Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Vorschau zur Leitmesse

Hamburg Wind Energy: Die Bandbreite einer Branche

Digitalisierung, Big Data, Smart Energy – wie viele andere Branchen bestimmen diese Schlagworte aktuell auch die Wind­energiebranche. Und damit auch die diversen Branchenveranstaltungen. Die wichtigste des Jahres, die Wind Energy Hamburg, findet vom 25. bis zum 28. September statt. 1.400 Aussteller aus 40 Ländern stellen in neun Hallen der Hamburg Messe ihre Innovationen vor. Parallel findet mit dem Global Wind Summit die jährliche Konferenz des Branchenverbands Wind Europe statt, sodass Hamburg einmal mehr zum Schaufenster und zum Hotspot der Windenergie wird.

Mit größter Spannung wird traditionell auf die Anlagenhersteller geschaut, ob und welche neuen Anlagen sie im Gepäck haben. Gleich zwei neue Anlagentypen stellt dabei die Vensys Energy AG vor. Beide Anlagen beruhen auf dem Generator der 3,5-Megawatt-Plattform. Durch Anpassungen des Rotors holt Vensys nun aber mehr Leistung aus den Maschinen. Nähere Infos zur Vensys 115 mit 4,1 Megawatt (MW) sowie zur Vensys 126 mit 3,7 MW gibt es in Halle A1 am Stand 116.

Die Enercon GmbH (Halle A1, Stand 223) hat zwei neue Anlagentypen mit einer Nennleistung von 3,5 MW entwickelt. Ihre Messepremiere feierten sie im August auf der Brasil Wind Power, jetzt folgt die Einführung auch in Europa. Die E-126 EP3 ist für Standorte mit mittleren Windbedingungen der Klasse IIA (IEC) ausgelegt, die E-138 EP3 für Schwachwindstandorte der Klasse IIIA (IEC). Ein Prototyp der E-126 EP3 wurde bereits Mitte August in Mecklenburg-Vorpommern errichtet, der Prototyp der E-138 EP3 soll Ende des Jahres folgen. Verfügbar sein werden beide Anlagen mit verschiedenen Hybrid- und Stahlrohrtürmen mit Nabenhöhen von 81 bis 160 Meter.

Seit dem 21. August steht die erste von zwei N149/4.0-4.5 mit je 4,5 Megawatt von Nordex (Halle B2.OG, Stand RD17) im Windpark Wennerstorf II, rund 30 Kilometer südlich von Hamburg. Das von Nordex in Eigenfertigung produzierte einteilige Rotorblatt der N149/4.0-4.5 misst fast 73 Meter. Senvion S.A. (Halle A4, Stand 323) hat den an Bedeutung gewinnenden Märkten außerhalb Europas Rechnung getragen und die neueste 4-Megawatt-Anlagenreihe bereits im Mai auf der AWEA Windpower in Chicago vorgestellt.

Der Messe­auftritt in Hamburg steht deswegen ganz im Zeichen eines neuen Markenauftritts. Mit dem Slogan „We make wind perform“ will Senvion ein neues Selbstverständnis transportieren. Im Visier hat man dafür aktuell vor allem Australien, Südamerika, Ägypten und Indien. Letzteres habe sich inzwischen zum wichtigsten Absatzmarkt des Unternehmens entwickelt, so Pressesprecher Immo von Fallois.

Lagerwey 2016 - inzwischen gehört das niederländische Unternehmen zu Enercon und führt in diesem Jahr seinen Kletterkran vor. - © Foto: Hartmut Zielke/Messe Hamburg
Lagerwey 2016 - inzwischen gehört das niederländische Unternehmen zu Enercon und führt in diesem Jahr seinen Kletterkran vor.

Siemens Gamesa Renewable Energy wird in Halle B6 an Stand 470 vor allem sein Portfolio jenseits des klassischen Anlagendesigns präsentieren. So bilden vor allem digitale Lösungen, die die Anlagen­verfügbarkeit beziehungsweise den Energie­ertrag steigern, einen Messeschwerpunkt. Daneben wird das Unternehmen auch über das Potenzial thermischer Energiespeicher informieren.

