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Wind chancenlos gegen Denkmalschutz

Eine Mühle, die als solche nicht mehr zu erkennen ist, ein verwilderter Landschaftspark, ein unscheinbares Grab aus der Bronzezeit: Was für den Laien kaum als Denkmal zu erkennen ist, entwickelt sich seit einiger Zeit zu einem Problem für den Ausbau der Windenergie. „Bei Enertrag sind insgesamt sieben Projekte mit 23 Windkraftanlagen und einer Leistung von 124,5 Megawatt (MW) in verschiedenen Bundesländern vom Denkmalschutz betroffen, meist wegen Bodendenkmälern“, berichtet Marc Transfeld, Projektleiter Wind und Solar Deutschland. Der prognostizierte Ertrag betrage 330.000.000 Kilowattstunden pro Jahr. „Man könnte also vereinfacht sagen, dass Windkraftanlagen, die Strom für knapp 100.000 Haushalte produzieren könnten, aktuell mit dem Denkmalschutz konfrontiert sind und gegebenenfalls durch die Landesämter für Umwelt abgelehnt werden können.“

1.000 Megawatt blockiert

Die von Enertrag geschilderte Situation ist kein Einzelfall. Eine Umfrage der Fachagentur Windenergie an Land aus dem Frühjahr 2022 ergab, dass mehr als zehn Prozent aller beantragten Windenergieanlagen aus Gründen des Denkmalschutzes von den Behörden abgelehnt oder die Anträge zurückgezogen wurden. Bezogen auf die bis Ende 2021 in Genehmigungsverfahren befindlichen Windenergieprojekte von insgesamt zehn Gigawatt Leistung bedeute dies, dass gegenwärtig mindestens 1.000 MW blockiert seien oder ihnen aus Denkmalschutzgründen die Ablehnung drohe, warnt der Bundesverband Windenergie.

Probleme mit Sichtachsen oder geschützten Kulturlandschaften sind auch in der Vergangenheit schon diskutiert und vor Gericht entschieden worden. Doch in jüngster Zeit scheint sich das Problem gleich aus mehreren Gründen zuzuspitzen. „Die Flächen werden knapper, an Nutzungskonflikten gibt es daher mehr Beteiligte“, sagt Philip Lüth, Gutachter für Denkmalschutz aus Schleswig-Holstein. Gleichzeitig sind die Verfahren komplexer geworden: „Die denkmalfachlichen Untersuchungsanforderungen der Behörden in den Genehmigungsverfahren haben in vielen Bundesländern in letzter Zeit gegen den allgemeinen Trend erheblich zugenommen – ohne dass sich die Gesetze geändert haben“, kritisiert Projektentwickler Transfeld. Einen dritten Grund nennt Steffen Skudery, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Stiftung Denkmalschutz: „Die Denkmalschutzbehörden werden erst sehr spät in den Genehmigungsprozess einbezogen. Das führt dann oft zu Frust – bei den Projektentwicklern, die in fortgeschrittene Planungen neue Aspekte einbeziehen müssen, aber auch bei den Denkmalschützern.“

In jedem Bundesland andere Regeln

Kompliziert wird das Thema für die Projektentwickler auch dadurch, dass Denkmalschutz Ländersache ist. „Das bedeutet: Es gibt 16 verschiedene Denkmalschutzgesetze, 16 Behördenstrukturen, 16 unterschiedliche Zuständigkeitsverteilungen, 16 Verfahrensbeteiligungswege und Vorgaben“, erklärt Markus Pauly, Abteilungsleiter Projektentwicklungsexperten bei Juwi. „Es kann sein, dass man bis zu sechs unterschiedliche Personen beteiligen muss.“ Zudem fänden sich in den unterschiedlichen Vorschriften unklare Rechtsbegriffe wie „erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes“, die sehr unterschiedlich ausgelegt werden könnten. Und nicht zuletzt ergeht es dem Denkmalschutz wie dem Artenschutz: Er wird von Windkraftgegnern instrumentalisiert. „Uns erreichen dann gelegentlich Anfragen von Bürgerinitiativen, die den Denkmalschutz als letztes Mittel sehen, um ein Projekt zu verhindern“, berichtet Skudery.

