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„Mehr als ein nettes Zuckerl!“

Katharina Wolf

Proteste gegen einen geplanten Windpark sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Viel Energie und Kreativität fließen deshalb in gute Antworten auf die Frage, wie die Akzeptanz solcher Projekte gefördert werden kann. Eine Idee: Finanzielle Beteiligung von Gemeinde und Bürgern. Mit dem neuen EEG kam für Betreiber eine neue Möglichkeit, Kommunen unkompliziert finanziell zu beteiligen. Bis zu 0,2 Cent pro Kilowattstunde können bei Freiflächen-PV-Anlagen an die Standortgemeinde fließen, bei Windparks können außerdem noch die betroffenen Nachbarkommunen beteiligt werden.

„In Bayern ist das schon eine sehr gute Möglichkeit, die Kommunen zu unterstützen“, sagt Stephan Schinko, Geschäftsführer des Projektentwicklers Neovis. „Denn durch die 10-H-Regelung ist die Planung eines Windparks ein riesiger Aufwand für die Gemeinden, die für jedes Projekt eine komplette Bauleitplanung durchführen müssen. Da ist die Beteiligung über das EEG sehr willkommen und mehr als nur ein nettes Zuckerl.“ Zumal sie sofort in den Kommunen ankomme, anders als die Gewerbesteuer, die oft erst nach Jahren fließt.

Nachrangdarlehen für Bürger

Im fränkischen Markt Taschendorf, gelegen zwischen Würzburg und Nürnberg, hat sein Unternehmen jüngst den zweiten Bürgerwindpark in Betrieb genommen. Ab 500 Euro konnten sich Bürger der umliegenden Kommunen per Nachrangdarlehen beteiligen, und durch die EEG-Regelung profitieren Standort- und Nachbargemeinden direkt. „Ein Nachbarort hatte im Planungsverfahren eine negative Stellungnahme abgegeben, denn man sah durch den Windpark nur Nachteile“, so Schinko. Jetzt aber fließe jedes Jahr ein fünfstelliger Betrag in die Kasse der betreffenden Gemeinde. „Im ländlichen Raum, wo oft auch das Geld für eine Bürgerbeteiligung nicht vorhanden ist, ist das eine gute Lösung“, sagt Schinko.

Bastian Fiedler, Projektentwickler bei der Trianel Energieprojekte GmbH & Co. KG (TEP), lobt die neue Regelung ebenfalls. Sein Unternehmen plant in Bettingen eine Photovoltaik-Freiflächenanlage mit bis zu vier Megawatt Leistung, die erste mit Beteiligung nach EEG. Für die Kommunen bedeutet das laut Ertragsprognosen der Solaranlage eine jährliche Zuwendung von gut 8.000 Euro für die kommenden 20 Jahre. „Die Beteiligung der Kommunen schafft so eine neue Qualität partnerschaftlichen Miteinanders“, so Fiedler.

200 Bürger haben Anteile gezeichnet

Um deutlich höhere Summen aber geht es, wenn die Gemeinde eigene Grundstücke zur Verfügung stellt und als Betreiberin dabei ist. Im hessischen Hünfelden drehen sich seit vergangenem Jahr drei Nordex-Anlagen im gemeindeeigenen Forst. Als Betreiberin fungiert eine Energiegenossenschaft, an der die Kommune ebenso 30 Prozent hält wie die mehr als 200 Bürger, die Anteile gezeichnet haben. Und so fließen nicht nur die Pachteinnahmen von gut 140.000 Euro komplett in den Gemeindehaushalt, sondern insgesamt bleiben rund 327.000 Euro in einem durchschnittlichen Betriebsjahr in der Gemeinde, ergaben Berechnungen im Rahmen des Forschungsprojektes Rewa der Agentur für Erneuerbare Energien, an dem sich Hünfelden als Modellkommune beteiligt (s. Kasten).