Die automatisierte Windenergieanlage

Ein Unternehmen, das – ganz dem Trend folgend – seinen Messeauftritt ins Zeichen des digitalen Wandels stellt, ist die Bachmann Electronic GmbH (Halle A4, Stand 221). Mit Windenergie 5.0 will das österreichische Unternehmen der technischen Evolution gerecht werden. Kern des Konzepts ist die harmonische Zusammenarbeit von bisher oft getrennten Sphären: Turbinensteuerung, Scada, Condition-Monitoring-System (CMS), Big-Data-Portal und Smart Grid. Realisieren will Bachmann das über eine ganzheitlichen Automatisierungslösung. In Hamburg stellt Bachmann neue Komponenten von Windenergie 5.0 vor – etwa das anhand der Erfahrungen der letzten Jahre weiterentwickelte CMS-Modul AIC214 und die neue Familie von Netzmessmodulen GMP232/x. Die Siemens AG (Halle B6, Stand 362) kommt mit einem Bauchladen voller neuer Komponenten vom Umrichter bis zum Schaltschrank. Und Ziehl-Abegg (Halle B5, Stand 416) zeigt Luft- und Regel- sowie Antriebstechnik.

Neue Messtechnik, Steuerungstechnik, Steckverbinder und Zustandsüberwachungssysteme (CMS) zeigt auch Phoenix Contact (Halle B6, Stand 363). Die Firma ist weltweiter Marktführer für Komponenten, Systeme und Lösungen im Bereich der Elektrotechnik, Elektronik und Automation. Aerodynamische Unwuchten kann das bekannte Schadenserkennungssystem SHM.Blade erkennen, das Wölfel Wind Systems gleich um zwei Funktionalitäten erweitert hat. Denn außer den aero­dynamischen Unwuchten kann SHM.Blade jetzt auch Pitchwinkelfehlstellungen detektieren. Aber natürlich stellt Wölfel auf Stand 122 in Halle A4 seine gesamte Produktpalette im Bereich Structural Health Monitoring vor. Darunter ist auch das ebenfalls verbesserte Eiserkennungssystem IDD.Blade. Es ist nach Angaben des Unternehmens jetzt noch kompakter und hat einen verbesserten Blitzschutz.

Größere Anlagen brauchen neue Lager

Ein weiterer wichtiger Einsatzort für Sensoren ist der Rotorblattansatz. Die zahlreichen individuellen Rotorblattverstellungen der immer größer werdenden Anlagen bedeuten eine erhöhte Belastung für die Blattlager. Manche Turbinenhersteller verwenden daher inzwischen anstelle der bisherigen Vierpunkt-Kugellager dreireihige Wälzlager, wie sie von Lagerspezialisten wie der IMO GmbH amp; Co. KG (Halle B5, Stand 230) und der Thyssenkrupp Rothe Erde GmbH (Halle B6, Stand 232) angeboten werden. Eine Lösung nicht nur für die Regelung, sondern auch für die Überwachung der Lasten stellt die dänische Mita-Teknik A/S in Halle A1 an Stand 440 vor. Auch die Firma Renk (Halle B5, Stand 223) demonstriert Lösungen rund um die Themen Lager, Getriebe, Kupplungen, ebenso wie Bonfiglioli Riduttori S.p.A aus Italien (Halle B6, Stand 268).

Prominenz bei der Eröffnungsfeier 2016: Sigmar Gabriel und Olaf Scholz - © Foto: Stephan Wallocha / Messe Hamburg
Prominenz bei der Eröffnungsfeier 2016: Sigmar Gabriel und Olaf Scholz

Speziell für die Hauptwellen von Windenergieanlagen hat AB SKF (Halle B6, Stand 370) das neuartige Explorer-Pendelrollenlager SKF 240/710 BC entwickelt. Eines davon testet Vattenfall bereits seit zwei Jahren im dänischen Windpark Tjæreborg Enge. In Hamburg stellt SKF das Lager nun der Öffentlichkeit vor. Zwar hätten sich die Standard-Pendelrollenlager, wie sie normalerweise an den Hauptwellen von Windenergieanlagen eingesetzt werden, durchaus bewährt, sagt Peter Scheibner, Leiter des Bereichs erneuerbare Energien bei der dänischen SKF, doch mit zunehmender Anlagengröße kämen sie langsam an ihre Grenzen. Außerdem wolle SKF mit dem neuen Lager die Lebensdauer erhöhen. Gelungen sei dies durch eine neue Innengeometrie, den Einsatz von Gusseisen statt Messing, die Eliminierung mehrere metallischer Gleitkontakte sowie geringere Anpressdrücke.

