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Wie gelingt Frankreich die Transformation des Energiesystems?

Auf der Konferenz des Deutsch-französischen Büros für die Energiewende im BMWK in Berlin drehte sich alles um die Flexibilisierung des Energiesystems durch Sektorkopplung. Florian Leduc, Referatsleiter Stromsystem, Programmierung und Netze im Wirtschaftsministerium Frankreich, stellte per Videoschalte den Rechtsrahmen für Sektorkopplung in Frankreich vor. Die Zuschauer erfuhren, dass die französische Strategie auf der Nationalen Low-Carbon-Strategie (SNBC) basiert, wo der Weg der Energiewende bis 2050 die CO2-Neutralität vorsieht. Dort seien laut Leduc bestimmte Möglichkeiten der Einflussnahme vorgegeben, die man aber noch beeinflussen könne. Parallel dazu gibt es als zweiten regulatorischen Rahmen das  Multi-Year Energy Program (PPE), das für die nächsten zehn Jahre präziser mit Themen wie Gas, Wärme und Treibstoffe umgeht: Ziel sei es, ausreichend Energie für die Industrie zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig CO2-Neutralität bis 2050 zu schaffen. 

Frankreich will den Anteil fossiler Brennstoffe an seinem Gesamtenergieverbrauch bis 2030 auf 42 % senken, indem es 360 bis 400 TWh Atomstrom und 546 TWh erneuerbare Energien produziert und seinen Gesamtverbrauch von 1.610 TWh im Jahr 2021 auf 1.200 TWh im Jahr 2030 reduziert.

Tipp!

Wie können unterschiedliche Energiegewinnungstechnologien effektiv integriert und vernetzt werden, um ein „erneuerbares Kraftwerk“ der Zukunft zu realisieren? Das ist eine der Fragestellungen, welche die Sectors4Energy-Konferenz am 2. und 3. Juli 2024 in Köln zu beantworten sucht.

Mehr dazu hier.

Im Herbst 2023 hieß es, Frankreich werde im nächsten Jahr sieben Milliarden Euro mehr in die Energie- und Klimawende investieren als im Jahr 2023. Von den zusätzlichen Finanzmitteln sind 2,3 Milliarden Euro für Naturressourcen und Landwirtschaft vorgesehen, darunter 500 Millionen Euro für forstwirtschaftliche Initiativen. 2,6 Milliarden Euro sind für die Renovierung von Gebäuden vorgesehen, darunter weitere 1,6 Milliarden Euro für den Wohnungsbau. Insgesamt werden bis 2024 in diesem Bereich fünf Milliarden Euro bereitgestellt. Darüber hinaus werden weitere 1,8 Milliarden Euro für die Entwicklung erneuerbarer Energien und 1,6 Milliarden Euro für Mobilität (einschließlich 1,4 Milliarden Euro für Infrastruktur) bereitgestellt. 1,8 Milliarden Euro sind für die Industrie und 0,8 Milliarden Euro für die Unterstützung der lokalen Behörden vorgesehen.

CO2-Reduktionspfad

SNBC

CO2-Reduktionspfad

Ein Modell 2023 geht davon aus, dass in Frankreich von 25 Prozent Strom am Energiemix heute eine Steigerung auf 60 Prozent 2050 stattfindet. Parallel müssten laut Leduc CO2 reduziert und zusätzlicher Energiebedarf deckt werden. Ein Anstieg des Energiebedarfs sei derzeit festzustellen; „aber langfristig will man den Energiebedarf reduzieren“, so Leduc. Bezüglich des Strombedarf betonte er, ein Teil werde in andere Bereiche gehen wie etwa Wasserstoff. Er sagte, die Prognose auf französischer Seite sehe einen um 25 Prozent steigenden Strombedarf bis 2035 vor. „Das ist ein großer Anstieg, der nur mit elektrischen erneuerbaren Energien zu bewältigen ist. Selbst wenn wir neue AKWs ans Netz bringen wollen, sind Erneuerbare doch der einzige Hebel. Bei PV soll es zur Versechsfachung kommen im Vergleich zu 2030. Wir erwarten einen Anstieg um 100 Terawatt bis 2050“, so Leduc.

