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Klimaschutzbericht

Klimaschutz durch DDR-Zusammenbruch und Coronakrise zählt nicht

Nicole Weinhold

Das Bundeskabinett hat gerade den Klimaschutzbericht 2019 beschlossen. Nach den vorliegenden Schätzungen hat Deutschland im Jahr 2019 rund 35,7 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen als 1990. 2018 lag die Minderung bei rund 32 Prozent, 2017 bei 27,5 Prozent. Die Gesamtemissionen 2019 sanken demnach gegenüber dem Vorjahr 2018 um fast 54 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (-6,3 Prozent) auf rund 805 Millionen Tonnen. Der Bericht betrachtet die Entwicklung der Emissionen vor dem Hintergrund beschlossener Klimaschutzmaßnahmen bis einschließlich 2019. Das Bundesumweltministerium betont, Entwicklungen des Jahres 2020, insbesondere mögliche zusätzliche Effekte der Covid19-Pandemie, seien nicht enthalten.

„Mit dem Klimaschutzgesetz haben wir Verbindlichkeit, Transparenz und Überprüfbarkeit in der Klimapolitik sichergestellt. Wir werden jedes Jahr überprüfen, ob wir auf dem beschlossenen Pfad sind und bei Bedarf nachsteuern“, erklärt Bundesumweltministerin Svenja Schulze.

Aktionsprogramm Klimaschutz 2020

Der Klimaschutzbericht 2019 ist der letzte, der sich vorrangig der Umsetzung des 2014 beschlossenen Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 widmet. Er listet die zirka 110 Maßnahmen des Aktionsprogramms 2020 auf und stellt detailliert dar, welche CO2-Einsparungen diese Maßnahmen bis zum Ende des Jahres 2020 voraussichtlich leisten werden.

Der Bericht zeigt laut BMU, dass die Maßnahmen des Aktionsprogramms 2020 wirken: Sie tragen demnach dazu bei, die Lücke zum Erreichen des Reduktionsziels von minus 40 Prozent bis 2020 zu verkleinern. Dabei leistet der EU-Emissionshandel mit deutlich höheren Zertifikatspreisen einen höheren Minderungsbeitrag als noch vor einem halben Jahr erwartet.

Das Ausmaß des Emissionsrückgangs infolge der Corona-Pandemie ist noch mit Unsicherheiten behaftet und lässt sich noch nicht genau beziffern. Wenn die tatsächlichen Treibhausgas-Emissionen für das Jahr 2020 deutlich niedriger ausfallen, könnte laut BMU das 40-Prozent-Ziel noch erreicht werden.

Damals Klimaschutz durch Zusammenbruch der DDR-Industrie 1990

Jörg Lange, geschäftsführender Vorstand des CO2 Abgabe, sagt,

das mutmaßliche Erreichen des Klimaziels 2020 sei kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Denn den größten Beitrag zum Klimaschutz in Deutschland hätten der Zusammenbruch der DDR-Industrie 1990 und seit 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz geleistet. "Dass jetzt erneut ein Einbruch der Industrieproduktion durch die Corona-Krise statt wirksamer Klimaschutzmaßnahmen dazu beitragen muss, die CO2-Ziele zu erreichen, ist ein Armutszeugnis für die von CDU und CSU geführte Bundesregierung. Das im September 2019 beschlossene Klimaschutzprogramm 2030 muss daher umgehend nachgebessert werden." Der im Bundesklimaschutzgesetz verankerten Mechanismus, wonach das Klimakabinett erst im Sommer 2021 bei den Zielverfehlungen in den Sektoren nachsteuern soll, greife angesichts des dritten Dürrejahres in Folge, der schlechten Ernten, flächendeckend sterbender Wälder und des zunehmenden Wassermangels viel zu spät. Stattdessen sollte Deutschland auf nationaler und europäischer Ebene schnellst möglich nachsteuern. "Mit einem CO2-Mindestpreis im EU-Emissionshandel nach dem Vorbild Großbritanniens und einer Energiesteuerreform lassen sich bis 2030 bis zu 200 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Neben der Klimazielverschärfung sollte Deutschland zudem die Rolle als EU-Ratspräsidentschaft nutzen, die Maßnahmen eines CO2-Mindestpreises und einen einheitlichen CO2-Preis über alle Sektoren auf europäischer Ebene voranzubringen“, so Lange.

