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Jens-Peter Molly über ein Land mit Erfahrungen

Bei Ausschreibungen von Brasilien lernen

Brasilien sei ein Beispiel für ein Ausschreibungssystem mit vielen positiven Elementen, verglichen mit vielen anderen Ausschreibungssystemen, sagt Jens-Peter Molly, Chef des Deutschen Windenergie-Instituts Dewi in Wilhelmshaven, während seines Vortrags auf dem Windenergie- und Entwicklungsdialog WEED 2014 von BWE, VDMA und GIZ. Dort wurden verschiedene Ausschreibungsmodelle in Schwellen- und Entwicklungsländern weltweit vorgestellt.

Warum gibt es überhaupt Ausschreibungen in Brasilien? Das sei ein spezieller Wunsch von Dilma Rousseff gewesen, die seit 2011 Präsidentin des südamerikanischen Landes ist. Nach dem Wahlsieg da Silvas bei der Präsidentschaftswahl 2002 wurde sie zur Energieministerin der Bundesregierung ernannt. Im Juni 2005 wechselte sie in das Amt der Kabinettschefin. In beiden Ämtern verfolgte Dilma Rousseff eine auf Wachstum und Stärkung der Industrie ausgerichtete Politik. Seit 2002 habe sie gesagt, sie wolle dieses System.  2007 startete Brasilien dann mit Ausschreibungen für alle Energiequellen. Eingerichtet wurden die Ausschreibungen unter anderem vom Regulierer Aneel, Energieplaner EPE und Netzbetreiber ONS, die auch die Regeln für Ausschreibungen aufgestellt haben. Diese ursprünglichen Regeln, so Molly, würden sich von den heutigen sehr unterscheiden. „Erfahrungen von zehn Ausschreibungen bis heute haben gezeigt, wie Dinge verändert werden müssen“, so der Dewi-Chef.

Hoffnung auf niedrige Preise

Die Idee, Ausschreibungen zu machen, stammte auch in Brasilien daher, dass man nach den niedrigsten Preis suchte. Die heutigen Regeln definieren genau, wer wann wie viel Energie zu welchem Preis liefert. Diejenigen, die bei der Ausschreibung gewinnen, haben am Ende einen Vertrag in der Hand – und müssen verpflichtend liefern. Wenn sie das nicht tut, können die Strafen sehr kostspielig sein. Fest steht: Die Firma, die den niedrigsten Preis anbietet, gewinnt. In der Vergangenheit hatten die Ausschreibungen zu so niedrigen Preisen geführt, dass die Projekte am Ende von den Ausschreibungsgewinnern erst weiter verkauft wurden und am Ende nicht realisiert wurden. Dagegen sollen die Strafen nun helfen. Ziel der Ausschreibungen sei es laut Molly heute auch, für festgelegte Energiequellen ein bestimmtes Ausbauziel zu erreichen. Brasilien will also die Energie zu einem bestimmten Preis und die Umsetzung gewisser Ziele.

Wer kann teilnehmen? Jeder, der das Geld dafür hat. Denn es muss schon am Anfang eine Teilnahmesumme gezahlt werden, außerdem müssen technische und regulatorische Bedingungen eingehalten werden. Zunächst gab es keine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Energiequellen bei Ausschreibungen. Das heißt, anfangs mussten sich Solar-, Wasserkraft und Windparks und Nuklear bei den Ausschreibungen einen Wettstreit liefern. Aber das war nicht erfolgreich.

Langjährige Erfahrungen hat Brasilien mit Ausschreibungen. Man sieht, ab 2011 auch mit zeitlich befristeten Projektrealisierungen. A3 hat drei Jahre Realisierungzeit. - © Grafik: Dewi
Langjährige Erfahrungen hat Brasilien mit Ausschreibungen. Man sieht, ab 2011 auch mit zeitlich befristeten Projektrealisierungen. A3 hat drei Jahre Realisierungzeit.

Einer der Vorteile ist dabei, dass man in Brasilien niedrige Preise erzielt. Je nachdem aus wessen Perspektive man es betrachtet, ist es auch als Vor- oder Nachteil zu sehen, dass Windenergie bei den Ausschreibungen immer gewonnen hat. Windenergie ist die billigste Quelle in Brasilien. Aus diesem Grund hat sich die Atomkraft-Lobby irgendwann beschwert. Deshalb wurde inzwischen eine Trennung der unterschiedlichen Energiequellen eingeführt.  

Den Strom müssen die Energieversorger in der Nähe der Anlagen abnehmen.  Von Statistiken weiß man, dass im Schnitt immer etwa 2.000 Megawatt ausgeschrieben werden. Im vergangenen Jahr waren es sogar 4.000 Megawatt. Es gibt zwei verschiedene Ausschreibungen. A3 sind Windparks, die in drei Jahren umgesetzt werden müssen, und A5 sind Windparks, die in fünf Jahren umgesetzt werden müssen.  Es gibt viele Vorgaben, die erfüllt sein müssen: Jeder muss eine zweijährige Windmessung vorlegen, die von einem unabhängigen Gutachter bestätigt wird. Die technischen Informationen zur Windkraftanlage müssen Teil des Dokuments sein. Das Windpark-Layout mit allen Unsicherheiten und Verlusten, eine Stromproduktionskalkulation über 20 Jahre. Außerdem müssen sie eine monatliche Stromproduktion garantieren. Wer mehr als zehn Prozent weniger produziert, als angegeben, der wird bestraft. Wer mehr als 30 Prozent mehr produziert, als vorher angekündigt, der  erhält das entsprechende Geld erst deutlich später.

Hoher Kapazitätsfaktor für stabile Netze

Gut ist es, wenn man einen hohen Kapazitätsfaktor hat. Je niedriger der Kapazitätsfaktor ist, desto größer ist das Risiko, dass man bestraft wird. Darum gibt es in Brasilien Windturbinen, die einen Kapazitätsfaktor von 50 Prozent und mehr schaffen. Diese hohen Kapazitätsfaktoren sind netzfreundlich. Wer an der Ausschreibung teilhaben möchte, muss ein Prozent der Projektkosten zur Verfügung stellen. Außerdem gibt es in Brasilien einen hohen Prozentsatz lokaler Wertschöpfung. Auch das ist eine Herausforderung vieler Ausschreibungen: Wie soll man 60 Prozent Wertschöpfung erreichen, wenn es die entsprechenden Zulieferkomponenten schlicht nicht im Land gibt?

 Was kann man lernen von Brasilien? Zum Beispiel, wie sich durch Festlegung von Realisierungsfristen eingrenzen lässt, wann ein Projekt umgesetzt wird. Und wie sich durch Strafen vermeiden lässt, dass Projekte nicht gebaut werden. Außerdem gibt es eine Inflationskorrektur, die dafür sorgt, dass der niedrigste Energieherstellungspreis erreicht wird. Und um zu verhindern, dass Projekte nur dort gebaut werden, wo die besten Windbedingungen herrschen, muss man Ausschreibungen für bestimmte Regionen machen. (Nicole Weinhold)