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Interview

"Ohne Deckel sinken die Kosten"

Ove Petersen ist Mitgründer der Firma GP Joule, die auch auf dem Windbranchentag Schleswig-Holstein am 18. April präsent sein wird.

Der Koalitionsvertrag sieht vor, den Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix bis 2030 auf 65 Prozent zu steigern. Dazu soll der Ausbau der Windenergie auf See und an Land intensiviert werden. Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht am besten geeignet?
Ove Petersen: Will man das 65-Prozent-Ziel effizient erreichen, muss der Ausbaudeckel für die Onshore-Windenergie schnell weg. Er verträgt sich nicht mit den Klimaschutzzielen. 65 Prozent Erneuerbare reichen dafür bei der Stromerzeugung 2030 nicht aus. Vielmehr muss diese Energie über die Sektorkopplung in den Wärmemarkt, die Mobilität und die Industrieanwendungen gebracht werden. Dabei sollte der Strom anteilig direkt genutzt sowie zum Beispiel als grüner Wasserstoff vielseitig eingesetzt werden.
Wenn die Deckelung bleibt, kann das Kosten­senkungspotenzial der Windkraft infolge des Wettbewerbs um Flächen und des Einpreisens versenkter Kosten für nicht realisierter Projekte nicht ausgenutzt werden. Zudem können wir die Strommengen gar nicht erzeugen, die wir für das 65-Prozent-Ziel brauchen. Dies gilt ebenso für den Fall, dass auch an der Begrenzung des jährlichen Zubaus von 902 Megawatt (MW) im sogenannten Netzausbaugebiet festgehalten wird.
Des Weiteren sollten die Restriktionen und Tabukriterien, die den Bau neuer Windparks an immer mehr Orten verzögern oder verhindern, auf ein möglichst bundesweit einheitliches Mindestmaß reduziert werden. Ansonsten würde auch ein Abschaffen des Ausbaudeckels ins Leere laufen, weil die beplanbaren Flächen fehlen. Auch dies würde die Kosten der Stromerzeugung künstlich verteuern.
Die Einigung der schleswig-holsteinischen Landesregierung auf Eckpunkte zu den neuen Grundsätzen der Windkraftplanung sehen wir durchaus positiv, wenngleich sie leider zu einem sehr späten Zeitpunkt – erst wenige Wochen vor Veröffentlichung der Regionalpläne – erfolgt ist. Aber: Man hält am verbindlichen Ziel fest, dass 2025 Windkraftanlagen mit zehn Gigawatt (GW) Nennleistung im Land installiert sein sollen. Ebenso hat man es geschafft, den populistischen Wettlauf um die Definition von immer größeren Mindestabstandsvorgaben von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung nicht einfach mitzumachen, ohne über alternative Lösungen nachzudenken. Höhere Mindestabstände stärken nicht automatisch die Akzeptanz des Windkraftausbaus, aber verhindern in jedem Fall Klimaschutz und Fortschritte bei der Energiewende.

Sie sprechen Kosten und volkswirtschaftliche Effizienz an. Wäre es mit Blick darauf nicht sinnvoller, den Ausbau der Offshore-­Windenergie noch deutlicher zu intensivieren? Immerhin haben die letzten Ausschreibungen gezeigt, dass Gebote ohne Vergütung bezuschlagt werden.
Ove Petersen: Davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Volkswirtschaftliche Kostentreiber der Offshore-Windkraft sind vor allem die enormen Kosten der Netzanbindung und des weiten Transports. Letzterer geht häufig mit Bürgerwiderstand einher. Erzeugt man also mehr Offshore-Windstrom, steigen auch Netz­ausbaubedarf, Kosten und Widerstände immer weiter. Onshore-Strom kann dezentral erzeugt und erzeugungsnah in allen Sektoren genutzt werden. Es entstehen regionale Märkte, die die günstigen Erzeugungskosten der Windkraft bei den Verbrauchern ankommen lassen.
Dies stärkt die Akzeptanz des Windkraftausbaus: Wenn die Bürger mit dem Windstrom aus der nahen Anlage ihr Auto laden oder wenn der Regional­zug mit Wasserstoff aus Windstrom von nebenan fährt, entsteht neue lokale Wertschöpfung und die Menschen erleben den individuellen Nutzen.
Man sollte also nicht auf die Ausschreibungsgebote schauen, sondern auf die gesamten Infrastrukturkosten. Berücksichtigt man die, ist Onshore-­Windstrom häufig die bessere Wahl.

Sie sprechen die erzeugungsnahe Nutzung von Onshore-Windstrom in allen Sektoren an. Derzeit ist diese zwar möglich und sinnvoll, aber nicht immer wirklich wirtschaftlich und für die Verbraucher attraktiv. An welchen Stellschrauben müsste gedreht werden, damit sich das ändert?
Ove Petersen: Der Rechtsrahmen und die Regulierungslogik für die Abnahme von Strom stammen aus einer Zeit, in der es wenige große Kraftwerke gab, die rund um die Uhr quasi Maximalleistung erzeugen sollten. Heute wird nach wie vor mit reduzierten Netzentgelten belohnt, wer mindestens über 7.000 Stunden im Jahr Strom bezieht und insgesamt zehn Gigawattstunden oder mehr verbraucht.
Dieses Prinzip sollte umgekehrt werden: Je flexibler mit Blick auf die Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom ein Abnehmer Strom verbraucht, desto geringer sollten die Kosten für die Netz­entgelte sein.
Außerdem wäre es sinnvoll, eine entfernungsabhängige Netzentgeltkomponente einzuführen: Wer Strom verbraucht, der aus dem Windpark in der Umgebung stammt, sollte über günstigere Netz­entgelte davon profitieren. Dies entspräche einer marktwirtschaftlichen Logik.

Das Interview ist Teil einer Sonderpublikation für den Windbranchentag Schleswig-Holstein.