Überzeugungsarbeit war trotzdem gefordert: „Sichtbare Veränderungen werden fast immer negativ empfunden“, sagt die Bürgermeisterin Silvia Scheu-Menzer. „Da ist es schon fast egal, ob es sich um eine Ampel, eine Bushaltestelle oder eine Windenergieanlage handelt – die erste Reaktion ist immer: Warum hier und nicht woanders?“ Als finanzschwache Kommune sei aber jeder Euro für freiwillige Leistungen willkommen. „Eines unserer Argumente in der Diskussion um das Projekt war: Der Windpark rettet unser Schwimmbad.“

Das Geld, das in die Region fließt, sei aber immer nur ein Punkt von vielen gewesen, um die Bürger des Ortes zu überzeugen. Wichtig seien vor allem Einigkeit, Ausdauer und viel Kommunikation. „Letztlich geht es um die Frage: Was bringt der Windpark für uns?“, so Scheu-Menzer. Die einen ließen sich mit dem Thema Klimaschutz überzeugen, die anderen mit der Möglichkeit, in Zukunft eine unabhängige Stromversorgung aufzubauen. Und andere wiederum sähen die finanziellen Möglichkeiten.

Auch Bastian Fiedler sieht die finanzielle Frage nur als einen Punkt der Debatte. In Gesprächen und Vor-Ort-Terminen mit der Kommune Bettingen habe immer eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bestanden. „Die Beteiligungsmöglichkeit ist nur ein zusätzlicher Baustein für ein gutes Miteinander.“

Erste Ergebnisse des Rewa-Projektes zeigen zudem, dass auch eine noch so intensive Kommunikation nicht alle erreicht. Obwohl die Gemeinde intensiv für die Beteiligungsmöglichkeiten geworben hatte, wussten laut einer standardisierten Onlinebefragung in Hünfelden 27 Prozent der Befragten nicht, dass es diese Chance gab. Auch stimmten 25 Prozent der Aussage, dass durch regionale Wertschöpfung der Windenergieanlage die Gemeinde gestärkt werde, nicht oder teilweise nicht zu.

Deutlich wurde das „Nicht-hier“-Phänomen. Der Aussage: „Alles in allem unterstütze ich die Nutzung von Windenergie“ stimmten lediglich vier Prozent gar nicht und vier Prozent eher nicht zu. Der Aussage „Alles in allem befürworte ich DIESE Windenergieanlagen in meiner Gemeinde“ stimmten 23 Prozent gar nicht und neun eher nicht zu.

Was bedeutet das jetzt für den Zusammenhang zwischen Wertschöpfung und Akzeptanz? Wohl zweierlei: „Es kann nicht jeder erreicht werden, auch bei noch so guter und intensiver Kommunikation. In den Lebensrealitäten der Bürger sind viele andere Themen wichtig“, sagt Irina Rau vom Institut für Zukunftsenergie und Stoffstromsysteme (IZES), das die Befragungen durchgeführt hat. „Nichtsdestotrotz ändert das nichts an der Notwendigkeit einer transparenten und kontinuierlichen Kommunikation.“ Und sie bestätigt die Erfahrung der Planer, dass sich die Diskussion nicht allein auf die Wertschöpfung reduzieren lasse: „Viele andere Dinge haben Einfluss: die Sichtbarkeit der Anlagen, Angst vor Lärm oder Schattenwurf.“

Mit der Zeit erledige sich manches, sagt Bürgermeisterin Scheu-Menzer. „Am Ende sind wenige Menschen offen gegen den Windpark gewesen. Jetzt, wo die Anlagen stehen und sich die Prognosen bestätigen, haben sich viele daran gewöhnt.“

Rewa-Projekt

Rewa steht für regionale Wertschöpfung, Beteiligung und Akzeptanz in der Energiewende. In einer empirischen Untersuchung erforscht ein Konsortium aus dem Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme (IZES), dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) den Zusammenhang von regionaler Wertschöpfung, Beteiligungsmodellen und Akzeptanz der Energiewende an echten Fallbeispielen. Im Rahmen von Rewa wurden zehn Fallbeispiele in sechs Kommunen ausgewählt. Dabei lag ein besonderer Fokus auf den Technologien Wind-, Solar- und Bioenergie sowie den verschiedenen Beteiligungsmodellen. Die beteiligten Kommunen sind Reußenköge (Schleswig-Holstein), Lommatzsch (­Sachsen), Schlöben (Thüringen), Hünfelden (Hessen), Uttenreuth (Bayern) und ­Tuningen (Baden-Württemberg). Erste Ergebnisse gibt es unter https://bit.ly/3rhN1xt. Mitte des Jahres sollen die Endergebnisse vorliegen und diskutiert werden.

Hier wurde die Akzeptanz an Fallbeispielen untersucht.

Bild: AEE

Hier wurde die Akzeptanz an Fallbeispielen untersucht.

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