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DNV-GL-Prognose zum Energiemix

Welt wird 2050 überwiegend erneuerbare Energien nutzen – und ein wenig mehr Atomkraft

Der internationale Energiemarktberatungs- und Ingenieurdienst DNV GL hat seine Prognose zu Investitionen in die Energieversorgung und zum Energiemix aufgrund der Energiekrise infolge des Ukrainekrieges angepasst: Erstmals sieht er für 2050 ein Übergewicht der erneuerbaren Energien im globalen Energieversorgungsmix voraus. Wie DNV GL am Donnerstag mitteilte, erwarten die eigenen Studienautoren langfristig aufgrund der jetzt stattfindenden Loslösung vom Krieg führenden Russland und dessen Lieferungen fossiler Energierohstoffe verstärkte Bemühungen der Länder Europas und entsprechend mehr private Investitionen für eine unabhängigere Energieversorgung.

Demnach würde die Beschleunigung der Energiewende vor allem durch eine stärkere Elektrifizierung der Energieversorgung erfolgen – wobei der Strom dank rasch zunehmender Erzeugung aus Erneuerbare-Energien-Anlagen immer grüner wird. Die weltweite Stromerzeugung wird sich gemäß der neuen DNV-GL-Prognose in den kommenden knapp 30 Jahren mehr als verdoppeln. Der Stromanteil an der Energieversorgung der Weltbevölkerung sowohl aus der Steckdose in Gebäuden, als auch im Verkehr, in der Wärmeversorgung und Kühlung oder beispielsweise in der Herstellung synthetischer Energieträger etwa für Industrieprozesse wird von heute 19 auf dann 36 Prozent zunehmen. Während Sonnen- und Windstrom schon jetzt an den meisten Orten der Welt die preisgünstigste Elektrizität ist, werden diese beiden Energiequellen bis 2050 Anteile von 38 und 31 Prozent an der Stromversorgung erreichen.  

Auch das Geldvolumen der Investitionen in den Ausbau von Grünstromerzeugungsanlagen wird gemäß der DNV-GL-Prognose rasch zunehmen. Demnach werden sich die Investitionen in Erneuerbare-Energien-Stromanlagen sogar schon in den kommenden zehn Jahren verdoppeln, auf mehr als 1.300 Milliarden US-Dollar im Jahr schon Anfang der 2030-er Jahre. Auch die Investitionen ins Stromnetz, um den anschwellenden grünen Strom bundesweit zu verteilen, werden in der aktuellen Dekade stark zunehmen, besagt die Studie. Im Jahr 2030 werden gemäß ihr rund 1.000 Milliarden US-Dollar in die Leitungsinfrastruktur fließen.

Allerdings führten die Sorgen um die Energieversorgungssicherheit auch zu einem aufblühenden Interesse an der Atomenergie. Deren weltweite Erzeugungskapazität werde 2050 deshalb um 13 Prozent größer sein, als heute. Weil diese Zunahme aber weit hinter der des Ausbaus der erneuerbaren Energien sowie der elektrischen Versorgung insgesamt zurückbleiben werde, werde zugleich der Anteil der Atomkraftwerke am Strommix sich von heute zehn auf fünf Prozent im Jahr 2050 reduzieren.

Kurzfristig bremsen dennoch die Energiekrise und die mit ihr zusammenhängende von Europa ansatzlos betriebene Abkehr von russischen Energielieferungen, die gegenseitigen Sanktionen zwischen Russland und der europäischen Union und die Lieferengpässe und Logistikprobleme infolge von Coronapandemie und Handelsstreit insbesondere mit China. Weil aber die starke Kostenreduktion der erfolgreichen Erneuerbare-Energien-Technologien das Interesse der Investoren dennoch auf hohem Niveau bestärkt, ist auch die kurzfristige Auswirkung auf die Energiewende nicht so stark. So werde sich der Zeitpunkt, zu dem der Anteil der Elektroautos am Fahrzeugverkauf erstmals die 50-Prozent-Schwelle übertrifft, um nur ein Jahr von 2032 auf 2033 nach hinten verschieben.

„Die Turbulenz im Energiemarkt ändert den Dekarbonisierungspfad bis zur Mitte des Jahrhunderts nicht dramatisch, sagte DNV-GL-Präsident bei Bekanntgabe der Ergebnisse. „Stärkster Motor der globalen Energiewende sind die rapide sinkenden Kosten von Sonnen- und Windenergie, die die gegenwärtigen kurzfristigen Schocks für das Energiesystem ausgleichen werden.“

Allerdings hält sich DNV GL ganz offensichtlich in allen Aussagen zurück, die negative Auswirkungen des Ukrainekrieges deutlich benennen könnten. So heißt es in der Mitteilung zur neuen Prognose nur, der Ölverbrauch in Europa werde anstelle des Gasverbrauches 2022 etwas zunehmen, aber nicht signifikant – während aus Russland nur noch ein Bruchteil der bisherigen Erdgasvolumen ankommt. Während der fossile Energieträger Öl jetzt deshalb noch auf einem Plateau seiner Verbrauchskurve verharre, werde dessen Verbrauch ab 2030 stark abfallen. Auch die ebenfalls kurzfristige Zunahme der Kohlenutzung werde „nicht verhindern, dass Kohle als Energieträger rasch aus dem Energiemix verschwinden wird“, teilt DNV GL entsprechend vage mit.

Eindeutig ist hingegen die Aussage zum Energierohstoff Erdgas, dessen Verbrennung weniger für die Klimaerwärmung verantwortliches Kohlendioxid (CO2) verursacht als Öl und Kohle. Die Erdgasnutzung gilt deshalb in der globalen Energiebranche und offenbar auch bei DNV GL langfristig weiterhin als Brückentechnologie zur Ergänzung der wetterabhängigen Wind- und Sonnenstromerzeugung. Erdgas werde infolge der Absetzbewegungen Europas von russischen Erdgaslieferungen nun nicht schon Ende 2030 wie in der vergangenen DNV-GL-Prognose angenommen zur größten einzelnen Energiequelle weltweit sondern erst 2048, teilte das Unternehmen mit.

Die von der Politik und der Energiebranche für die Begrenzung des Klimawandels angestrebte Wasserstoffzeitenwende benötige hingegen noch etwas länger, sagt DNV-GL-Sprecher Peter Lovegrove auf Anfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN. Langfristig soll grüner Wasserstoff nach den Plänen der Energiepolitik in Europa das Erdgas vollständig ersetzen und als emissionsfreier Energieträger sowohl in Kraftwerken, als auch fürs Heizen, im Verkehr und in Industrieprozessen zum Einsatz kommen. Der grüne Wasserstoff soll aus Elektrolyseuren kommen, die mit überschüssigem Wind- und Solarstrom aus Wasser den emissionsfreien Zukunfts-Energieträger herausspalten. Allerdings werde fehlende Wirtschaftlichkeit die Entwicklung bremsen, weshalb Wasserstoff 2050 im realistischsten Szenario nur einen Anteil von fünf Prozent an der Energieversorgung erreichen werde. Bestenfalls, falls die Welt das Klimaschutzziel einer Erderwärmung um nur 1,5 bis 2,0 Grad Celsius dank entsprechend beschleunigter Energiewende doch noch erreiche, sei ein Anteil des Wasserstoffs an der Energieversorgung im Jahr 2050 von 15 Prozent denkbar.

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