Die Rotorhauptlagerung scheint tatsächlich noch einiges an Entwicklungspotenzial zu bieten. Denn auch Wettbewerber Schaeffler Technologies AG amp; Co. KG (Halle B5, Stand 234) stellt in Hamburg unter anderem seine Pendelrollenlager in den Fokus. Bereits 2015 hat Schaeffler erstmals asymmetrische FAG-Pendelrollenlager für Rotorhauptlagerungen vorgestellt. Mittlerweile hat das Unternehmen die Lager zu einer kompletten Baureihe weiterentwickelt. Das asymmetrische Lagerdesign ermöglicht einen höheren Druckwinkel auf der axial belasteten Wälzkörperreihe und einen flacheren Druckwinkel auf der hauptsächlich radial belasteten Wälzkörperreihe. Schaeffler verspricht den Anlagenherstellern, damit bei gleicher Lagergröße Anlagen mit größerem Rotordurchmesser oder höherer Leistung gestalten zu können.

Weniger die Hersteller als die Betreiber hat Schaeffler mit seinen Sensorkonzepten im Visier. Der Loadsense-Pin beispielsweise überwacht die Vorspannung der Verschraubung des Flanschlagers im Betrieb und soll ein bedarfsgerechtes Nachziehen der Schrauben ermöglichen. Eine sonst in festen Abständen erforderliche Überprüfung der Vorspannung entfällt so laut Schaeffler.

Intelligenz auch für das Getriebe

Auch die führenden europäischen Getriebehersteller ZF Friedrichshafen AG (Halle B5, Stand 222) und die Winergy-Flender GmbH (Halle B5, Stand 130) präsentieren auf der Weltleitmesse ihre Innovationen. Und auch sie fokussieren darauf, ihr Know-how aus Maschinenbau und Leistungselektronik um die Möglichkeiten der Digitalisierung zu bereichern. So sollen integrierte Daten von Wetterstationen oder von den Elektrizitätsmärkten den besten Zeitpunkt für Wartungs- und Reparaturarbeiten ermitteln.

Der chinesische Getriebehersteller Nanjing High Speed Gear Manufacturing Co., Ltd. (NGC) stellt ebenfalls in Halle B5 am Stand 438 seine intelligente Getriebetechnik vor. Liu Zhaohui, stellvertretender Direktor Aftermarket, erläutert: „Die Wind Energy Hamburg ist die ideale Plattform für die Präsentation unserer aktuellen Innovation, der Smart Gearbox. In dieser integrierten intelligenten Lösung ist ein Zustandsüberwachungssystem mit einer speziellen NGC-App und internetgestütztem Big-Data-Management kombiniert. Der direkte Datenaustausch mit dem Kunden ermöglicht uns eine vorausschauende Beratung. Der Kunde profitiert dabei von unserem Know-how und von unseren umfassenden hauseigenen technischen Getriebedaten.“

Die Zukunft im Visier

Auch der Bundesverband Windenergie (BWE) nutzt den Branchentreff, um Flagge zu zeigen. Als Partner der Wind Energy Hamburg informiert er in Halle A1 an Stand 308 über seine Leistungen. Raum für Diskussionen sollen Fachveranstaltungen der Beiräte und Betreiberforen bieten. „Neben der Erzeugung wird es in den kommenden Jahren immer mehr um das Management der Energiewende und damit um echte Systemverantwortung gehen“, sagt BWE-Präsident Hermann Albers. „Am Beispiel Deutschland werden wir beweisen, dass sich auch eine industriell geprägte, führende Volkswirtschaft auf eine erneuerbare Energieversorgung stützen kann. Die Windenergie als Leittechnologie für die Energiewende steht bereit.“

Das Cluster Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH) hat es sich zum Ziel gesetzt, die Nutzung erneuerbarer Energien auf Bereiche außerhalb der Stromversorgung auszudehnen, beispielsweise auf die Mobilität sowie auf Industriezweige, die sehr viel thermische Energie benötigen. Leitgedanke der Sektorenkopplung ist laut EEHH-Direktor Jan Rispens, dass Energie zwischen den Bereichen gleichmäßig verteilt werden sollte. „Das norddeutsche Energiewende-Projekt NEW 4.0 ist nicht nur für den Windenergiesektor, sondern auch für große regionale Stromkunden wichtig. Das Projekt hat Vorbildcharakter für zukünftige Entwicklungen im Strommarkt“, so Rispens.

