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Expertengespräch über Windpark-Digitalisierung

"Leichtbau ist unsere Herausforderung!"

Was fehlt noch, dass ein Windpark zum Kraftwerk wird?

Schubert: Um die Frage nach den schon erreichten Kraftwerkseigenschaften zu beantworten, muss man vielleicht einmal historisch zurückblicken: Wie sind denn CMS-Systeme überhaupt in die Anlagen reingekommen? Es waren doch die Versicherungen, die deren Einbau verlangt hatten, nachdem die Getriebe in der WEA am Anfang reihenweise kaputt gegangen sind.. Dann haben die Hersteller im Endeffekt irgendwelche Schwingungssysteme eingebaut. Sie haben ja sicherlich auch noch welche gelötet, Herr Fritsch nicht wahr?

Fritsch: lacht.

Schubert: Die ersten CMS-Systeme waren ganz rudimentär am Triebstrang montiert, sechs Schwingungssysteme mehr nicht und keine Datensychronisierung. Wenn man heute die Stromgestehungskosten runterbringen möchte, muss man in den heutigen Wind-Großkraftwerken technisch eine Menge an Entwicklungsaufwand betreiben..

Ist die Branche hier nicht doch schon weiter? Sie setzt sie von sich aus schon auf gute Steuerelektronik und Sensoren. Herr Fritsch, wo müsste die Branche Ihrer Meinung nach noch konservative Einstellungen überwinden?

Fritsch: Eine ganz wichtige Forderung bleibt der konsequente Einsatz der inzwischen vorhandenen Standards wie beispielsweise die IEC 61400-25, VDI 3834, DIN ISO 10816-21, OPC UA und von RDS-PP, um nur einige zu nennen. Wenn jeder nur seine eigene Worterfindung auf den Auftrag schreibt, können wir die zusammengehörigen Daten für  Fehleranalysen einfach nicht mehr finden. Das nächste wäre, dass Techniker mit Juristen und den Kaufleuten der Firmen darüber sprechen, welche Daten benötigt werden: Anlagenhersteller gehen erfahrungsgemäß sehr wohl auf Forderungen bestimmter Betreiber ein. Aber diese technischen Forderungen werden zu oft in den Vertragsverhandlungen gar nicht gestellt.

Langer: Gegenrede: Die Anlagentechniken sind inzwischen so zusammengewürfelt, dass eine Standardisierung im Nachhinein schwierig zu realisieren ist. Die Standards gibt es: Das Bauteilkennzeichnungssystem RDS-PP, die Datenaquise und die Datenübertragung nach IEC 61-400-25 und OPC UA. Wobei ich noch nicht abschließend beurteilen kann, ob sich die Windbranche mit dem IEC 61400-25 einen Gefallen getan hat. Für diesen IEC-Standard ist das Rad neu erfunden worden, dieser   gilt als spezielle Softwareschnittstelle für Windenergieanlagen- – abgekoppelt von vorhandenen Softwarelösungen aus dem  konventionellen Kraftwerksbereich. Die Folge:der Einsatz verursacht zusätzliche Kosten, weil es für ihn nur wenige vorhandene Softwarelösungen gibt.

Besteht denn Einigkeit über den Stand der Technik bei Sensorik und Steuerungstechnologie: Außer Fehler- und Lastspitzenmonitoring sowie Erfassung kritischer Betriebszustände können die Systeme heute akkumulierte Lasten feststellen – für Lebensdauerabschätzung und daraus folgende Designverbesserungen?

Alle: Nein.

Fritsch: Nein. Es wäre ja super, wenn wir da wären: Wenn man ein Windenergieanlagenportfolio anschauen könnte, und wir würden erkennen, wie viel , Hauptlager, Getriebe, Blattlager oder sonstiges ich mir für jede Anlage bereit legen muss, weil ich die Reparaturen fürs nächste Jahr voraussehe. Das fehlt völlig! Manche Herausforderungen aber werden überschätzt: Zum Lastmonitoring muss ich beispielsweise nicht in ein teures Lidarsystem investieren (Ein Lasersystem zur Messung der Windverhältnisse vor einer Windenergieanlage, die Redaktion). Ist ein übliches Sensorsystem ganz ohne Lidar in den Rotorblättern einer Multimegawattanlage eingebaut, bleibt meist fast noch eine Sekunde Zeit um auf einen an denBlättern verspürten Windstoß zu reagieren. Bis die Last sich nach hinten zur Anlage durchgewirkt hat, kann eine schnelle Steuerung im übertragenen Sinne erst einmal „Kaffee trinken“ gehen. 

Langer: Wir sprechen jetzt ja über die Anlagenweiterentwicklung der Zukunft. Schon heute sind die aktuellen Anlagengenerationen  extrem optimiert , gelten als Leichtbau.. Das ist ja gerade unsere Herausforderung, dass wir immer weiter an die konstruktiven Grenzen unserer Anlagen heran gehen müssen, um sie wirtschaftlicher zu machen. Infolgedessen können einzelne Bauteile versagen. Aber wenn wir als Branche die Forderung der Politik, die Energieentstehungskosten weiter zu senken , umsetzen wollen, müssen wir eben komplett an die Materialien ran undmüssen wir zudem die Windenergieanlagen optimiert betreiben

Brandt: Wenn das Material das aushält, ist es gut. 

Langer: Wenn es funktioniert haben wir definitiv kein Problem. Doch wenn diese Bauteile vor dem erwarteten Lebensdauerende versagen, reden wir über eine Ersatzteil-Bevorratung für teure Tauschexemplare.

Alle beteiligten Parteien und Gewerke müssen mit allen reden und aufeinander zugehen, so habe ich nun von Ihnen gelernt. Welche aber muss mit ihren Daten vorangehen, damit sich die Beteiligten nicht zu lange nur in Trippelschritten vortasten und doch von der Entwicklung überholt werden.

 Brandt: Ich will auch nicht einfach was verraten …

((Alle lachen))

Brandt: Klar müssen sich alle annähern. Jeder hütet seine Kronjuwelen. Dong …

… als großer Windparkinvestor und Betreiber …

Brandt: hat aber andere Verträge mit Siemens verhandelt. Dazu gehören Vereinbarungen zu den Schnittstellen in der Anlagensteuerung und -Überwachung, zum Datenmanagement und zu den Dokumentationen. Da wird der Markt jetzt für kämpfen – für diese Datenweitergabe. Da müssen jetzt die Gerichte ran, kartellrechtlich und zivilrechtlich. In irgendeiner Relation von 80:20 werden wir Recht bekommen, dass die meisten Daten freigegeben werden müssen und einige wenige Bereiche in der betrieblichen Geheimhaltung bleiben dürfen.

Das Gespräch führte Tilman Weber. Mit dem folgenden Link önnen Sie den schon in unserem Printmagazin im August veröffentlichten Teil des Streitgesprächs auch als PDF lesen.