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Gastbeitrag zur nachhaltigen Energiewirtschaft

Keine Energiewende ohne Wasserstoff

Der Umbau des Energiesystems zu einer nachhaltigen und klimaschonenden Energieversorgung aus erneuerbaren Energien bedingt, dass wir zukünftig Strom statt Öl und Kohle speichern müssen. Infolge dessen verschiebt sich der Speicherbedarf von fossilen Rohstoffen zu erneuerbaren Strom. Dass damit der Stromspeicherbedarf um ein Vielfaches höher liegt als die heute bestehenden Stromspeicherkapazitäten und verfügbare Technologien bereitstellen können, ist somit eine natürliche Folge der Weiterentwicklung einer sozial verantwortungsbewussten Gesellschaft. Nur eine chemische Speicherung kann nach heutigem Kenntnisstand diese benötigten Stromspeicherkapazitäten für eine saisonalen Speicherung abdecken. Zu diesem Ergebnis kommt ebenfalls die VDE-Energiespeicherstudie [VDE 2008], nach der ausschließlich energiereiche Gase und insbesondere Wasserstoff ein ausreichendes Potenzial für die Speicherung großer Energiemengen aus Stromüberschüssen über Wochen besitzen (Vgl. auch dena 2012, ISE 2012, VKU 2013, IWES 2014).

Erdgasnetz bietet ein bezahltes Speicher- und Transportpotential

Power-to-Hydrogen bietet die Chance vorhandene Infrastrukturen (Gasnetze sowie -speicher) mit zu nutzen. Dies gilt für Methan und bis zu einer einzuhaltenden Konzentration auch für Wasserstoff. Darüber hinaus existieren auch heute bereits Wasserstoffinfrastrukturen, die weiter genutzt bzw. erweitert werden können. Mit der heute vorhandenen Erdgasinfrastruktur, mit über 200 TWh Speichervolumen, stehen gerade Deutschland bereits signifikante Speicherkapazitäten zur Verfügung. Ebenfalls bietet das Gasnetz enorme Übertragungskapazitäten, die es im Interesse der Volkswirtschaft aber auch der Bürgerakzeptanz zu nutzen gilt.

Die Speicherung von nicht bedarfsgerecht erzeugter erneuerbarer Energie ohne explizite Rückverstromung aber bei der Rückführung der Energie in ein öffentliches Versorgungsnetz wie z.B. Nah-/Fernwärmenetze oder das Erdgasnetz kann zudem eine Speicherdienstleistung darstellen. Diese kann bei einem systematischen Integrationskonzept zu einer Entlastung der Netze beitragen. Der Um- und Ausbau der Stromnetze kann durch Power-to-Hydrogen sicherlich nicht ersetzt werden, jedoch kann es zu temporären Entlastung der vorhandenen Netze kommen.

Die von den Kritikern angeführten Argumente, dass eine Beimischung von Wasserstoff über 2% im bestehenden Gasnetz uns vor nicht lösbare Aufgaben stellt, ignoriert die Geschichte. Im Stadtgas war bis 1989 bis zu 50% Wasserstoff enthalten, ohne dass dieses zu relevanten Problemen geführt hat. Sicherlich hat die Technologie auch auf der Anwenderseite sich ebenfalls weiter entwickelt, aber mit einer langfristigen und verlässlichen Energiestrategie Deutschlands und der EU können sich alle Akteure auf die sich ändernden Gasqualitäten einstellen. Die benötigten Technologien hierfür stehen allesamt zur Verfügung.

Wie viel Speicher braucht das Land?

Eine Umstellung auf überwiegende erneuerbare Energien stellt uns vor die Herausforderung das volatile Energieangebot aus Wind und Sonne an das Verhalten der Konsumenten anzupassen. Das System muss gewährleisten, dass zu jedem Zeitpunkt der elektrische Energiebedarf im ausreichenden Maße und in der gewünschten Qualität zur Verfügung gestellt werden kann. Wasserstoff eignet sich im Gegensatz zu den Energieträgern zur Speicherung großer Energiemengen über einen längeren Zeitraum.

Wasserstoff biete aber viel mehr als nur ein Stromspeicher zu sein. Ziel muss es doch sein möglichst so wenig Strom wie möglich für die spätere Stromnutzung zu speichern, vielmehr muss die Strategie sein durch einen entsprechend großen erneuerbaren Energiepark zu den meisten Jahresstunden, trotz dem volatilen Energieangebotes, genügend Strom dem Markt zur Verfügung stellen zu können. Die bei einer derartigen Strategie zwangsläufig entstehenden nicht im Stromsektor verwertbaren Energiemengen können volkswirtschaftlich sinnvoll als strombasierte Kraftstoffe, die allesamt auf dem Grundstoff Wasserstoff basieren, anderen Energiesektoren zur Verfügung gestellt werden.

Wasserstoff  macht mobil

Wasserstoff ist somit der Energieträger, der Strom und Verkehr zu einem kommunizierenden System werden lässt und so zu Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz – und somit auch zum Erhalt des Wirtschaftsstandortes Deutschland – im erheblichen Umfang beitragen wird (Vgl. MKS 2012). Nur eine umfassende Systembetrachtung des Netzausbaus, Erzeugungs- und Lastmanagements, zentrale und dezentrale Erzeugung, Energiespeicherung und Nutzung des Wasserstoffs im Verkehr wird die Kostenentwicklung der Energiewende dämpfen. Unter Berücksichtigung der breiten Einführung effizienter Brennstoffzellen und batterieelektrischer Fahrzeuge beträgt der Strombedarf bei der Annahme einer unveränderten Verkehrsleistung ca. 400 TWh/a. Diese muss neben dem Strombedarf mit erneuerbaren Energieanlagen zur Verfügung gestellt werden.

