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Interview mit Mainova-Technikvorstand

"Städte werden die Energiespeicher der Energiewende"

Sie erhoffen sich als Energieversorger einen Kapazitätsmarkt, der bereit gestellte Kraftwerksleistung auch ohne die Erzeugung von Strom auf einem Handelsplatz vergüten lässt. Doch diesen gibt es noch nicht – werden Sie also nicht an der Energiewende verdienen können?

Die wirtschaftliche Schieflage konventioneller Kraftwerke wird sich dadurch beheben lassen, dass kontrollierbare Erzeugungsleistung einen Preis bekommt. Wichtige Einnahmen wollen wir auf jeden Fall mit unserem Verteilnetz erzielen. Wir werden es künftig nur betreiben können, wenn wir hierbei smart sind. Wenn wir  in der Lage sein werden, während fünf Prozent der jährlichen Betriebszeit regelnd einzugreifen, können wir im Netz nahezu doppelt so viel volatile Energie übertragen. Und zwar durch Spannungsregler, durch Steuerung der Erzeugung, des Verbrauchs und durch weitere Maßnahmen eines Smart Grids. Sie müssen sich das so vorstellen: Wenn auf einer zweispurigen Autobahn immer wieder Autos zu lange auf der linken Überholspur verweilen oder dort auch mal ein Auto nach einem Unfall liegen bleibt, muss der übrige Verkehr auf der rechten Spur vorbei. Wenn Sie aber diese wenigen, wirklich nicht in den Verkehrsfluss passenden Autos da wegbekommen, verfügt der Gesamtverkehr wieder über zwei Spuren und fließt doppelt so schnell.

Smart Grid als neues Geschäftsmodell also. Was wollen Sie konkret mit diesem Instrument erreichen?

Smart Grid ist kein Geschäftsmodell sondern die optimierte Nutzung der Infrastruktur. Wir gehen davon aus, dass Solaranlagen, Elektromobilität und Blockheizkraftwerke künftig eine größere Rolle spielen werden. Für diese volatile innerstädtische Stromerzeugung ist unser Smart Grid iNES der konsistenteste Smart Grid-Ansatz, den ich kenne. Dabei sind die ohnehin zunehmend in Ortsnetze eingebauten regelbaren Ortsnetztransformatoren alleine noch kein Smart Grid. Solche abgekürzt als Ronts bezeichneten Netzeinrichtungen sind zunächst nur flexibilisierte Trafos. Das einzige bekannte Instrument, das mehr kann, ist iNES: Hier geht es darum, die Lasten aktiv zu beobachten, real fließende Ströme zu ermitteln und beides falls nötig zu beeinflussen. iNES ist allerdings nur das bisher vergessene physikalische Werkzeug für ein intelligentes Netz. Neben Smart Grid benötigt es auch einen Smart Market: Wenn also viel Windstrom da ist und der Börsenpreis runter geht, müsste der Stromtarif runtergehen. Das gibt es leider bisher nicht, da die Smart Meter genannten Messgeräte für die Kunden trotz Ankündigungen der Politik weiterhin fehlen.

Wie kann das Ortsnetz für Mainova dann schnell zu einer geldwerten Aufgabe werden?

Gute Frage. Wir hängen in Bezug auf unser künftiges Geschäft sehr am politischen Ordnungsrahmen. Viele Leistungen müssen künftig einen Wert bekommen: Die flexiblen Netze oder beispielsweise auch Power-to-Heat-Komponenten …

… – eine solche Power-to-Heat-Anlage, die überschüssige oder auf unrentable Börsenpreise gefallene Kilowattstunden in Wärme umwandelt, arbeitet seit Anfang 2015 in Frankfurt Niederrad – …

… müssen Geld verdienen, was nur teilweise so ist. Perspektivisch aber könnte ich mir persönlich vorstellen, dass wir ein Drittel des Gewinns aus den Netzen, ein Drittel aus gesicherter Erzeugungsleistung und Energiespeicherung und ein Drittel aus Integrations- und Managementleistungen erzielen werden.

Dennoch: Wie wäre die wirtschaftliche Situation für die Mainova ohne die jetzt schon eingeleiteten Investitionen?

Zu unserer heutigen Situation …

… mit einem Konzern-Jahresgewinn von immer noch über 100 Millionen Euro - so viel wie noch 2010 vor der Energiewende infolge von Fukushima…

… tragen Kostensenkungsmaßnahmen und die Steigerung der Kosteneffizienz wesentlich bei. Hätten wir hierbei etwas falsch gemacht, wäre der Gewinn deutlich nach unten abgesackt.

Was haben Sie denn anders gemacht als Stadtwerke, die mit ihrer Stromerzeugung bereits ins Minus gerutscht sind.

Wir haben vielleicht anders als andere nur maßvoll in neue thermische Kraftwerke investiert. Wir haben versucht, mit unseren thermischen Kraftwerken wie den Gas- und Dampfkraftwerken in Bremen und im bayerischen Irsching gewisse Nischen zu besetzen. Speziell die Standortwahl für Irsching gibt uns eine Sonderrolle. Die Bundesnetzagentur war bereit, über eine Sondervergütung für die in Irsching vorgehaltene Kapazität zu verhandeln, da diese einen besonders kritischen Punkt im Übertragungsnetz darstellt. Außerdem steht unsere Erzeugung mit Kraft-Wärme-Kopplung in brennstoffoptimierter Fahrweise  im Mittelpunkt unserer Investitionen in Frankfurt. Auch werden wir weiterhin in rentierliche erneuerbare Energien investieren, die schwarze Zahlen bringen.

Inwiefern lässt sich die bisherige konventionelle Stromerzeugung der Mainova im neuen Energiesystem rentabel integrieren?

Konventionelle Erzeugung ist in Frankfurt die Kraft-Wärme-Kopplung. Diese muss flexibilisiert und dynamisiert und beispielsweise mit Anlagen für Power-to-Heat und Power-to-Gas ergänzt werden, um auch die Speicherfähigkeit für Strom zu gewährleisten. Städte werden damit zu den Energiespeichern der Energiewende. Dennoch wird es schwer, die hohen Renditen der Vergangenheit aufrecht zu erhalten. Aber ich hoffe, dass wir mit moderaten Reduktionen beim Gewinn zurechtkommen.

Was sind Ihre Forderungen an die Politik?

Zweierlei. Die gesicherte Bereitstellung von Erzeugungsleistung muss einen Preis bekommen,  sonst sind thermische Kraftwerke nicht mehr rentabel. Wobei ich hier nicht von Subventionen spreche. Durch den alleinigen Verkauf erzeugter Kilowattstunden wird der rentable Betrieb nicht mehr gewährleistet. Denn in wenigen Jahren werden Solarparks den Strom für einige Cent pro Kilowattstunde erzeugen, ganz ohne Subventionen. Die Politik muss zweitens auch Speicher mittels einer Anpassung des Ordnungsrahmens ermöglichen. Es ist momentan so, dass der Speicher beim Ladevorgang als Verbraucher tituliert wird und dessen Betreiber alle gesetzlichen Stromabgaben bezahlen muss. Wenn gespeicherte Energie aber über einen Generator zurück ins Stromnetz gespeist wird, bekomme ich die Abgaben nicht zurück. Das ist eine asymmetrische Belastung. Speicher müssen als Systemelemente künftig freigestellt werden.

Das Gespräch führte Tilman Weber. Einen anderen Teil des Interviews finden Sie im der kommenden gedruckten Ausgabe unseres Magazins (Februar). Dort spricht Peter Birkner beispielsweise über die vier neuen Aufgaben eines Energiewende-Energieversorgers.