbuchen. Können Sie uns etwas hierüber erzählen?

Karsten Specht: Wir kooperieren mit vielen Landwirten in unseren Wasserschutzgebieten. Sie wirtschaften auf freiwilliger Basis nach strengeren Regeln und erhalten dafür vom OOWV eine Entschädigung. In Holdorf hatten wir Anfang der 1990er Jahre große Schwierigkeiten mit Nitrat. Durch die Kooperation mit den Landwirten und konsequente Vorgaben ist es gelungen, den durchschnittlichen Nitratgehalt im oberflächennahen Grundwasser von einstmals 87 auf 34 Milligramm Nitrat pro Liter zu senken. Der Grenzwert für Trinkwasser liegt bei 50 mg/l.

Eine neue Düngeverordnung soll für Verbesserungen sorgen. Diese ist jedoch umstritten. Der Deutsche Bauernverband kritisiert beispielsweise, dass die vielen detaillierten Regelungen zu starr und nicht praxistauglich sind. Was halten Sie von der Verordnung?

Karsten Specht: Die Düngeverordnung ist das wichtigste Regelwerk für den Grundwasserschutz. Im Detail kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Alle Beteiligten wissen aber, dass die Nitratentwicklung ein Problem darstellt. Die Wasserwirtschaft ist sich einig, dass die bestehenden Regeln nicht ausreichen, um die Ressourcen dauerhaft zu schützen. Dies belegt die Entwicklung seit 2006. Deshalb begrüßen wir eine Verschärfung der Düngeregeln ausdrücklich.

Ist sie überhaupt realistisch bzw. umsetzbar?

Karsten Specht: Selbstverständlich müssen die Düngeregeln umsetzbar sein und nach unserer Auffassung, sind sie es auch. Ob die Vorgaben realistisch genug sind, das Grundwasser effektiv vor den Folgen von Überdüngung zu schützen, wird sich erst noch zeigen. Es wird eine deutliche Verbesserung geben müssen. Ein "weiter so" würde nicht nur die Trinkwasserressourcen massiv bedrohen, sondern die Oberflächen- und Küstengewässer sind gleichermaßen von diesem massivem Stickstoffüberschussproblem betroffen.

Was müsste Ihrer Meinung nach geschehen, um den Nitratwert wieder zu senken bzw. dauerhaft niedrig zu halten oder zumindest nicht noch weiter ansteigen zu lassen? Was müssen Landwirte auf jeden Fall beachten?

Karsten Specht: Entscheidend ist zum einen die pflanzenbedarfsgerechte Düngung. Würden nur so viel Nährstoffe ausgebracht, wie die Pflanzen für das Wachstum benötigen und wie der Boden abbauen kann, gäbe es deutlich weniger Nitratwerte, die die gesetzliche Höchstgrenze von 50 mg/l um das Doppelte und Dreifache überschreiten. Zum anderen muss die Düngungshöhe sich nicht nur an dem möglichen Ertrag orientieren sondern auch an der dadurch ausgelösten Belastung des Grundwassers. Besonders wichtig ist zudem, dass die Verbringung von überschüssigen Wirtschaftsdüngern außerhalb der Betriebe realisiert und kontrolliert wird.

Thema Massentierhaltung: Deutschland produziert mehr Fleisch als je zuvor. Dass sich dies negativ auf unsere Umwelt auswirkt, ist längst kein Geheimnis mehr. Wären eine reduzierte Fleischproduktion und somit auch ein reduzierter Konsum, so wie vor z.B. 30-40 Jahren, nicht die Lösung des Problems?

Karsten Specht: Wie eingangs erwähnt: Das Konsumverhalten steht im direkten Zusammenhang mit hohen Viehbeständen und Nährstoffmengen. Dies darf man aber der Landwirtschaft nicht anlasten, die unter den gegebenen Bedingungen wirtschaften muss, jedoch - und hier wiederhole ich mich - hat der Gesetzgeber eine Verpflichtung das Schutzgut Wasser nicht nur für den heutigen Verbraucher zu schützen sondern auch für die zukünftigen Generationen.

Welche Rolle spielt das Wetter bei der Auswahl der Gülleaustragungszeiten?

Karsten Specht: Die Gülleausbringung sollte aus wasserwirtschaftlicher Sicht primär im Frühjahr erfolgen, so dass den Pflanzen eine optimale Ernährung geboten wird. Gleichzeitig müssen jedoch Auswaschungen in das Grund- und Oberflächengewässer verhindert werden. Ideal wäre es, auf leicht abgetrocknetem Boden bei bedecktem und kühlem Wetter zu fahren, die Gülle sofort einzuarbeiten und anschließend käme ein wenig Niederschlag. Allerdings ist das Wetter nicht immer kalkulierbar.

Kann der Nitratgehalt in der Biogasanlage reduziert werden, sodass die Gärreste weniger Nitrat enthalten?

Karsten Specht: Man muss sich die Tatsache, dass von den Inhaltsstoffen der Gärsubstrate nur der Kohlenstoff für die Erzeugung von Energie genutzt wird, einmal deutlich vor Augen führen. Die Biogasgülle ist mithin ärmer an Kohlenstoff, aber mehr oder weniger identisch im Stickstoffgehalt. Allerdings ist im Vergleich zur normalen Gülle der Ammonium-Anteil in der Biogasgülle höher. Im guten Boden kann Ammonium, im Gegensatz zu Nitrat, gespeichert werden und wird dann entweder von der Pflanze als Ammonium aufgenommen oder es wird nitrifiziert und ist dann sowohl pflanzenverfügbar als auch auswaschungsgefährdet. Es ist aus wasserwirtschaftlicher Sicht mehr oder weniger egal, wie das Verhältnis von Ammoium zu Nitrat ist. Wichtig ist, dass bedarfsgerecht gedüngt wird und sich der Bedarf nicht nur am Ertrag sondern auch an den wasserwirtschaftlichen Gegebenheiten orientiert und überschüssige Gärreste den Betrieb verlassen.

Das Gespräch führte Maria Dahl.