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Kommentar zu Forschung an Windprognosen

Näher ran an die Ressource

Vielleicht ist es schon ein Signal für künftige Sturmernten der Windkraft nach den höchst ertragreichen Orkanen im Dezember und Januar. Ein Signal dafür, dass die Windbranche solche Ertragssegen möglichst eins zu eins in gutes Geld aus dem Stromverkauf umsetzen können. Schlimmstenfalls bleibt die jetzt gemeldete Finanzierung zweier Windprognoseprojekte selbst nur ein laues Lüftchen in der Forschungsförderung. Aber sicher ist: Die Windkraft kann nur durch immer bessere Ertragsprognosen so schnell so effizient werden, wie von ihr verlangt.

Mit 420.000 Euro und für eine Laufzeit von zwei Jahren finanziert das Bundeswirtschaftsministerium wie jetzt bekannt gegeben ein neues Projekt des Karlsruher Meteorologie- Dienstleisters European Weather Consult (EWC) und des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart. Dieses soll eine neuartige Methodik der sogenannten Windleistungsprognosen so weit perfektionieren, dass die Fehlerquote der Vorhersagen der viertelstündlichen Windstrommengen am Folgetag erstmals unter drei Prozent sinkt. Diese Day-Ahead-Prognosen hatten noch 2004 bestenfalls um acht Prozent neben die realen Einspeiseleistungen des Folgetages getippt, verbesserten sich aber bis 2009 bereits auf vier bis fünf Prozent Ungenauigkeit – jeweils bezogen auf die installierte Anlagengesamtleistung. 2013 lagen die Windleistungsprognosen noch um 3,5 Prozent daneben.

Projekt Windsage

Die Entwickler des Projekts namens „Windsage“ wollen dabei einerseits zehn Vergleichsprognosen heranziehen, gerechnet nach verschiedenen am Markt vorhandenen meteorologischen Modellen. Danach soll ein Rechenprogramm diese Prognosen mit Prognosen der vergangenen zwei bis drei Jahre für jedes der zehn Wettermodelle abgleichen. Der Trick: Verbunden wird die Wetterkalkulation mit einem lernenden Computerprogramm, das aus den Daten virtuell neuronale Netze wie die eines Gehirns knüpfen soll. Die Forscher wollen damit vollautomatisiert herausfinden lassen, welche Kombination von Prognosen und Bodenmessdaten die beste Vorhersage für Windeinspeisungen liefert. Dann würden das Computerprogramm mal mehr die Berechnungen des einen Wettermodells und mal mehr die des anderen Wettermodells gewichten und so die Vorhersagekurve für den Folgetag ermitteln. Dazu stellt das ZSW nicht nur das neuronale Rechenprogramm, sondern auch große Hochleistungscomputer zur Verfügung.

Im Gesamtvolumen der Forschungsförderung nimmt sich das Projekt klein aus: Noch im vergangenen Sommer zählte das Bundeswirtschaftsministerium unter den laufenden häufig zwei bis drei Jahre dauernden Entwicklungsvorhaben Projekte mit insgesamt elf Millionen Euro auf, die Windprognosen zum Ziel haben. Zieht man die vor allem auf eine bessere Planbarkeit der Errichtung und Wartung von Offshore-Windturbinen zielenden Prognosen ab – Wind und Wellen können die Arbeit von Service- und Aufbauteams plötzlich verhindern – bleiben kaum mehr als zehn Millionen. Das ist angesichts von gut 130 Millionen Euro neu ausgegebener Förderungen für die Windkraftforschung insgesamt in den vergangenen drei Jahren nicht viel.

Doch Forschung an Windprognosen ist extrem wichtig. Denn an Generatoren oder Getrieben selbst sind die Energieeffizienzwerte mit bis zu 98 oder 99 Prozent kaum mehr sinnvoll zu steigern. Mehr Effizienz der Windkraft kommt in Zukunft daher außer vielleicht aus der Steuerung von Windparks vor allem aus einer besseren Einschätzung der Ressource Wind. Hinzu kommt, dass neue Direktvermarktungsregeln für Windstrom wie in Deutschland und zunehmende Ausschreibungsverfahren für die Windstromerzeugung dafür sorgen, dass die besten Einspeiseprognosen die besten Börsenpreise erzielen können. Zudem vermindern gute Prognosen den Zukauf teurer Regelenergie zum Ausgleich kurzfristiger Fehlbeträge in den Stromtrassen.

Höhere Ressourceneffizienz: Manchmal Halbierung der Reserveleistung möglich

Meerwind_Offshore08 - © Foto: Denny Gille
Meerwind_Offshore08

Das weiß man auch beim Windenergieforschungszentrum Fraunhofer IWES. Dort organisiert Projektleiter Malte Siefert das größte derzeitige Forschungsprojekt für bessere Einspeiseprognosen. Das mit dem Akryonym Eweline benannte Projekt erhält für die Laufzeit von drei Jahren sieben Millionen Euro. Es zielt wesentlich darauf ab, das Vorhalten speziell der Reserveleistungen zu reduzieren. „Die entscheidende Größe zum Verständnis des Vorhabens ist: Noch immer liegen die Spitzenabweichungen der Prognosen bei 100 Prozent der Reserveleistungen“, sagt Siefert. Soll heißen: Kurzfristig könnte die von den Netzbetreibern vorgehaltene Kraftwerks-Reserveleistung im Extremfall vollständig abgerufen werden müssen.

Die mit einem 30-köpfigen Lenkungskreis prominent begleitete Forschung unter Federführung des IWES will Wahrscheinlichkeitsberechnungen in die Prognosen einbeziehen. Doch Siefert sieht noch viel weiteren Bedarf für Forschung an Windvorhersagen: Es seien „im Moment noch so viele Ideen da, die für eine weitere Verbesserung der Erzeugungsprognosen ausprobiert werden müssten“, sagt Siefert.

Es mag Zufall sein, dass fast zeitgleich auch ein Forschungsprojekt des nordrhein-westfälischen Ingenieurbüros BBB den Förderzuschlag erhielt. Mit 100.000 Euro unterstützt das Bundeswirtschaftsministerium die neuerliche Erkundung der Lidar-Technologie für Gutachten dazu, wie viel Windernte ein anvisierter neuer Windparkstandort verspricht. Auch gut ausgewählte Standorte können künftig bessere Stromverkaufspreise zulassen. Vor allem aber entscheiden sie mehr denn je über die mögliche Verdienstmarge von Projekten mit und ob Stromhändler sich um die Vermarktung des Windstroms von dort reißen oder nicht. Die Lidar-Technologie – ein 2014 in Deutschland erstmals als alleine ausreichend für Standortgutachten zugelassenes Laser-Messverfahren – kann die Windverteilung bis in die äußerste Höhe moderner Großflügelrotoren messen. BBB betreibt das Forschungsprojekt in Brasilien, erhält dort Grundstück und die gesamte Infrastruktur von einer Universität. Ziel ist es, das Messverfahren mit vielen Tests zu verfeinern.

Lidar-Forschungsprojekte gibt es allerdings schon viele, vielleicht weil da eine neue Exporttechnologie heranreift. Was noch fehlt ist eine regelrechte Kampagne, um wichtige Themen auch ohne sofortige neue Verdienstmöglichkeiten zu fördern wie Speicher und eben auch Einspeiseprognosen. Für den Sturm nicht nur im Wasserglas.

(Tilman Weber)