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Alstom schiebt mehr Grünstrom ins Netz

Die neue Einrichtung im Umspannwerk Bergrheinfeld-West in Nordbayern könnte leicht zu spät kommen oder auch nicht. Auf jeden Fall wird sie den Wegfall des Atomkraftwerks (AKW) Grafenrheinfeld im Mai 2015 und dessen netzstabilisierende Wirkung im Stromnetz kompensieren, geht es nach dem Willen von Alstom-Kunde Tennet. Ende 2015 wird der so genannte rotierende Phasenschieber von Alstom mitsamt dem ebenfalls ganz neuen Umspannwerk Bergrheinfeld-West nach der jetzigen Planung gebaut sein.

Nahe an dem dann ehemaligen AKW von Stromkonzern Eon wird diese Alstom-Technologie mit einer Leistung von 400 Megawatt als so genannter rotierender Phasenschieber benötigte Blindleistung für das 380-Kilovolt-Übertragungsnetz von Tennet erzeugen. Und zwar die Blindleistung, die bisher das AKW in dieser Tennet-Netzregion bereitgestellt hatte. Dabei ist Blindleistung ein Teil der gesamten elektrischen Leistung im Netz, der zwar nicht als Wirkleistung Maschinen antreibt, der aber die elektromagnetischen Felder beispielsweise zum Betrieb von Generatoren oder überhaupt zum Stromtransport aufbaut. Außerdem reinigt Blindstrom beständig den so genannten echten Wirkstrom im Netz. Dessen Spannungs- und Stromkurven verschieben die elektrischen Maschinen beständig etwa beim Anfahren gegeneinander. Der eingespeiste Blindstrom gleicht hingegen diese Phasenverschiebungen wieder aus. Schließlich benötigt der Netzbetrieb Blindstrom auch, um die Spannungshöhe in einem Netzgebiet zu kontrollieren und wenn nötig anzuheben, wenn es einen Kurzschluss in einer Trasse gibt. In unter Blindstrom gesetzten Trassen kann der Netzbetreiber schneller detektieren, wo die Leitung gestört ist.

In ihrem technischen Kern wird die Anlage aus einem im Leerlauf rotierenden Generator bestehen. Im Motorbetrieb wird er dann als Phasenschieber arbeiten. „Bisher gab es so eine Einrichtung im deutschen Höchstspannungsnetz noch nicht“, sagt der Deutschland-Vertriebsleiter für das Alstom-Netzgeschäft, Axel Kossmann zu ERNEUERBARE ENERGIEN. Dagegen betreibt Stromkonzern RWE als Kraftwerksbetreiber im 2011 abgeschalteten südhessischen AKW Biblis seit 2012 einen der Generatoren ebenfalls als Phasenschieber. Doch anders als in Biblis wird bei Grafenrheinfeld nun erstmals eine entsprechende Einrichtung direkt in den Netzbetrieb integriert, wie Kossmann erklärt. Diese arbeite dort unbemannt, also ohne Personal und im Vollautomatikbetrieb.

Die Blindleistungsreichweite des luftgekühlten Generators wird das Netz in einem Umkreis von bis zu 100 Kilometer abdecken. Ziel der Anlage aber ist laut Kossmann mehr als nur die Aufrechterhaltung des Regelbetriebes. Der Phasenschieber-Generator solle helfen, „das Freileitungsnetz mehr auslasten zu können und zu putzen“. Soll wohl heißen: Während der Phasenschieber durch das Wiederzurechtrücken von Strom- und Spannungskurven tatsächlich den Strom wieder „reinigt“ soll der Generator mit seiner rotierenden Masse auch für eine gewünschte Trägheit im Betrieb sorgen: Kurzfristige Schwankungen der Blindleistungsversorgung im Milli- bis kleinen Sekundenbereich gleicht er durch seine Rotationsträgheit wieder aus: Das Netz saugt bei zu wenig Einspeisung aufgrund physikalischer Gesetze einfach ein bisschen mehr Blindleistung ab, bremst den Generator dabei, ohne ihn ausbremsen zu können.

(Tilman Weber)