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Neue Heiztechnik und Wärmenetze lohnen sich

Nicole Weinhold

Bis 2040 will Baden-Württemberg klimaneutral sein. Die Städte und Kommunen arbeiten daran, die ehrgeizig gesteckten Klimaschutzziele umzusetzen. Trotz guter Ansätze ist der Weg noch weit, sagt Volker Kienzlen, Geschäftsführer der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH (KEA-BW): „Die Aufgaben liegen klar auf dem Tisch: Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2030 um mindestens 65 Prozent fallen.“ Die Klimaneutralität solle in Baden-Württemberg bereits 2040 – fünf Jahre früher als für Gesamtdeutschland angesetzt – erreicht sein. Das Land habe damit in allen Sektoren wie Energieerzeugung, Verkehr, Industrie, private Haushalte oder Kommunen viel Arbeit. „Ich erhoffe mir einen zügigeren Ausbau der Photovoltaik und weniger Vorbehalte gegenüber der Windenergie“, so Kienzlen. „Für 2022 sehe ich die kommunale Wärmeplanung als einen sehr wichtigen Baustein auf dem Weg zum Ziel.“ Ein klares Konzept für den Weg einer ­Kommune zur klimaneutralen Wärmeversorgung sei eine zentrale Voraussetzung dafür, die richtigen Maßnahmen wie Investitionen in ­Gebäudesanierungen, Heiztechnik und Wärmenetze einzuleiten.

„Die deutliche Anhebung der Ausbauziele bei grünem Strom und grüner Wärme ist folgerichtig.“

Georg Müller, Vorstandsvorsitzender MVV Energie AG, zum Thema Klimaziele

MVV

In Baden-Württemberg ist die kommunale Wärmeplanung für die 103 größten Städte und Landkreise seit Oktober 2020 gesetzliche Pflicht. Bis Ende 2023 müssen die Planungen vorliegen. Es gibt einige Vorreiter in diesem Bereich, allerdings auch etliche Nachzügler. Um auch kleinere Kommunen in dieses Konzept einzubinden, unterstützt das Land Kommunen bei einer freiwilligen Wärmeplanung mit einem bis 2026 laufenden Förderprogramm mit einem Budget von 10,4 Millionen Euro. Kleinere Gemeinden können sich dazu mit ihren Nachbarkommunen zusammenschließen. „Wir erhoffen uns, dass diese Erfahrungen aus Baden-Württemberg auf Bundesebene aufgegriffen werden“, so Kienzlen.

MVV: Fernwärme für Ballungsräume

Georg Müller, Vorstandsvorsitzender MVV Energie AG, sieht ebenfalls die Wärme im Fokus: „Um die Wärmewende entschieden voranzutreiben, muss auch der Fernwärme die Position eingeräumt werden, die sie als effizienter Dekarbonisierungshebel für Ballungsgebiete verdient.“ Die Angebotsseite zentraler Wärmesysteme zu vergrünen, sei schneller und kostengünstiger, als auf der fragmentierten Nachfrageseite anzusetzen. „Dazu müssen die notwendigen Instrumente jetzt schnell kommen – mit der ,Bundesförderung effiziente Wärmenetze‘ liegt ein maßgeschneidertes Instrument seit geraumer Zeit auf Halde“, so Müller.

MVV leiste seit Jahren einen Beitrag zu einer schnellen Umsetzung der Energiewende. Mit dem „Mannheimer Modell“ und seinen Bestandteilen Wärmewende, Stromwende und grüne Kundenlösungen werde MVV bis 2040 klimaneutral und danach klimapositiv sein – also der Atmosphäre Treibhausgase wieder entziehen. „Das Mannheimer Modell besitzt das Potenzial, für viele Städte und Kommunen in Deutschland und Europa beispielhaft zu werden.“ Denn die Energiewende finde vor allem in Infrastrukturen statt: in alten, die weiterentwickelt werden, und in neuen, die aufgebaut werden. „Die neue Bundesregierung muss dafür die richtigen Leitplanken setzen. ,Jetzt handeln‘ lautet das Motto“, stellt der MVV-Chef fest.

