Die Bundesregierung hat Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) beschlossen. Damit will sie unter anderem Vorgaben der EU umsetzen. Sie reagiert damit einerseits auf den wachsenden Anteil erneuerbarer Energien. Andererseits will sie die Bürger stärker am Stromsystem beteiligen und entsprechende Transparenz herstellen.
Speicher sind systemrelevant
So sollen Speicher in Zukunft einem überragenden öffentlichen Interesse unterliegen. Damit werden sie diesbezüglich auf die gleiche Stufe wie Solar- und Windkraftanlagen gestellt und erhalten Vorrang gegenüber anderen Interessen. Zudem enthält die Novelle eine neue Regelung, wonach die Netzbetreiber die Kommunikation mit den Stromerzeugern digitalisieren und über eine gemeinsame Internetplattform abwickeln müssen.
Energy Sharing wird möglich
Die Novelle enthält nun endlich auch die in der Solarbranche lange ersehnte Regelung zum gemeinschaftlichen Verbrauch von Solarstrom innerhalb von Quartieren. Der neue Paragraph 42c enthält die Voraussetzungen für den Betrieb einer solchen Anlage, die Regelungen für die Nutzung des Netzes sowie die Ausgestaltung des Liefervertrages und die Abrechnung der jeweils verbrauchten Strommengen. So dürfen Betreiber von Solar- und Windkraftanlagen – wenn diese ans Verteilnetz angeschlossen sind – ab 1. Juni 2026 ihren Strom innerhalb des Bilanzierungsgebiets des Verteilnetzbetreibers verkaufen. Ab 1. Juni 2028 dürfen sie dies auch im Bilanzierungsgebiet eines angrenzenden Verteilnetzbetreibers tun, wenn sich beide in der gleichen Regelzone befinden.
Begriff der Kundenanlage klären
Damit setzt die Bundesregierung eine Regelung um, die von der EU schon seit Jahren gefordert wird. „Damit aus dem Konzept ein funktionierendes Geschäftsmodell vor allem für Bürgerenergiegesellschaften werden kann, sind aber noch zusätzliche Anreize nötig“, fordert Tim Loppe, Vorstandsvorsitzender des Ökoenergieversorgers Naturstrom. Die Bundesregierung hat es außerdem verpasst, den für Mieterstrom und Quartierskonzepte zentralen Begriff der Kundenanlage zu klären.“
Unsicherheit bremst Projekte aus
Auf eine solche Klärung wartet die Branche dringend. Denn nach einem Einzelfallurteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im November 2024 und einem Folgeurteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 13. Mai 2025 ist unklar, was eine Kundenanlage ist und ob etwa innerhalb von Mieterstromprojekten Verteilnetzregelungen gültig sind. „Die aktuelle Unsicherheit bremst neue Projekte massiv aus, da viele Netzbetreiber keine neuen Kundenanlagen mehr genehmigen“, weiß Tim Loppe. „Der Gesetzgeber muss daher zügig eine praxisnahe und rechtssichere Regelung treffen, die dezentrale Belieferungskonzepte für potenziell Millionen Haushalte wieder ermöglicht.“
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Gemeinschaftliche Konzepte stehen auf der Kippe
Dies ist auch für Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar), ein Punkt, bei dem in der aktuellen EnWG-Novelle dringend nachgebessert werden muss. „Andernfalls werden wichtige Aktivitäten zur Solarisierung deutscher Innenstädte und Gewerbegebiete und damit zur Strompreissenkung bei Mietern und Unternehmen ausgebremst“, warnt er. „Gemeinschaftliche solare Nutzungskonzepte wie Mieterstrom, On-Site PPA oder die vom Gesetzgeber gerade erst eingeführte gemeinschaftliche Gebäudeversorgung sind ansonsten ernsthaft in Gefahr. Der Gesetzgeber ist jetzt gefragt, umgehend wieder Rechtssicherheit herzustellen, die entstandene Regelungslücke zu schließen und diesen neuen Energiewendebremsklotz schnell zu beseitigen.“
Für Carsten Körnig hat die Bundesregierung mit der Novelle eine weitere wichtige Chance verpasst, um den Ausbau der Erneuerbaren zu beschleunigen. „Es ist richtig, dass die Bundesregierung gleich zu Beginn der Legislaturperiode eine Energierechtsnovelle auf den Weg bringt“, sagt er. „Diese sollte aber auch besonders dringende Maßnahmen enthalten, auf die die Solarbranche und die Bürger schon lange warten.“
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Mehr Transparenz der Netzauslastung
So fehlen der Solar- und Speicherbranche relevante Regelungen zur Vereinfachung, Vereinheitlichung und Digitalisierung von Netzanschlüssen, die in einem Branchendialog erarbeitet wurden. Eine Internetplattform zur Kommunikation zwischen Netz- und Anlagenbetreibern reicht nicht aus. Vielmehr erwartet der BSW-Solar, dass auch die Transparenz über die Auslastung der Stromnetze erhöht wird. „Dies würde Projektierern von Solaranlagen viel Aufwand ersparen und es ermöglichen, sich vor dem Stellen eines Netzanschlussbegehrens zunächst selbst zu informieren“, begründen die Branchenvertreter diese Forderung.
Netzanschlussverfahren digitalisieren
Grundsätzlich mahnt Carsten Körnig mehr Ambitionen beim Thema Netz an. „Der Bundestag sollte die Digitalisierung von Netzanschlussbegehren vorschreiben und verbindliche Reservierungsmöglichkeiten für Netzkapazitäten schaffen, die in angemessener Form den Projektfortschritt berücksichtigen – zum einen, um die Planungs- und Investitionssicherheit für Projektierer zu verbessern, zum anderen, um die Blockade durch ungenutzte Zusagen zu vermeiden“, sagt er. „Auch die Fristen im Netzanschlussprozess sollten einheitlich gestaltet und die Nichteinhaltung durch die Netzbetreiber sanktioniert werden.“
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Genehmigung von Förderungen ermöglichen
Außerdem muss die Bundesregierung dringend die von der EU geforderten Regelungen von Rückzahlungsmaßnahmen bei Überförderung erlassen. Denn diese sind Grundlage dafür, dass Brüssel die zusätzlichen Unterstützungen aus dem Solarpaket vom April 2024 und dem Solarspitzengesetz vom Anfang dieses Jahres genehmigt. „Die ausstehende beihilferechtliche Genehmigung der EU blockiert unter anderem, dass auf deutlich mehr für die Landwirtschaft und Parkraumbewirtschaftung genutzten Flächen zugleich effizient klimafreundlicher Solarstrom erzeugt wird“, lautet die Kritik von Carsten Körnig. „Auch die systemdienliche Glättung von Solarstromeinspeisespitzen durch Batteriespeicher liegt deshalb auf Eis. Diese Maßnahmen gelten auch in der neuen Koalition als unstrittig. Die für eine beihilferechtliche Genehmigung erforderliche Gesetzesänderung ist überfällig und sollte im Rahmen der aktuellen EnWG-Novelle minimalinvasiv umgesetzt werden“, fordert der BSW-Solar-Chef.