Ohne gesetzliche Regulierung geht nichts

Der aktuelle Rechtsrahmen erlaubt keinen wirtschaftlichen Betrieb von Power-to-Hydrogen Systemen, unabhängig vom Verwendungspfad. Bei Beibehaltung des gegenwärtigen Rechtsrahmens werden die erheblichen Chancen, die durch eine breite Markteinführung in relevanten Größenordnungen erzielbar wären, zur Senkung der Kosten für die Energiewende aber auch für die industrielle Marktentwicklung nicht genutzt werden können.

Für die erfolgreiche Markteinführung und damit auch Investitionen in diese innovative Systemlösung, ist eine rechtliche Klarstellung der Eigenschaft von Power-to-Hydrogen als Nicht-Letztverbraucher zwingend notwendig.

Darüber hinaus sollte Wasserstoff bzw. Methan, der auf Basis erneuerbaren Stroms erzeugt wurde, auf die Biokraftstoffquote und ab 2015 auf die Treibhausgasminderungsquote mit dem Vierfachen seines Energiegehalts angerechnet werden.

Volkswirtschaftlicher Nutzen von Wasserstoff

Durch die Nutzung der Gasinfrastruktur wäre bereits unter den heutigen regulatorischen Gegebenheiten ein weiterer Ausbau der Windenergie bis zu 10.000 MW ohne einen größeren Ausbau der elektrischen Infrastruktur möglich. Somit können trotz aktuell fehlender Netzkapazitäten durch die Systemintegration der Elektrolyseure weitere Windenergieanlagen, insbesondere Offshore, errichtet und inbetrieb genommen werden.

Eine weitere Herausforderung ist die soziale Dimension einer Energiewende im Verkehr. Die Ausgaben für Mobilität hatten 2010 einen Anteil von 14 Prozent an den Konsumausgaben privater Haushalte wohingegen im Stromsektor ca. nur 2% aufzuwenden sind. Eine Preiserhöhung von Treibstoffen wirkt sich somit erheblich stärker auf den Wohlstand deutscher Familien aus als die oftmals populistisch diskutierte steigende EEG-Umlage.

Power-to-Hydrogen stärkt die Unabhängigkeit von Öl- und Gasimporten. Der Importanteil zur Deckung des gesamten Primärenergieverbrauchs von Deutschland beträgt rund 60%, bei Mineralöl ca. 97% und bei Erdgas ca. 86% (EU 84% Ölimporte bzw. 370 Mrd. EUR). Power-to-Hydrogen ist in der Lage  einen inländisch erzeugten, Co2-neutralen Energieträger bereit zu stellen, der für ein breites Einsatzgebiet zur Verfügung steht und hierbei zur Erreichung der energiepolitischen Ziele beiträgt.

Ein weiterer positiver Nebeneffekt wäre, dass die EEG-Umlage um die Strommengen, welche zur Wasserstoffproduktion benötigt werden, aufgrund der Direktvermarktung gemäß EEG § 33b Ziff. 3 bei einer installierten Leistung von 1.000 MW mit bis zu 190 Mio. EUR entlastet wird.

Fazit

Power-to-Hydrogen wird ein wichtiger Erfolgsfaktor der Energiewende sein. Je eher dieses von den Akteuren erkannt wird, umso effektiver und ökonomischer wird der Umbau der Energiewirtschaft erfolgen können. Wasserstoff ermöglicht aufgrund seiner vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten dabei einen fließenden Übergang von einer fossilen Energiewirtschaft in eine moderne, verantwortungsvolle und sozial gerechte Energiewirtschaft.

Gastautor Werner DiwaldFoto: ENCON.Europe GmbH

Gastbeitrag von Werner Diwald. Herr Diwald ist geschäftsführender Gesellschafter des auf Energiewirtschaft spezialisierten Beratungsunternehmens ENCON.Europe GmbH. Herr Diwald hat als Sprecher der Initiative performing energy das Thema „Power to Gas“ in Deutschland mit geprägt. Von 2008 bis 2013 war Herr Diwald Vorstand der ENERTRAG Aktiengesellschaft und verantwortlich für den gesamten Bereich der internationalen Projektentwicklung von Windfarmen sowie Technologieentwicklung und Anlagenbau im Bereich Wasserstoff (Elektrolyse, Hybridkraftwerk). Basierend auf seinen Aktivitäten konnte die ENERTRAG erfolgreich mehr als 800 MW Windkraftleistung installieren und das erste industrielle Hybridkraftwerk in 2011 inbetrieb nehmen. In 2011 baute er federführend die ENERTRAG HyTec GmbH auf, welche Elektrolyseure entwickelt und herstellt. In 2012 lieferte ENERTRAG bereits erfolgreich eine 6 MW Elektrolyseanlage aus. Darüber hinaus ist Herr Diwald Vorstandsvorsitzender im Deutschen Wasserstoff und Brennstoffzellenverband (DWV), Mitglied im Kuratorium der Brandenburgischen Technischen Universität, Sprecher der Initiative performing energy, Mitglied im Bundesfachausschusses Klima-, Umwelt und Energiepolitik der CDU und Mitglied in der Bundesfachkommission Energiepolitik des Wirtschaftsrates Deutschland.