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Kommentar konservative Familienunternehmen

Unternehmerverband will Null-Cent-Windkraft. Sofort.

Die Familienunternehmer nennt sich der Verband. Seine Programmatik liest sich wie der Forderungskatalog des konservativen Flügels der CDU: Gegen eine Vermögenssteuer, weniger EU-Europa, keine Klimaziele mehr, keine Bankenrettung durch den Steuerzahler, Schuldenverbot für die öffentlichen Haushalte, weder Mindestlohn noch Grenzen für die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, freier Wettbewerb aller Energieerzeugungsformen gegeneinander durch Ausschreibungen, ein niedriger CO2-Mindestpreis bei Stützung der gesamten Klimapolitik auf den Emissionszertifikatehandel, keine gemeinsame Flüchtlingspolitik in Europa, strengere Bestrafungen von verschuldeten EU-Ländern, für Freihandel inklusive des umstrittenen Freihandelsabkommens TTIP, eine demografiefeste Sozialpolitik – also bei zunehmender Alterung der Gesellschaft weniger Sozialleistungen.

Kommentar Tilman Weber | Kommentar: Tilman Weber
Kommentar Tilman Weber | Kommentar: Tilman Weber

In einem Brief an den Chef der Bundesnetzagentur Jochen Homann haben der Verbandspräsident Reinhold von Eben-Worlée und der Vorsitzende einer energiepolitischen Kommission des Verbandes, Karl Tack, jetzt auch die neue Gebotsobergrenze von 6,3 Cent pro Kilowattstunde (kWh) für Windkraft kritisiert. Die Festlegung dieser Obergrenze bedeute „einen nicht hinnehmbaren Rückschritt bei der dringend erforderlichen Marktintegration der Anlagen … – und zwar ohne Not“, zitiert die Redaktion der Wirtschaftszeitung Handelsblatt aus dem ihr vorliegenden Brief.

Die beiden Lobbyisten zeigen auch deutlich, was für sie die einzig sinnvolle Entwicklung im Markt für erneuerbare Energien und insbesondere der Windkraft wäre: „Die Vergütung für Windstrom muss nicht angehoben, sondern schrittweise abgesenkt werden bis auf 0,0 Cent pro Kilowattstunde“, schreiben Eben-Worlée und Tack laut Handelsblatt. Denn in den bisherigen Ausschreibungsrunden habe die Windkraft schon gezeigt, dass sie marktreif sei – also sich allein auf schwankende Börsenstrompreise verlassen könne und nicht auf Mindestvergütungen durch Zuzahlungen der Netzbetreiber angewiesen sei.

Dass das Duo seinen Appell an den Wettbewerbshüter für Ausschreibungen künftiger Erneuerbare-Energien-Vergütungen nicht mit einem Loblied über die erfolgreiche Windkraft verbindet und ihren Vorrang fordert, darf gerne ignoriert werden. Doch das Schreiben missachtet alle jüngeren Entwicklungen aus den bisher drei Ausschreibungsrunden komplett. Tatsächlich war der Preis für die Wind-Kilowattstunde im November schließlich um umgerechnet knapp die Hälfte gefallen. Doch Zuschläge gewonnen hatten bekanntlich nur sogenannte Bürgerwindparks, die aufgrund einer für sie eingeräumten Extrafrist mit Anlagen kalkulieren können, die erst in vier Jahren marktreif sein werden. Die Windenergiebranche zeigt sich hingegen einig, dass die in den kommenden zwei Jahren in Seriengröße produzierten Windturbinen höchstens für das Niveau der in der ersten Ausschreibungsrunde erreichten Vergütungshöhe von durchschnittlich 5,71 Cent pro kWh ausreichen.

Homann hatte nach dem Absturz der Vergütungspreise auf durchschnittlich 3,82 Cent pro kWh eine Korrektur vorgenommen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hätte für 2018 eine Gebotsobergrenze vorgesehen, die leicht über dem Durchschnitt der Zuschlagsniveaus aller drei Ausschreibungen liegt. Damit wäre die Gebotsobergrenze unter fünf Cent gefallen. Mit Verweis auf die verfälschende Wirkung der Gebote aus den Bürgerwindgesellschaften hatte Homann die Gebotsobergrenze angehoben. Für tiefere Gebote würden sich 2018 nicht genügend Bieter finden, sagte Homann. Zur Erklärung: Für die ersten zwei Gebotsrunden 2018 gilt ein Moratorium bei den meisten Bürgerwindparkvergünstigungen.

Auch andere Entwicklungen beachtet der Familienunternehmerverband nicht: Nicht die seit Einführung der Ausschreibungen auf einen Tiefststand gesunkenen neuen Windparkgenehmigungen, deren Volumen momentan gerade noch für eine Ausschreibungsrunde reichen würden. Nicht die völlig zusammengebrochene regionale Ausgewogenheit der Ausschreibungszuschläge: Süddeutschland bleibt fast ohne neue Projekte. Auch die aus den Ausschreibungen folgende rapide Vergrößerung der Anlagenhöhen und Rotorgrößen ignoriert der Verband geflissentlich. Dabei gehören konservative Unternehmer in Deutschland sonst wohl kaum zu den lokalen Fürsprechern 280 Meter hoher Anlagen in der Nachbarschaft ihrer Ortschaften.

Falls es noch interessiert: Während Eben-Worlée ein Creme- und Parfum-Produktionsunternehmen besitzt und dem Hamburger CDU-Wirtschaftsrat angehört, entstammt Tack einem Sprudelunternehmen aus der Eifel.

(Tilman Weber)