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Berliner Energietage

"Altmaier ist nicht der, der die Energiewende vorantreibt"

Nicole Weinhold

“Wir haben keine Technikprobleme. Die Technik ist vorhanden. Aber uns darauf verlassen, dass die Energiewende durch Technikdurchbrüche zum Selbstläufer wird, können wir nicht“, stellte Jürgen Pöschk, Geschäftsführer von EUMB Pöschk zur Eröffnung der 20. Berliner Energietage im Ludwig Erhard Haus fest. Der Veranstalter betonte mit Blick auf die Fridays for Future: „Wir haben den Druck durch die Jugend, der uns Alten wirklich gut tut.“ Er warnte, es gebe keinen Grundkonsens in Deutschland beim Thema Klimaschutz. Technische Effekte würden zudem durch unseren Lebensstil konterkariert – durch eine Zunahme des Flugverkehrs, durch immer größere SUVs und so weiter.

Deutschland verfehlt 2007er Ziel um 38 Prozent

Vom Jahr 2007 ausgehend, dem Jahr, als Kanzlerin Merkel mit Sigmar Gabriel zur Bestandsaufnahme medienwirksam im Grönlandeis unterwegs waren und dem Jahr, als die Meseberger Beschlüsse mit den Eckpunkten des integrierten Energie- und Klimaprogramms gefasst wurden – von diesem Jahr 2007 ausgehend würden die Klimaziele 2020 in Deutschland sogar um 38 Prozent verfehlt, betonte Pöschk.

Fridays-for-Future-Aktivist Jakob Blasel: klimapolitischer Stillstand

Noch deutlichere Worte für das Versagen der deutschen Klimaschutzpolitik fand der 18-jährige Fridays-for-Future-Aktivist Jakob Blasel. „Wir prangern das an, was in den vergangenen Jahren schief gelaufen ist.“ Das sei vor allem der von der Bundesregierung ausgehende Stillstand beim Klimaschutz. „Peter Altmaier hat das Grußwort für diese Veranstaltung geschrieben. Und trotzdem ist er nicht derjenige, der die Energiewende vorantreibt. Er handelt aus kurzfristigen, wirtschaftlichen Überlegungen“, so Blasel. Dafür erntete er viel Applaus. Es sei eine traurige Sache, dass es 300.000 Kinder bedarf, damit man ans Klima denkt. Er forderte die Bepreisung der realen Kosten für eine Tonne CO2, die das Umweltbundesamt auf 180 Euro bezifferte. Entsprechend müsste auch die Tonne CO2 diesen Preis bekommen. Zudem forderte er, dass Deutschland nicht erst 2050 CO2-neutral werden soll, sondern als reiches Industrieland mit großem Anteil am Klimawandel und mit den technischen Fähigkeiten zur CO2-Neutralität schon im Jahr 2035. Weiter erklärte er, die Europawahl am kommenden Wochenende müsse zur Klimawahl werden.

Herdan beschwichtigt

Als Vertreter von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sprach dann Thorsten Herdan, Leiter der Abteilung II „Energiepolitik – Wärme und Effizienz“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Er versuchte sich am Rednerpult im eifrigen Beschwichtigen und Gegenlenken bei aller Kritik am Kurs seines Wirtschaftsministers. „Wir Deutschen neigen dazu, alles schlecht zu machen“, begann er. Man könne sich auch mal loben, denn Deutschland habe im vergangenen Jahr 4,5 Prozent weniger CO2 ausgestoßen als 2017. Das habe zwar vor allem am milden Winter gelegen, aber nach seiner Meinung auch an Effizienzmaßnahmen.

Akzeptanz und Strompreisbremse

Wie Altmaier warnte auch Herdan davor, dass „uns die Akzeptanz auf die Füße fällt“ – wenn die Energiewende zu entschlossen verfolgt würde. Atom- und Kohleausstieg zeitgleich zu leisten sei nicht trivial. Die Akzeptanz für die Energiewende sinke rapide, wenn es um Windkraft- und Netzausbau vor Ort geht. Daher gebe es zum Beispiel zahlreiche Verzögerungen bei Genehmigungen in der Windkraft. Dass das Wirtschaftsministerium aber ebenfalls am Zusammenbruch des Ausbaus der Erneuerbaren beteiligt ist, ließ er unerwähnt: etwa in Form von fehlerhaften Ausschreibungen in der Vergangenheit oder durch Altmaiers Kampagne gegen die Windkraft – die unter dem Schlagwort „Strompreisbremse“ anzuführen ist.

CO2-Steuer 85 Euro in der Schweiz

Zum Thema CO2-Preis betonte er, dieser werde im Klimakabinett diskutiert. Ohne das passende Instrument könne man das nicht wegfördern. Sprich: auch Herdan unterstützt einen CO2-Preis. Allerdings stellt sich hier die Frage, an welchen CO2-Preis er dabei denkt. Laut Agora Energiewende müssten es mindestens 50 Euro pro Tonne sein, damit eine Wirkung erzielt wird. In der Schweiz sind es derzeit im Gebäudesektor umgerechnet 85 Euro pro Tonne. Bis 2020 sollen die CO2-Emissionen aus Gebäuden um mindestens 40 Prozent unter das Niveau von 1990 sinken. Das Zwischenziel von minus 22 Prozent bis 2015 gegenüber 1990 wurde übertroffen. Der größte Emittent, der Verkehrssektor, hat aber keine CO2-Steuer.