Die Wärmepumpe gehört im Gebäudebereich inzwischen zu den Zugpferden, was die regenerative Wärme anbelangt. Immer mehr Hausbesitzer würden sich für die Wärmepumpe entscheiden, sagt Martin Sabel, Geschäftsführer Bundesverband Wärmepumpe: „Das positive Marktwachstum von 40 Prozent 2020 und insgesamt der letzten Jahre wird sich voraussichtlich fortsetzen.“ Das liege auch an den sehr guten Förderbedingungen. Seit Anfang 2020 gibt es für den Tausch einer alten Heizung gegen eine neue Wärmepumpe bis zu 45 Prozent der Investitionskosten bezuschusst. „Dass die Wärmepumpe auch für Bestandsgebäude eine sinnvolle Alternative zu fossilen Heizsystemen ist, hat sie längst bewiesen. In den nächsten zehn Jahren muss der Wandel im Heizungskeller jedoch noch stärker voranschreiten“, betont Sabel. Studien gingen von mindestens sechs Millionen Wärmepumpen bis 2030 aus, die notwendig sind, um die Klimaziele erreichen zu können. Zwei Faktoren machten das Heizen mit elektrisch betriebenen Wärmepumpen zunehmend attraktiv: Die CO2-Bepreisung verteuere Gas und Öl und der deutsche Strompreis werde u.a. durch die geplante Abschaffung der EEG-Umlage zu 2023 stabil gehalten. „Ein verlässliches und gut ausgestattetes Förderprogramm ist außerdem notwendig, um Planungssicherheit zu gewährleisten“, erklärt der Verbandschef.

Fachverband Biogas: Regionale Versorgung

Und auch Biogas bleibt ein wichtiger Faktor für die Energiewende. „Wir sehen für Biogas viele Nutzungsoptionen – und für den Energiemarkt der Zukunft einen relevanten Bedarf an Biogas in Form von Strom und Wärme“, betont Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas. Mehr als 50 Prozent der deutschen Biogasanlagen seien bereits flexibilisiert und könnten bedarfsgerecht Strom erzeugen und einspeisen.

„In dieser Funktion leisten Biogasanlagen zudem einen wichtigen Beitrag zur Strompreisregulierung“, verweist Seide. In den vergangenen Wochen und Monaten hätten die Branchenakteure dazu beigetragen, dass der Strompreis an der Börse um bis zu 200 Euro je Megawattstunde – also zwei Euro je Kilowattstunde – gesenkt werden konnte. Durch die Bereitstellung von Strom in Zeiten hoher Nachfrage habe die Einspeisung von sehr teurer Reservekapazität durch Biogasstrom vermieden werden können. „Ähnlich sieht es beim Gas aus“, so Seide. Aktuell lägen die Preise für fossiles Erdgas über dem von Biomethan. „Durch die Aufbereitung von Biogas zu Biomethan und die Einspeisung ins Gasnetz haben wir nicht nur eine klimafreundliche, regionale und sichere Versorgung – wir stabilisieren langfristig auch den Preis“, erklärt der Präsident des Fachverbands. „Und wenn das alte Ziel, 100 Terawattstunden (TWh) Biogas bis 2030 einzuspeisen, konsequent verfolgt worden wäre, wären wir heute auch schon bei weit mehr als 10 TWh.“

Heizungsmonteure stellen das Außengerät einer Wärmepumpe auf die Wandhalterung.

Foto: Daikin

Heizungsmonteure stellen das Außengerät einer Wärmepumpe auf die Wandhalterung.
Martin Sabel, Geschäftsführer Bundesverband Wärmepumpe

BWP

Horst Seide, Präsident Fachverband Biogas

Fachverband Biogas