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Alternatives Verfahren

Höherer Schallpegel bei Windkraft durch angepasste Prognosen führt zu Problemen

Nicole Weinhold

Es ist eine Frage der Akzeptanz. Beeinträchtigen Windenergieanlagen die Menschen in der Umgebung? Bei einem Webinar der Netzwerkagentur Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein (EE.SH) beleuchteten Fachanwalt Markus Sawade und Ingenieur Axel Sachse das Thema. Konkret ging es um Erfahrungen mit einem angepassten Berechnungsverfahren für Schallprognosen, dem sogenannten Interimsverfahren.

Oktav-Schallleistungspegel

Wie Axel Sachse erklärte, wird die Schallimmissionsprognose dabei nicht mehr für nur eine Schallfrequenz, sondern je Oktave mit dem jeweiligen Oktav-Schallleistungspegel durchgeführt, da die unterschiedlichen Frequenzen des Windenergieanlagengeräusches in der Atmosphäre individuell verschieden gedämpft werden. Dies hatte in Einzelfällen dazu geführt, dass einige Gemeinden nun Schwierigkeiten haben, Neubaugebiete in der Nähe bestehender Windparks auszuweisen. Auch die Wirkung der Bodendämpfung wurde bei hohen Schallquellen nach der bisherigen Prognosemethode überschätzt – während am Boden noch Windstille vorherrscht, kann auf Nabenhöhe bereits ausreichend Wind zur Erreichung der Nennleistung wehen.

Das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) startete mit Inkrafttreten der LAI-Hinweise und des Interimsverfahrens ein Überwachungskonzept für Alt-Anlagen. Daraus habe sich bisher aber nur wenig Handlungsbedarf ergeben, berichtete Sachse. Die spektral nachgerechneten Immissionswerte lagen in den meisten Fällen nur geringfügig über den mit der alten Methode berechneten Prognosen. Nach der alten Berechnungsmethode war die prognostizierte Schallimmissionsbelastung der potenziellen Gebiete unterhalb der Immissionsrichtwerte (IRW), nach der alternativen Methode werden höhere Vorbelastungswerte als die IRW prognostiziert.

Beweislast bei Windparkbetreiber

Kläger gegen Windkraftanlagen fühlten sich durch ein entsprechendes Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein vom Juni 2019 bestätigt. Damals hatten die Richter geurteilt, dass genau untersucht werden muss, ob Mindestabstände und technische Standards eingehalten werden. Im Zweifelsfall muss vor Ort nachgemessen werden, wenn Anwohner meinen, die Anlagen würden sie beeinträchtigen. Rechtsanwalt Markus Sawade erklärte, dass Windenergieanlagen-Betreiber sich deshalb darauf einstellen müssen, dass im Fall einer Zivilklage die Beweislast bei ihnen liegt. Möglicherweise müssen Schall, Schattenwurf und weitere Parameter noch einmal einzeln geprüft werden. Gegebenenfalls kann der Betreiber verpflichtet werden, die Anlage so zu betreiben, dass sie leiser ist – wie er das macht, ist ihm selbst überlassen. Dafür gibt es inzwischen einige technische Möglichkeiten wie Serrations oder Schwingungstilger. Axel Sachse berichtete, dass diese sogenannten Serrations, kleine Sägezähne an der Flügelkante des Rotors, eine Windenergieanlage um bis zu drei Dezibel am Immissionsort leiser machen können.

Wie viel Schall ist zumutbar für die Anwohner, wie viele Prognosen, Prüfungen und Messungen sind zumutbar für die Betreiber? Die rechtlichen Auseinandersetzungen werden weitergehen, doch eine beruhigende Botschaft hatte Markus Sawade für die Anlagenbetreiber unter den Zuhörerinnen und Zuhörern: „Eine Betriebsuntersagung ist nicht möglich, wenn alle Schritte des Genehmigungsverfahrens nach § 10 BImSchG durchlaufen wurden.“ Dies werde außerdem in wenigen Wochen vereinfacht, wenn das Planungssicherstellungsgesetz in Kraft tritt. Demnach gilt auch eine Einsehbarkeit der Pläne im Internet als Öffentlichkeitsbeteiligung, eine physische Auslegung von Plänen in Ämtern oder Gemeinden wäre dann nicht mehr notwendig.