Parallel zum Stromverbrauch brauchen wir Maßgaben für Einsparung von Strom. Strom für Mobilität und Gebäude wird mehr Flexibilität bringen. Für 2035 ist in Frankreich ein Strauß von Flexibilitätsmechanismen vorgesehen, um Nachfrage und Angebot zusammenzubringen. Jederzeit müsse es genug Strom für die Nachfrage geben. „Die Flexibilitätsmechanismen sollen bis Ende 2024 erarbeitet werden“, so Leduc. Maßnahmen sind finanzielle Anreize für Haushalte, vom Verbrenner zur E-Mobility zu wechseln. Der französische Umweltbonus für den Kauf von Elektroautos wurde für 2024 neu gestaltet. Er wird nur noch für Fahrzeuge mit einem niedrigen CO2-Fußabdruck gewährt, wodurch viele Modelle, die in diesem Jahr den Bonus erhalten haben, ausgeschlossen werden. Wasserstoff werde gebraucht für Industrie und Schwertransporte. Für den privaten Gebrauch setzt Frankreich wie Deutschland eher auf Elektrifizierung. Wärme soll in Frankreich im Privaten durch energetische Sanierung; Fernwärme, Wärmepumpe und Biogas erfolgen. Letztere soll zu 15 Prozent zum Heizen beitragen. In Frankreich werden zudem bis 2027 alle Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Elektrolyseure sollen ausgebaut werden; das Speichern von Wasserstoff in Salzstöcken ist ebenfalls vorgesehen.

Frankreich betreibt zudem Lastverschiebung. 6,5 GW sollen es bis 2028 werden. 25 Prozent Smart Meter hat Frankreich bereits - und die Franzosen haben laut Leduc eine lange Tradition von verschiedenen Tarifen. Wir werden damit erst noch starten und Deutschland hat auch einen geringeren Anteil an Smart Metern, die ein wichtiger Faktor für unterschiedliche Stromtarife sind. Eine einfache Vorgehensweise ist aber die, dass Verbraucher mehr auf die Mittagszeit geschoben werden, wenn viel Sonne verfügbar ist.

Weitere Möglichkeiten der Flexibilität sei in Frankreich auch die Modellierung mit AKW, die nach Jahreszeiten, vielleicht auch nach Tageszeiten gesteuert werden können. Eine jahreszeitliche Flexibilität wird aber die schnellen Volatilitätsschwankungen durch Wind und Solar kaum ausgleichen. Bei der E-Mobilität geht es in Frankreich derzeit schneller voran als bei uns, aber ebenfalls noch zu langsam. Man habe inzwischen eine bessere Ladeinfrastruktur, sodass in Frankreich keiner mehr Angst hat, dass man ohne Lademöglichkeit da steht. Außerdem gibt es finanzielle Anreize und Zonen des geringsten CO2-Ausstoßes, die E-Fahrzeuge nutzen können. 

Stephan Barth, Referatsleiter Verteilnetze im deutschen BMWK, betonte in seinem Vortrag: „Die Sektorkopplung ist der Schlüssel zur Dekarbonisierung.“ Wie integrieren wir Erneuerbare schnell ins Netz trotz Mangels, fragte er? 6 Mio. Wärmepumpen und 15 Mio. E-Fahrzeuge seien das Ziel 2030. Also ein enormes Plus an Stromverbrauchern. Laut einer Prognose von Agora Energiewende sei bei der Gesamtleistung am deutlichsten der wachsende Bedarf an benötigter Ladeleistung zu Hause 2035. Eine Chance seien dem gegenüber Heimspeicher, die Erneuerbarenüberschluss speichern und Netze entlasten. 

Eine vorausschauende Netzausbauplanung ist zudem wichtig, und die Anhebung von Erneuerbaren-Ausbau-Zielen sei ja bereits vor einem Jahr im Osterpaket geschehen. (nw)