Bleibt die Frage, wie sich der Konflikt lösen lässt. Bundesweit einheitliche Regelungen sind kaum zu erwarten. „Ein Flickenteppich wird bleiben, da es keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes in diesem Punkt gibt“, sagt Thorsten Fritsch, Fachgebietsleiter Umweltrecht beim Energieverband BDEW. Deshalb drohe auch der Vorrang, den das EEG dem Ausbau der erneuerbaren Energien einräume, für den Denkmalschutz nur bedingt wirksam zu werden. „Landesbehörden wenden zunächst das Landesgesetz an“, so Fritsch. Es müssen also die Denkmalschutzgesetze geändert werden, wie etwa in Hessen, oder ein Erlass der Landesregierung muss regeln, wie mit dem Vorrang auf Behördenebene umzugehen sei, wie in Mecklenburg-Vorpommern. Fritsch plädiert zudem dafür, auf der Ebene der zuständigen Landesminister in der Kultusministerkonferenz zumindest unklare Rechtsbegriffe wie die „Veränderung der Umgebung eines Denkmals“ oder die „Beeinträchtigung eines Denkmals“ möglichst bundeseinheitlich zu standardisieren. „Eine wohlwollende Behörde könnte zwar schon jetzt im Konfliktfall vieles genehmigen“, betont er. Hilfreich sei es aber, Instrumente zu schaffen, die das Selbstbewusstsein der Behörden stärken: klare Regeln, Checklisten und eine angemessene Ausstattung. Doch ist das Thema dort aktuell nicht auf der Tagesordnung, wie ein Sprecher erklärt.

Wichtige archäologische Flächen

Für klare Vorgaben plädiert auch Enertrag-Projektleiter Transfeld. Für Baudenkmäler könnte seiner Ansicht nach gerade das sonst wenig windkraftaffine Bayern eine Blaupause liefern. Derzeit ist dort eine Novellierung des Denkmalschutzgesetzes in Arbeit, die eine Liste von 100 wichtigen Denkmälern enthalten soll, die als besonders landschaftsprägend geschützt sind. Für alle anderen würde eine Prüfung entfallen. Allerdings hat das parlamentarische Verfahren erst begonnen.
Denkmalschützer Skudery kann sich mit einem solchen Vorgehen ebenfalls anfreunden, allerdings fordert er eine solide wissenschaftliche Grundlage für eine derartige Liste. „Die meisten Denkmäler halten eine Beeinträchtigung von 30 Jahren, wie Windenergieanlagen sie darstellen, aus“, meint er. Anders sei es bei Bodendenkmälern, die durch Grabungen für die Fundamente zerstört werden. „Wir bräuchten eine Erhebung, um wichtige archäologische Flächen ausschließen zu können, und klare Vorgaben im Ablauf für die Projektentwickler.“

Gutachter Philip Lüth schlägt vor, sich an den Regelungen zum Artenschutz zu orientieren. „Man könnte sich auf Ausgleichsmaßnahmen einigen, wenn die Wirkung eines Denkmals eingeschränkt wird.“ Die gezahlte Summe müsste dann zweckgebunden dem Denkmal zugute kommen, etwa zur Wiederherstellung eines Parks oder eines sanierungsbedürftigen Gutshauses. Bis es so weit ist, bleibt den Projektentwicklern nur, die Fragen des Denkmalschutzes selbst möglichst früh in ihre Planungen aufzunehmen, rät Markus Pauly. „Nur beschweren hilft nichts.“ Die Situation und die unterschiedlichen Ansprechpartner früh analysieren, einen Gutachter einbeziehen – auch als „Übersetzer“ gegenüber der Denkmalschutzbehörde – und die enge Zusammenarbeit mit der Genehmigungsbehörde, diese Maßnahmen können den Prozess beschleunigen. „Aber wenn alles nichts hilft, muss man auch mal den Klageweg beschreiten.“ (kw)