Eine Herausforderung aus Sicht der Energiekonzerne, Übertragungsnetzbetreiber und anderer Stromnetz-Dienstleister ist die Aufrechterhaltung der Netzstabilität im Zuge der Integration eines immer größeren Anteils erneuerbarer Energien. Vor allem die zunehmend dezentrale Energie­erzeugung stellt eine große Herausforderung dar. Die Windtest Grevenbroich GmbH bestimmt unter anderem im Auftrag von Herstellern sowie Anlagen- und Netzbetreibern die elektrischen Eigenschaften von Erzeugungseinheiten und -anlagen am Nieder-, Mittel- und Hochspannungsnetz. Sein Dienstleistungsportfolio präsentiert das Unternehmen in Halle A1 auf Stand 433. Um der großen Nachfrage nach Dienstleistungen im Überspannungsbereich (Over Voltage Ride Through, OVRT) gerecht werden zu können, hat Windtest Grevenbroich erst im Juni den Kaufvertrag für einen weiteren Prüfcontainer für Fault-Ride-Through-Tests (FRT) abgeschlossen.

Die Wind Energy Hamburg nutzt Windtest Grevenbroich aber nicht nur, um die Weichen für die Zukunft zu stellen. Der Messeauftritt steht auch im Zeichen von 20 Jahren Testfeldbetrieb. Denn am 1. Juni 1998 hat Windtest Grevenbroich mit dem Protoyp Dewind D4 die erste Windenergieanlage auf dem Testfeld südlich von Grevenbroich in Betrieb genommen. Seitdem hat der Messdienstleister insgesamt 16 Prototypen hochmoderner Windenergieanlagen auf der Neurather Höhe errichtet, getestet und vermessen.

Anlagenbestand will gepflegt werden


Weil Prototypen rarer geworden sind, präsentiert die Eno Energy GmbH das Flaggschiff des Unternehmens, die 4,8-MW-Anlage, in diesem Jahr lediglich auf dem Gemeinschaftsstand des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (Halle B6, Stand 300). Stattdessen fokussieren die Rostocker auch in Sachen Messepräsenz auf alternative Geschäfts­felder: Mit einem eigenen kleinen Stand vertreten sind nämlich die Dienstleistungsbereiche des Unternehmens (Halle B6, Stand 141). Die Enosite GmbH bietet Windparkoptimierungen, Schallimmissions- und Schattenwurfgutachten, Standortbewertungen und Visualisierung von Windparkplanungen sowie die Erstellung und Betreuung von Genehmigungsverfahren inklusive Netzanbindung und Zuwegungsplanung. Die Enovation GmbH kümmert sich um zustandsorientierte Prüfungen, Entwicklung, Auslegung und Konstruktion von Anlagen sowie um die Qualitätssicherung an Anlagen und Komponenten und erarbeitet Retrofitmaßnahmen. Der Hersteller nimmt also vermehrt den Anlagenbestand ins Visier.

Und genau der ist auch für die Versicherungsbranche interessant – gerade jetzt, wo die Anlagen langsam in die Jahre kommen. Zum Ende eines langfristigen Servicevertrags stehen Anlagen­betreiber immer wieder vor der Frage: umfängliches Instandhaltungskonzept oder doch nur ein Basiskonzept in Verbindung mit einer Vollschutz-­Maschinenbruch-Versicherung? Antwort darauf gibt die Enser Versicherungskontor GmbH (EVK) an Stand 125 in Halle A1. Weitere Schwerpunkt­themen von EVK sind Cyberrisiken und deren Absicherung, D amp;O-­Versicherungen sowie der erweiterte Strafrechtsschutz. (Katharina Garus)
Weitere Informationen hier