Klimaschutz durch Corona

Dass das Klimaschutzziel 2020 nicht in unerreichbarer Ferne liegt, verdanke die Bundesregierung vor allem der Corona-Krise, betont derweil Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). Nach aktuellen Erwartungen werde die deutsche Klimabilanz deutlich besser ausfallen, als ursprünglich berechnet. „Es sollte der Bundesregierung hochnotpeinlich sein, dass erst eine Pandemie das Erfüllen der Klimaschutzziele ermöglicht“, kommentiert Peter den aktuellen Klimabericht. „Das muss als klares Warnsignal verstanden werden, den Klimaschutz endlich als erste Priotität auf die politische Agenda zu schreiben.“

Erholung der deutschen Wirtschaft nicht auf Kosten des Klimaschutzes

Die wirtschaftliche Erholung von der Corona-Pandemie erfordere insbesondere im Kontext der Klimapolitik enorme Anstrengungen. Auf keinen Fall dürfe die Erholung der deutschen Wirtschaft auf Kosten des Klimaschutzes passieren, unterstreicht Peter: „Stattdessen braucht es jetzt klare politische Weichenstellungen für eine klimafreundliche Energieversorgung, mehr Klimaschutz im Verkehr und die umfassende Sanierung des Gebäudesektors." Erneuerbare Energien seien im Strombereich schon ins Zentrum gerückt, und könnten zunehmend einen Beitrag im Wärme- und Verkehrssektor liefern. "Dieses Innovations- und Wertschöpfungspotenzial mit hoher Klimaschutzwirkung gilt es jetzt zu nutzen.“ Deutschland müsse mit gutem Beispiel vorangehen. „Der Schutz unseres Klimas ist essentiell, um die Erderwärmung aufzuhalten. Wir müssen die Klimaschutzziele in Zukunft stärker priorisieren und dürfen nicht darauf angewiesen sein, dass ein nicht geplantes Ereignis uns beim Erreichen derselben hilft“, fordert Peter.

Trotz Corona wird der Klimawandel in mehreren europäischen Ländern immer noch als das größte Problem der Menschheit angesehen. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchungin insgesamt sieben europäischen Ländern, die gerade von Vattenfall veröffentlicht wurde. Die neue Untersuchung ergänzt eine Studie vom Dezember 2019. Während die Sorge der Menschen hinsichtlich Epidemien und wirtschaftlicher Rezession stark zunimmt, gibt fast ein Drittel (28%) der Befragten in Schweden, Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Finnland, Frankreich und Großbritannien an, dass sie den Klimawandel als das drängendste globale Problem der Welt betrachten.

Deutsche sehen Klimawandel immer noch als größtes Problem

In Deutschland sieht nach wie vor der größte Teil der Befragten den Klimawandel als das drängendste Problem an, auch wenn der Anteil im Vergleich zur ersten Befragung leicht sinkt (von 36 % auf 28 %). Ein ähnlicher Trend ist auch in Frankreich zu beobachten (von 31 % auf 25 %), jedoch sind die meisten anderen europäischen Länder weniger volatil (Finnland, Dänemark, Niederlande) – in Schweden steigt der Anteil der Befragten sogar leicht an (von 31% auf 33%). Über alle Länder hinweg bezeichnen immerhin 69% der Befragtensich selbst als "ziemlich" oder "sehr" besorgt über den Klimawandel.

Den Klimaschutzbericht 2019 finden Sie hier.

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